Elena Zuccoli wurde am 14. November 1901 in Mailand als Einzelkind geboren. Ihr Vater war der italienische Architekt Cesare Zuccoli. Ihre Mutter, die Geigerin Augusta Lönnblad, war die jüngste Tochter eines finnland-schwedischen Gerichtspräsidenten. Das Kind erlernte das Geigenspiel, jedoch wurde wegen des dabei immer sich zeigenden Fiebers auf das Klavier übergewechselt. Des gleichen Fiebers wegen war auch ein regelmäßiger Schulbesuch lange nicht möglich; Elenas Bildung kam durch Privaterzieher und -lehrer sowie starke Eigeninitiative zustande. Die Sommer verbrachte das Kind mit der Mutter von klein auf im Natur und Freiheit bietenden Norden; die übrigen Jahreszeiten verlebte sie im kultur- und formgeprägten Italien. 1914 lernte sie in den Sommerferien Rudolf von Laban und Mary Wigman mit deren Tanz-Bewegungs-Impulsen kennen. Als Jugendliche interessierte sie sich für das Rittertum und Heraldik sowie für Rudolf Steiners Bücher, die sie auf Schwedisch las, da sie Deutsch nicht verstand. Ihre Eltern waren Anthroposophen. Das Musikstudium dehnte sich nun auch auf den Gesang aus.
Nach der Unterbrechung durch den Ersten Weltkrieg kamen Mutter und Tochter erstmalig 1919 wieder nach Finnland. Hier wandte sie sich dem Malen zu und studierte in Helsinki und Rom; hier auch gab Elena 19-jährig einem ihrer Vettern ihr Jawort, wohl spürend, dass sie es nicht würde halten können: „Das hatte ich mir eingeprägt, ein Wort muss gehalten werden.‟ (Zuccoli 1999, S. 45) Nach dreimonatiger Ehe verließ sie im Herbst 1922 Helsinki.
Die erste Begegnung mit Rudolf Steiner fand am 3. Oktober 1922 in Stuttgart statt. „Der Eindruck seiner Persönlichkeit und die eigenartige Kraft seiner Stimme wirkten so stark, dass ich gegen Ende des Vortrages mit einem Ohnmachtsanfall zu kämpfen hatte.‟ (Ebd., S. 48) In dieser Zeit befand sie sich in ernster Krise, einer Art Willensohnmacht. Aus dieser erwachend, fand sie sich zusammen mit ihrer Cousine aus Finnland, Märta Wärnhjelm (1904-2000), in der ersten Eurythmieschule in Stuttgart. Hier hatten sie fast monatlich kleine Aufführungen, Rudolf und Marie Steiner verfolgten diese Arbeit immer, wenn sie in Stuttgart waren. Sie lernte Adolf Arenson kennen, der sie in das esoterische Leben einführte. Von der Delegiertentagung 26.-28. Februar 1923 (GA 257) schreibt sie u. a. über Rudolf Steiner: „Das Herzgehör erwachte. Während eines Vortrages fanden stumme Gespräche statt, solche Situationen führten zu Schicksalsentscheidungen.‟ (Ebd., S. 57) Auch die Inflation, bei der sich „viele, besonders alte Leute das Leben nahmen‟ (ebd., S. 58), erlebten Elena und Märta in Stuttgart mit.
Zur Weihnachtstagung 1923/24 war die Stuttgarter Gruppe mit ihrem Eurythmieprogramm nach Dornach eingeladen. Wegen des Sibelius-Stückes mit Gesang zur Eurythmie wurde das ganze Programm bis auf zwei Soli und das Tiaoait abgesetzt. Bedenkt man die politische Situation mit nahezu unüberwindlichen Visumschwierigkeiten und an Hungerleiden grenzender Armut der Beteiligten, bekommt diese Maßnahme Rudolf Steiners eine sehr tiefe Perspektive. Das Miterleben der Weihnachtstagung selbst war den jungen Mädchen der Leuchtestern ihres ganzen langen Lebens mit Impulsen in ferne Zukunft.
Auf Marie Steiners Aufforderung hin setzte Elena Zuccoli nach eineinhalb Jahren in Stuttgart ihre Arbeit in Dornach fort, wo sie von Isabelle de Jaager und Tatiana Kisseleff weitergebildet wurde. Allwöchentliche Aufführungen gehörten zu den Arbeitsaufgaben. Aus der unermesslichen Fülle dieser Zeit sei hier nur eine Charakteristik über Rudolf Steiner zitiert: „Wenn ein Mensch einen anschaut, erlebt man den anderen Menschen. Wenn aber Dr. Steiner einem begegnete, erlebte man in seinem Blick sich selbst: jedes Mal anders [...].‟ (Ebd., S. 71)
Elena und ihre Cousine Märta nahmen im Sommer 1924 am Laut-Eurythmie-Kurs (GA 279) Rudolf Steiners teil, mit aller Energie musste das täglich Neue sofort erarbeitet werden. Das rege, begeisterungs- sowie arbeitsintensive Leben dieser Zeit mit Kursen, Begegnungen, Vertiefungen verwandelte die Menschen von Grund auf. Sie erlebten Rudolf Steiners letzten Vortrag, waren weiterarbeitend nahe während seines Krankenlagers und Erdenabschiedes: „Nach diesen Tagen wurde kein unnötiges Wort gesprochen. Nur langsam löste sich die Erstarrung, und das Leben mit seinen Anforderungen nahm uns dann auf seinen unerbittlichen Weg weiter mit sich.‟(Ebd., S. 76f)
Die Arbeit ging unter Marie Steiners Leitung mit unverminderter Kraft weiter. Reisen bis Reval und Konstantinopel, ein Eurythmieprogramm mit Märta in Skandinavien u. a. folgten, wonach die Letztere in Finnland blieb. Es war ein Wirbel an Aufführungen, Reisen, Unterrichten, Ausbilden, menschlichen Begegnungen und Impulsen. Allmählich wurde die politische Situation in der Welt drohend, ebenso traten die Begrenzungen der menschlichen Fähigkeiten im sich dauernd erweiternden und verändernden Dornach immer deutlicher hervor. 1926 wollte Marie Steiner ein Drei-Personen-Kollegium für die Eurythmiearbeit schaffen: Isabelle de Jaager für die in die Bühnenarbeit integrierte Ausbildung, Tatiana Kisseleff für die Goetheanum - Bühne, Marie Savitch für die Gestaltung der Eurythmiereisen. Dieser Versuch misslang. Elena Zuccoli half Tatiana Kisseleff bei ihrem Neubeginn in Paris wie auch Wilhelmine Stigter beim Aufbau der Eurythmieschule in Holland, außerdem unterrichtete sie Toneurythmie an der Eurythmieausbildung in Dornach, 1928-36 als Kollegin von Isabelle de Jaager. Ihre Erfolge und zugleich ihre Schwierigkeiten nahmen zu. 1936 erbat sie von Marie Steiner die Erlaubnis, für drei Monate einer Arbeitseinladung nach Stockholm zu folgen. Nun musste sie sich erstmals ihren Lebensunterhalt selbst verdienen, da ihr Vermögen in Italien durch Mussolinis Politik blockiert war.
1936-39 wirkte sie intensiv in Stockholm und Helsinki, unterstützt von der Pädagogin Annie Heuser baute sie Ausbildungs- und Studienstätten auf. Mit den Wiener Eurythmisten arbeitet sie in Jugoslawien; Aufführungen finden u. a. in Kopenhagen, Oslo, Bergen statt; eine Eurythmieausbildung bahnt sich in Helsinki an. Während einer „Zwischenstation‟ über Dornach nach Rom 1939 werden Ländergrenzen geschlossen: Krieg zwischen Russland und Finnland. So bleiben Elena Zuccoli und Anni Heuser zehn Jahre statt zehn Tage in Rom. In den zunehmend beengender werdenden Kriegsverhältnissen entsteht trotz allem neben vielem künstlerischen und anthroposophischen Tun eine Eurythmie-Ausbildungsgruppe. Realitätssinn, viel Fantasie und ihre Originalität helfen ihr die schwierigsten und aussichtslosesten Situationen zu meistern.
Ein erstmaliger Besuch nach dem Krieg in Dornach 1946 ist tief bedrückend wegen der dort herrschenden Stimmung: „Was wir in den Jahren des Krieges äußerlich an Zerstörung [...] erlebt hatten, war hier innerlich, geistig-seelisch geschehen.‟ (Ebd., S. 128)
Die aufblühende Arbeit in Rom wird von wiederholten Reisen nach Dornach unterbrochen. Hier bildet sich aus der Krisensituation heraus allmählich bis 1949 eine zweite Eurythmie-Bühnengruppe. Zu diesem Kollegium gesellte sich Elena Zuccoli, die nun nach 14 Jahren in die Schweiz zurückkehrt. Es entstehen viele große Bühnenschöpfungen. Ihre Kurstätigkeit findet nun in Bern, Zürich, Dornach statt. Aus diesen Kursen entwickelt sich durch den Wunsch junger Menschen 1950 eine zweite Eurythmieausbildungsstätte in Dornach, in der Verantwortung von Elena Zuccoli.
Bis auf ein Jahr Pause wegen Überanstrengung 1954 geht die Arbeit unvermindert weiter. Sie führt u. a. 1961 nach New York wegen der Feierlichkeiten zu Rudolf Steiners 100. Geburtstag, hier beteiligen sich Eurythmisten aus New York und Spring Valley. Dort beginnt auch die vieljährige intensive Zusammenarbeit mit der Sprachgestalterin Virginia Brett. Bis 1971 trat sie in der Bühnengruppe auf.
1980 wurden beide Bühnen-Eurythmiegruppen am Goetheanum zusammengelegt, etwa gleichzeitig ging auch die Verantwortung der Eurythmieschule in jüngere Hände über: Nun war Elena Zuccoli frei, in Bühnengruppen und Eurythmieschulen andernorts zu helfen und zu raten. Das geschah durch die Jahre z. B. in Oslo, Järna, Hamburg, Alfter, Paris, Saint-Prex, München, Bern, Lausanne und Helsinki. Bis 1994 gab sie Fortbildungs- und Sommerkurse in Dornach und unterrichtete täglich an der von ihr gegründeten Eurythmieschule.
Nüchternheit, kritisches Vermögen, Bescheidenheit und Abwehr gegen Konventionen waren ihrem künstlerischen Wesen eigen.
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Werke: Ton- und Lauteurythmie, Dornach 1977; Aus der Toneurythmie-Arbeit
an der ersten Eurythmie-Schule in Stuttgart 1922-1924, Dornach 1980;
Skizzen und Entwürfe zur Eurythmie, Dornach 1981; Eine Autobiographie,
Dornach 1999; Übersetzungen ins Englische und Französische erschienen;
Beiträge in Eur, RRM.
Literatur: Der Vorstand am Goetheanum, Geburtstagsgruß, Högsberg, C.:
Freiheit, in: N 1981, Nr. 46; Groot, C.: Marie Savitch, Dornach 1989; Biesantz,
H.: Glückwünsche, Hackländer, I.: Elena Zuccoli zum 90. Geburtstag, in: N
1991, Nr. 45; Sease, V.: Zum 90. Geburtstag von Elena Zuccoli, in: N 1991,
Nr. 46; Sease, V., Didden, T.: Elena Zuccoli gestorben, in: N 1996/97, Nr.
22; Elena Zuccoli gestorben, in: G 1996/97, Nr. 22; Rapp, C. u. D.:
Eurythmie und Anthroposophie, in: G 1996/97, Nr. 28; Ratnowsky, E.,
Heilmann, P.: Elena Zuccoli, in: RRM 1997, Nr. 27; Heilmann, P.: Elena-
Zuccoli-Archiv, in: N 1997/98, Nr. 21/22.
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