Leopold van der Pals

van der Pals, Leopold

Komponist, Dichter.

*04.07.1884, St. Petersburg (Russland)

✟07.02.1966, Dornach (Schweiz)

Als ältester Sohn von sechs Geschwistern des Großindustriellen Hendrik van Gilse van der Pals und seiner Frau Lucy verbrachte Leopold van der Pals seine Kindheit im russischen St. Petersburg, wo der Vater eine Gummimanufaktur betrieb. Durch das wohlhabende Elternhaus war es Leopold möglich, viel vom kulturellen Leben der russischen Großstadt erleben zu können, so z. B. den Dirigenten Gustav Mahler, der für ihn auch als Komponist zu einer prägenden Gestalt werden sollte. Im elterlichen Haus fanden Soireen statt, bei denen berühmte Persönlichkeiten wie der Komponist Anton Arensky oder der Pianist und Dirigent Willem Mengelberg in das direkte Umfeld des Knaben traten. Eine Begegnung mit dem russischen Philosophen Wladimir Solowjow hinterließ bei dem Kind ebenfalls bleibende Eindrücke. Mit 14 Jahren begann Leopold zu komponieren und eigene Dramen auszuarbeiten. Bereits zu dieser Zeit wurde somit der Keim gelegt dafür, dass er später alle Texte seiner Opern und zahlreiche Gedichte als Grundlage für eigene Liedvertonungen selbst verfassen sollte. Nach einem kurzen Intermezzo als Jurastudent in St. Petersburg entschloss er sich, definitiv eine künstlerische Laufbahn einzuschlagen, und ging u. a. auf Anraten Alexander Glasunows zum Studium in den Westen, zunächst im Jahr 1904 nach Lausanne zu Alexander Denéréaz, einem Vetter mütterlicherseits und Professor an der Lausanner Universität sowie Kantor an der dortigen Kathedrale. 1906 heiratete van der Pals die russischstämmige Marussja von Behse, eine Nichte des Literaturnobelpreisträgers Paul Heyse. 1909 wurde dem Paar das einzige Kind Lea ( Lea van der Pals) geboren.

Von Leopolds Vater mitfinanziert, hatte der junge Musiker die Möglichkeit, im Mai 1907 an der legendären, von dem Impresario Sergej Diaghilew durchgeführten Saison Russe in Paris teilzunehmen. Die dort präsentierten Komponisten lernte er so alle persönlich kennen, u. a. Nikolaj Rimskij-Korsakow, Alexander Skriabin oder Sergej Rachmaninoff, der ihn zur weiteren Ausbildung an den Komponisten Reinhold Glière verwies. Dieser, u. a. als prägender Lehrer von Sergej Prokofieff bekannt, nahm van der Pals als Schüler an und es entstand unter seiner Anleitung Leopolds 1. Symphonie in fis-Moll, die am 16. April 1910 von den Berliner Philharmonikern unter Leitung von Heinrich Schulz uraufgeführt wurde.

1907 zog van der Pals mit seiner Frau nach Berlin und tauchte dort gänzlich in das reiche kulturelle Leben der Metropole ein. Er gründete einen Verein Polyhymnia zur Unterstützung Not leidender Künstler, lernte zahlreiche Persönlichkeiten wie z. B. Ferruccio Busoni und dessen Umfeld kennen und konnte bedeutende musikalische Ereignisse wie Arnold Schönbergs Pierrot-lunaire-Uraufführung oder die Konzert- und Opernaufführungen von Richard Strauss persönlich miterleben.

Die Begegnung mit Rudolf Steiner kam über den befreundeten Pianisten Wladimir Papoff zustande, der van der Pals’ Interesse für theosophische Ideen weckte. Der Komponist besuchte die Architektenhaus - Vorträge Steiners, studierte dessen Schriften und wurde am 1. Januar 1909 Mitglied der Berliner Loge der Theosophischen Gesellschaft, alsbald auch esoterischer Schüler Steiners. Innerhalb der Berliner Loge der Theosophischen Gesellschaft gründete van der Pals 1910 einen Chor, der einige Jahre bestand und unter seiner Leitung interne Aufführungen veranstaltete. Vor allem die Uraufführung seines Weihnachtsliedes op. 13 für Sopran, gemischten Chor und Klavier ragt aus dieser Tätigkeit heraus. Van der Pals schrieb das Werk eigens für sein Ensemble, von dem es am 18. Dezember 1910 im Kunstzimmer der Berliner Loge uraufgeführt wurde. In Berlin entstand auch ein Großteil der Musiken zu den Oberuferer Weihnachtsspielen. Im Rahmen der Münchner Aufführungen der Mysterienspiele ab 1910 traf van der Pals mehrfach mit Edouard Schuré zusammen und widmete ihm Lieder auf dessen Texte. Weitere wichtige Bezugspersonen in München waren für den Musiker der Maler Taddäus von Rychter, der Kunsthistoriker Trifon Trapeznikov oder der Arzt Felix Peipers.

Der Bau des ersten Goetheanum in Dornach war für van der Pals der Auslöser, nun selbst mit der Familie in die Schweiz umzusiedeln. Nach dem Umzug 1915 zunächst in Arlesheim wohnhaft,   lebten Leopold und die Tochter Lea nach dem Tod seiner Frau seit dem Jahr 1934 dauerhaft in Dornach. In den ersten Jahren umfassten seine Aktivitäten vor allem das Schnitzen am Bau; hervorzuheben ist aber auch ein Vortrag mit dem Titel „Die Musik und ihr Verhältnis zum Menschen‟, den er im Rahmen der Hochschulkurse am 9. April 1921 hielt.

Hauptsächlich arbeitete er jedoch als Komponist und stellte sich hier ganz in den Dienst der neu entstehenden Bewegungskunst Eurythmie. Zahlreiche Übungsstücke und Auftakte wurden in direkter Zusammenarbeit mit Rudolf und Marie Steiner konzipiert und komponiert, die in den ersten Eurythmieaufführungen und -reisen in die Programme integriert waren. Van der Pals übernahm hier zumeist selbst den Klavierpart. Die tiefe Verbundenheit mit der Eurythmie, von der van der Pals sagte, sie „muss in die Welt‟, führte zu zahlreichen Schöpfungen in diesem Kontext, die den spezifischen Anforderungen genuin gerecht geworden sind und daher heute noch rege Verwendung finden. Daneben komponierte er Werke auf Texte Rudolf Steiners, wie beispielsweise das Anthroposophische Requiem op. 200 oder die Michael-Feier op. 201, diverse In-memoriam-Kompositionen für verstorbene Freunde und es entstanden - z.T. speziell für Dornacher Musiker - viele Stücke rein konzertanter Art sowie 8 Opern auf eigene Texte. Eine intensive Freundschaft verband den Musiker in den Jahren 1915/16 mit Andrej Belyj, der zu dieser Zeit in Dornach lebte, sowie mit dessen Frau Assja Turgenieff. Auf vier Gedichte Belyjs vertonte van der Pals die Lieder op. 31 in eigener Übersetzung.

Von seiner Tochter Lea liebevoll umsorgt, lebte Leopold van der Pals bis zu seinem Tod 1966 in relativer Zurückgezogenheit in Dornach, aber mit einem nie nachlassenden Interesse an allen zeitgenössischen künstlerischen Ereignissen. Sein bescheidenes, herzliches Auftreten, seine aristokratisch wirkende Art und seine große Gelehrsamkeit ließen ihn als einen edlen Charakter erscheinen, der für viele Jahrzehnte das Goetheanum-Umfeld mitprägte.

Wolfram Graf

Quellen Erwähnungen

N 1930 Nr. 10, S.39
N 1934 S. 123
N 1937 S. 147
N 1939 S. 62
N 1943 S. 118, 128
N 1944 S. 108, 112, 120
N 1950 Nr. 23, S. 106
N 1954 S. 50, 125f
N 1959 S. 117
N 1962 S. 45
N 1965 S. 201
N 1966 S. 39, 62, 81, 110, 177
N 1984 Nr. vom 1.7. Zum 100. Geburtstag
N 1989 Nr. 41, S. 183
G 1964 Nr. 27 K.v.Baltz: Zum 80. Geburtstag
G 1966 nr. 7 Todesanzeige
NAA 1961 Nr. 91, S. 10
NAA 1966, Nr. 2, S. 7
Sam, M.M.: Eurythmie, Dornach 2014, S. 80, 132f, 143, 147f, 200
GA 263/1 Hinweis 21, S. 261

Info

Hat die Theosophie im Oktober 1907 in Berlin durch Papoffs kennengelernt.
Verheiratet mit Marussja, Tochter Lea geb. 1909. Im März 1915 zogen sie
nach Dornach um beim Bau des Ersten Goetheanum zu helfen. Komponist.
Schrieb auch Musik für die Eurythmie. Wirkte als Musiker bei der ersten
öffentlichen Eurythmie-Aufführung 1919 in Zürich mit. Im Alter sorgte die
Tochter für ihn. Seine Schwester war Lucy Neuscheller-Gilse van der Pals.
Werke: Chorwerke (Anthroposophisches Requiem, Vedische Hymnen); Lieder
(ca. 500 auf eigene und fremde Texte); 8 Opern (auf eigene Texte); Lieder
und Chöre zu den Oberuferer Weihnachtsspielen; Orchesterwerke
(3 Symphonien, Suiten, Symphonische Dichtungen, Musik zu Faust, Musik zu
Rudolf Steiners Mysteriendramen u. a.m.); Solo-Konzerte (Violine und Orch.,
Klavier und Orch., Saxophon und Orch.); Solo-Sonaten und -Suiten (Klavier,
Harfe, Violine, Bratsche, Flöte); Sonaten, Suiten und Einzelstücke für
Violine und Klavier, Violoncello und Klavier; Kammermusik zu Feiern /
In-memoriam-Kompositionen; 6 Streichquartette; Klavier solo (Präludien
und Fugen, Miniaturen, Einzelstücke, Variationen u. a.m.); Musik zur
Eurythmie (Übungen, Auftakte, Nachtakte); Musik zu Marionettenspielen;
diverse Kammermusik u. a.m.
(Ausführliches Werkverzeichnis in: Graf 2002).
Erinnerungen eines Musikers aus den Anfängen der Weihnachtsspiele, in:
MaD 1948; Nr. 6, auch in: Beltle, E., Vierl, K. [Hrsg.]: Erinnerungen an
Rudolf Steiner, Stuttgart 1979, und in: Schröer, K. J.: Von den Oberuferer
Weihnachtsspielen, Dornach 1998; Beiträge in AGB, G, N.
Literatur: Baltz, K. v.: Zum 80. Geburtstag von Leopold van der Pals, in: N
1964, Nr. 27; Poppelbaum, H., Baltz, K. v.: Kremationsfeier für Leopold van
der Pals, in: N 1966, Nr. 11; Groddeck 1980; Lindenberg, Chronik 1988; Graf,
W.: Leopold van der Pals - Ein Komponist in Berlin und seine Schönberg-
Rezeption, in: Bericht zum Symposium „Arnold Schönberg in Berlin‟ des
Arnold Schönberg Centers Wien, Wien 2001; ders.: Leopold van der Pals -
Stationen eines anthroposophischen Musikerlebens, in: MaD 2001, Nr. 216;
ders.: Leopold van der Pals - Komponieren für eine neue Kunst, Dornach
2002.
Abkürzungen: siehe hier
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