Dr. Schwebsch, Erich
Musikwissenschaftler, Waldorflehrer.
*09.07.1889, Frankfurt a. d. Oder (Deutschland)
✟24.05.1953, Freiburg im Br. (Deutschland)
Ein junger Mann, klein von Wuchs, aber mit einem ausdrucksvollen, an Furtwängler erinnernden Schädel, besucht zusammen mit seinem Vater den berühmten Wagner-Fachmann Professor Sternfeld in Berlin. Der junge Mann ist universell begabt, er war im Gymnasium in allen Fächern immer der Beste, spielte vorzüglich Klavier und hatte sich mit seinem um fünf Jahre älteren Bruder, der Geige spielte, ein beachtliches Repertoire aufgebaut und sich autodidaktisch ein profundes musikwissenschaftliches Fachwissen angeeignet. Er war ein begeisterter Wagnerianer, aktiv im Akademischen Wagnerverein in Berlin, wo er Engelbert Humperdinck und Siegfried Wagner kennenlernte. Er studierte dort neuere Sprachen und Germanistik an der Universität. Sein großer Wunsch und sein Lebensziel aber ist es, Dirigent zu werden. Arthur Nikisch und seine Bruckner Interpretationen hatten einen nachhaltigen Eindruck auf ihn gemacht. Der Vater geht mit seinem Sohn und dessen Lebenswunsch zu Professor Sternfeld und lässt sich die Aussichten auf diesen Beruf erklären. Der spricht von einem brotlosen Beruf und der Vater weiß genug. Kurzerhand verbietet er dem 23-Jährigen diesen Berufwechsel und zerknirscht verlässt er die Wohnung des verehrten Professors. Der junge Mann war Erich Schwebsch.
Das war 1912. Mit seiner Verlobten Felicia Sintenis entschließt er sich, das Studium fortzusetzen. Bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges meldet sich Erich Schwebsch als Kriegsfreiwilliger und liegt drei Jahre vor Verdun. Da der Krieg nicht enden will, entschließen sie sich trotz der widrigen Umstände zur Ehe und werden von Friedrich Rittelmeyer getraut. Er liest Bücher von Rudolf Steiner. Mit der „Philosophie der Freiheit‟ kann er nichts anfangen, aber „Goethe als Vater einer neuen Ästhetik‟ (GA 271) zündet bei ihm sofort. Nach Kriegsende musste das Staatsexamen nachgeholt werden. In der Zeit hört er zum ersten Mal Rudolf Steiner sprechen. Diese erste Begegnung ruft in ihm das Bild des Atlas hervor, der Welten trägt. In der Referendarzeit arbeitet er auf Anregung von Rittelmeyer an einem Aufsatz „Rudolf Steiner und Goethe‟ zur Festschrift von Steiners 60. Geburtstag. Dieser Aufsatz führt zum ersten Gespräch mit Rudolf Steiner und zu dessen Aufforderung, an der Waldorfschule mitzuarbeiten.
Seine Liebe zur Musik war keineswegs erloschen. 1921 bringt er auf Drängen von Alexander Strakosch sein Brucknerbuch heraus, das schon ein Jahr später eine zweite, erweiterte Auflage erfährt. Neueren Auflagen widersetzt er sich gewissenhaft, da inzwischen die Brucknerforschung eingesetzt hatte. Seine Analysen aber, zum Beispiel die der Sechsten Symphonie des Meisters, sind bis heute beispielhaft.
Erich Schwebsch tritt im dritten Jahr nach der Gründung 1919 in das Lehrerkollegium der Waldorfschule in Stuttgart ein. Es wird berichtet, dass Steiner den Kunstunterricht der Oberstufe nur einrichten wollte, wenn Schwebsch ihn übernehmen würde. So geschieht es auch. Sein Motto, nur der Künstler ist Mensch, beginnt er an der Oberstufe der Waldorfschule zu leben und zu lehren. Zahllose Schüler erlebten durch ihn die großen Zusammenhänge der Kulturen, lernten die Bildersprache der Mythen deuten und erfuhren durch die Kunstbetrachtung, dass auch die Gegenwart ein Teil menschlicher Entwicklung ist.
Schwebsch kann dank seiner Selbstdisziplin eine gewaltige Arbeitsfülle meistern, die er nicht nur für die Schule einsetzt, sondern auch für die Anthroposophie selber. Er spricht 1922 am Wiener „West-Ost Kongress‟, nimmt am „Dramatischen Kurs‟ (GA 282) teil, ist mit Kurt Piper Redakteur der Zeitschrift „Die Drei‟, ist Teilnehmer im Siebener-, dann im Dreißigerkreis und gestaltet die Geschicke der Anthroposophischen Gesellschaft in Deutschland mit, redigiert über viele Jahre die „Erziehungskunst‟ und reist als Vortragsredner bis in die USA, wo er 1939 auf einer Tournee 70 Vorträge hält. Zurück in Deutschland kann er noch an der Dresdener Waldorfschule unterrichten, bis auch diese von den Nazis geschlossen wird. Schwebsch kehrt mit seiner Frau 1943 nach Stuttgart zurück. In den letzten Kriegsjahren arbeitet er an einer goetheanistisch inspirierten Ästhetik, all seine Erfahrungen und Arbeiten der vergangenen 30 Jahre darin zusammenfassend. Das Manuskript war fast fertig, als es in einer Bombennacht im September 1944 zusammen mit seinem Haus verloren geht. Einem Leistenbruch verdankt er, dass er nicht im „Volkssturm‟ aktiv werden muss.
Ernst Bindel schildert drei Stationen der Stuttgarter Waldorfschule: Gründung, Schließung und Wiedereröffnung. Für jede Stufe bezeichnete er eine markante Gestalt. Für die Gründung Emil Molt, für die Schließung Fritz Graf von Bothmer und für die Wiedereröffnung 1945 Erich Schwebsch. Tatsächlich: kaum war die Befreiung für Deutschland gekommen, ruft er die Freunde zusammen und bereitet den Wiederbeginn der Schule vor. Mit Emil Leinhas erwirkt er bei der Besatzungsmacht die Wiedergenehmigung der Schule im September 1945. Einen Monat später beginnt in der Stuttgarter Waldorfschule wieder der Unterricht in den von Schülern, Eltern und Lehrern notdürftig hergerichteten Ruinen. In vielen Städten wollen Eltern nach dem Krieg Waldorfunterricht für ihre Kinder haben und er reist von Stadt zu Stadt, um über innere Schulreformen zu reden. Der Ansturm der Schulgründungen macht eine übergreifende Koordination notwendig. Schwebsch übernimmt neben der Geschäftsführung der Stuttgarter Schule die Leitung des neu gegründeten Bundes der Waldorfschulen, bevor diese Aufgabe von Ernst Weißert weitergeführt wird. Er unterrichtet neben der Schule auch am Lehrerseminar und wird wieder Redakteur von „Die Drei‟.
Aber auch die Anthroposophische Gesellschaft in Deutschland muss neu aufgebaut werden. Im Mai 1949 werden Paula Dieterich, Friedrich Husemann und Erich Schwebsch gebeten, den Kern einer Gesellschaftsleitung zu bilden. Anfang 1950 übernimmt er das Sekretariat der Gesellschaft in Deutschland. Am Goetheanum kann er noch - im Rückblick erscheint es wie ein Vermächtnis - einen Kurs über „Die Künste als Offenbarer geistiger Impulse‟ geben, in dem er das, was durch die Bombennacht verloren ging, noch einmal mündlich zur Darstellung bringt. Im Frühjahr 1953 muss er zur Kur aussetzen, erholt sich aber nicht. Er stirbt am Pfingstsonntag, während in Stuttgart eine öffentliche Tagung der Anthroposophischen Gesellschaft stattfindet, die er noch mit vorbereitet hatte.
Sein Jugendwunsch, Dirigent zu werden, hatte sich nicht erfüllt - und doch stand er dirigierend inmitten derjenigen, mit denen er die Erziehungskunst und die Anthroposophie der europäischen Kultur mit einschrieb.
25.05.1925 - 25.07.1925: Hochschulkurse in Stuttgart
17.07.1926 - 22.07.1926: Mitgliedertagung der Anthroposophischen Gesellschaft in Deutschland
31.07.1926 - 07.08.1926: English Week
18.08.1926 - 31.08.1926: Erste musikalische Tagung
09.11.1926 - 26.03.1927: 13. Semester "Goetheanum und Hochschulkurse in Stuttgart"
01.01.1927 - 31.12.1927: Erich Schwebsch über den nationalen Gedanke in der Waldorfschule
03.01.1927 - 06.01.1927: Tagung der Stuttgarter Waldorfschule: "Rudolf Steiners Erziehungsimpuls"
08.04.1927 - 13.04.1927: Fünfte öffentliche Erziehungstagung
18.08.1927 - 28.08.1927: Zweite musikalische Tagung
20.07.1928 - 01.08.1928: World Conference on Spiritual Science
03.08.1929 - 11.08.1929: English Week
11.08.1929 - 25.08.1929: Sommertagung
16.10.1929: Zehnjährige Jubiläumsfeier der Freien Waldorfschule in Stuttgart
18.10.1929 - 21.10.1929: Öffentliche Tagung
27.03.1931 - 30.03.1931: Neunte öffentliche Erziehungstagung "Erziehung im Zeitalter der Technik"
01.01.1932 - 31.12.1932: Anthroposophische Arbeit in Holland
04.07.1932 - 09.07.1932: Studienwoche der Freien Waldorfschule
28.09.1932 - 05.10.1932: Michaelitagung als pädagogische Tagung am Goetheanum
02.05.1933: Beginn des Sommersemesters der Lehrerbildungskurse
03.07.1933 - 08.07.1933: Studienwoche der Freien Waldorfschule in Stuttgart.
16.02.1935 - 22.02.1935: Kunst- und geisteswissenschaftliche Vorträge
22.07.1935 - 03.08.1935: Pädagogische Arbeitswochen am Goetheanum
04.08.1935 - 10.08.1935: English Week at the Goetheanum
08.08.1935 - 15.08.1935: Öffentliche Sommertagung "Selbsterkenntnis und Welterkenntnis"
01.01.1937 - 31.12.1937: Erziehungskunst
01.01.1947 - 31.12.1947: Mitgliederversammlung in Stuttgart
01.01.1947 - 31.12.1947: Gründung des "Bundes der Waldorfschulen"
15.05.1947 - 31.05.1947: Pfingsttagung in Stuttgart
29.09.1947 - 05.10.1947: Michaelitagung am Goetheanum
24.10.1947 - 26.10.1947: Michaelstagung
01.01.1948 - 31.12.1948: Erziehungsreform
01.01.1948 - 31.12.1948: Erziehungsreform
01.01.1948 - 31.12.1948: Die Drei
01.01.1948 - 31.12.1948: Erziehungskunst
01.01.1948 - 31.12.1948: Lehererseminar und Proseminar in Stuttgart
23.01.1948 - 25.01.1948: Öffentliche Tagung
21.03.1948 - 25.03.1948: Delegiertenbesprechungen
27.03.1948 - 29.03.1948: Generalversammlung der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft
31.03.1948 - 06.04.1948: Interne Lehrertagung, erste internationale Lehrerkonferenz
10.06.1948 - 15.06.1948: Konferenz anthroposophischer Freunde
01.08.1948 - 29.08.1948: Anthroposophische Hochschulwochen
01.09.1948: Wintersemester 1948 in Dornach
09.10.1948 - 15.10.1948: Herbsttagung der Waldorflehrer
01.01.1949 - 31.12.1949: Wiedereinrichtung der Pädagogischen Sektion
01.01.1949 - 31.12.1949: Gesellschaftsleitung
01.01.1949 - 31.12.1949: Schulbewegung in Deutschland
26.07.1949 - 31.07.1949: Erster Faust-Zyklus
31.07.1949 - 20.08.1949: Anthroposophische Hochschulwochen
06.08.1949 - 11.08.1949: Zweiter Faustzyklus
12.08.1949 - 15.08.1949: Pädagogische Arbeitstage
29.08.1949 - 01.09.1949: Mitarbeitertreffen der anthroposophischen Jugendarbeit
24.09.1949: 30-Jahrfeier der Waldorfschule Stuttgart
08.10.1949 - 14.10.1949: Herbsttagung der deutschen Waldorfschulen (interne Arbeitswoche)
15.10.1949 - 17.10.1949: Interne Arbeitstagung für tätige Mitglieder
01.01.1950 - 31.12.1950: Begründung der Anthroposophische Gesellschaft in Deutschland
01.01.1950 - 31.12.1950: Eingliederung der Nachlaßverwaltung
04.03.1950 - 05.03.1950: Wuppertaler Delegiertenversammlung der deutschen Gruppen
27.05.1950 - 04.06.1950: Pfingsttagung, 6. öffentliche Arbeitswoche
30.07.1950 - 05.08.1950: Sommertagung, Mysteriendramen
06.08.1950 - 27.08.1950: Anthroposophische Hochschulwochen
06.08.1950 - 12.08.1950: Arbeitstage von Pädagogen, Medizinern und Philosophen
02.09.1950 - 03.09.1950: Tagung des deutschen Mitarbeiterkreises
02.11.1950 - 05.11.1950: Wiederbegründung der Anthroposophischen Gesellschaft in Deutschland
17.11.1950 - 23.11.1950: Arbeitswoche
01.01.1951 - 31.12.1951: Jesuitenpater gegen Waldorfschule
01.01.1951 - 31.12.1951: Hörspiel von Prof. Ebbinghaus
03.01.1951 - 05.01.1951: Sitzung des Arbeitskollegiums
27.03.1951 - 01.04.1951: Interne Tagung von Lehrern und Ärzten
01.05.1951 - 01.07.1951: 8. Öffentliche Anthroposophische Arbeitswoche
16.11.1951 - 18.11.1951: Delegiertenversammlung der Anthroposophischen Gesellschaft in Deutschland
29.12.1951 - 31.12.1951: Künstler Veranstaltungen
01.01.1952 - 31.12.1952: Die Drei
01.01.1952 - 31.12.1952: Schulbau in Nürnberg
23.09.1952: Richtfest der Waldorfschule Stuttgart
29.09.1952 - 09.10.1952: Hochschulkurs Goetheanum
01.01.1953 - 31.12.1953: Zum Tode von Erich Schwebsch
01.01.1953 - 31.12.1953: Die deutsche Landesgesellschaft und die Nachlaßfrage
01.01.1961 - 31.12.1961: Maltagungen für Mallehrer an freien Waldorfschulen
Forschungsstelle Kulturimpuls Biografien Dokumentation kulturimpuls.org