von Baravalle, Albert
Architekt, Künstler, Forscher.
*09.03.1902 Wien (damals Österreich-Ungarn) .02.04.1983 Dornach (Schweiz)
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| Albert von Baravalle hatte wesentlichen Anteil an der Errichtung und am Ausbau des zweiten Goetheanum und neben eigenen Bauprojekten erschloss er das architektonische Werk Rudolf Steiners, insbesondere das erste Goetheanum.
Baravalle entstammte einem österreichischen Offiziersgeschlecht, der Vater war Diplomingenieur, die Mutter Malerin. Durch seinen älteren Bruder Hermann (Hermann von Baravalle) lernte er schon als Schüler (Oberrealschule Wien) die Anthroposophie kennen. Er las Bücher von Rudolf Steiner und besuchte Zweigveranstaltungen im Hause von Alexander Strakosch. 1920, nach seinem Abitur, wurde ihm die Begegnung mit dem ersten Goetheanum wegweisend. Er schnitzte und meißelte mit bei letzten Arbeiten an der Außenseite, als Nachtwächter lernte er den Bau bis in den innersten Winkel kennen und im Herbst erlebte er die Eröffnung mit dem ersten Hochschulkurs.
In Stuttgart studierte er an der Technischen Hochschule Architektur, 1926 erhielt er sein Diplom; neben den Studien übte er sich auf anderen künstlerischen und handwerklichen Gebieten. In der Waldorfschule lernte er seine spätere Frau, die Pfarrerstochter Johanna Wohlrab, kennen; aus der Ehe entstammte ein Sohn. Im Juni 1924 folgte er einer Berufung Rudolf Steiners ins Dornacher Baubüro zur Errichtung des zweiten Goetheanum, zunächst als Volontär und nach dem Abschlussexamen in Stuttgart als fester Mitarbeiter im Team der anderen drei Architekten, die schon am Bau des ersten Goetheanum beteiligt waren: Ernst Aisenpreis, Hermann Moser und Hermann Ranzenberger.
Schon zu Michaeli 1926 feierte man das Richtfest. Allerdings hatte der Bau noch kein Gesicht: Im Westen klaffte ein schwarzes Loch. Die Ausführung der differenzierten plastischen Formen des Modells, eine besonders anspruchsvolle Aufgabe, hatte man hinausgeschoben. Nun übergab man sie Baravalle, dem bei weitem jüngsten Mitglied des Teams. Dank seiner umfassenden, modernsten Ausbildung und seiner speziellen mathematisch-geometrischen Kenntnisse hatte er die besten Voraussetzungen. Er fertigte zahlreiche Pläne und Schnitte der Formen nach dem Ausführungsmodell von Carl Kemper. Danach leitete er auch die komplizierten Schalungsarbeiten sowie den Betonguss an Ort und Stelle. Nach der Eröffnung des Baues 1928 blieb er in Dornach, machte sich beruflich selbständig und wurde 1932 Schweizer Bürger. Gelegentlich wurde er für spezielle Aufgaben ans Goetheanum gerufen, z. B. 1931 für den „Gruppenraum‟ und 1952 für den „Grundsteinsaal‟.
Seit 1924 hatte Baravalle begonnen, mit wissenschaftlicher Akribie alles zu sammeln und zu hinterfragen, was er an Hinweisen auf den neuen Baustil fand. So entstanden Nachbildungen, Rekonstruktionen und Interpretationen - ein größeres Publikum erreichte er mit seinem Rekonstruktionsmodell der Außenarchitektur des ersten Goetheanum, das 1937 auf der Weltausstellung in Paris neben einem Abguss von Steiners Modell des zweiten Goetheanum ausgestellt wurde.
Nach dem Krieg arbeitete er einige Jahre in einem angesehenen Basler Architekturbüro, bis er sich wieder selbständig machen konnte und auch Mitglied des S.I.A. (Schweizerischer Ingenieur- und Architekten-Verein) wurde. 1949 schuf er ein Modell für den großen Goetheanum-Saal, streng nach sorgfältig recherchierten Angaben Steiners. Dass der Saal 1955/56 ohne Rücksicht auf diese Angaben nach einem Modell von Johannes Schöpfer ausgeführt wurde, traf ihn schwer. Im selben Jahr starb ganz plötzlich seine Frau. Er reiste zu Ernst August Karl Stockmeyer nach Malsch bei Karlsruhe und drängte darauf, dass man wenigstens diesen Modellbau von 1909, diese Vorstufe zum ersten Goetheanum fertig stellen solle, was nach Gründung eines Vereins schließlich gelang. In den Jahren 1957-65 gestaltete Baravalle die fehlenden Elemente, Farbgestaltung von Kuppel und Wänden, okkulte Siegel, Tierkreiszeichen, südliche Säulenreihe.
1964 verband er sich in zweiter Ehe mit Erika Weiss aus Heidelberg. 1966/67 wirkte Baravalle maßgeblich an der Ausgestaltung des Berner Marianusraumes mit, der einen Eindruck von den Architravformen und Säulenmotiven des ersten Goetheanum vermittelt. In den Jahren 1969-71 veranstaltete er drei größere Architekturtagungen am Goetheanum in der Hoffnung, damit ein Fundament für den Aufbau einer Architekturschule in Dornach zu legen. In Vorträgen und Gesprächen wurden die Grundzüge des goetheanistisch-organischen Baustils herausgearbeitet und Steiners Impuls gegenüber anderen Bestrebungen in seiner Entstehungszeit abgegrenzt. Um Weihnachten 1971/72 richtete er die erste umfassende Bauimpuls-Ausstellung am Goetheanum ein, in der er den Entwicklungsweg vom Münchner Kongress 1907 bis zum zweiten Goetheanum demonstrierte. 1975 lähmte ein Schlaganfall ihm den ganzen rechten Arm. Mit 80 Jahren konnte er noch zwei Ausstellungen seiner Werke in Basel und Dornach besuchen. Dank seiner forschenden und schöpferischen Tätigkeit hinterließ er ein Werk, das dazu dienen kann, sich die Grundzüge und Hintergründe von Steiners Baustil zu verdeutlichen.
| Erika von Baravalle
| Werke: Akanthus-Szene mit Musik und Eurythmie, Typoskript o.J.;
Goetheanische Architektur. Das zweite Goetheanum in Dornach, in: Die
Schweiz gestern und heute, Zürich o. J.; Das Goetheanum in Dornach, in:
Schweizerische Technische Zeitschrift 1945, Nr. 42; Der Modellbau in Malsch,
in: MaD 1960, Nr. 52; Carl Kempers Arbeit am zweiten Goetheanum,
Vorbemerkungen, in: Kemper, C.: Der Bau, Stuttgart 1966; Der Modellbau von
Malsch, in: Stl 1979/80, Nr. 4 und 1980/81, Nr. 1; Die erste Offenbarung des
Goetheanum-Baugedankens in München 1907, in: Stl 1979/80, Nr. 3;
Gedanken zum Saalausbau des Goetheanum, in: Stl 1983/84, Nr. 3; Über
das Haus Duldeck, in: Stl 1984/85, Nr. 2; Beiträge in N, G, MaK.
Literatur: Kühn, E.: Einweihung des Grundsteinsaals am Goetheanum, in:
MaD 1953, Nr. 26; Hagemann, E.: Bibliographie der Arbeiten der Schüler Dr.
Steiners, o. O. 1970; Cartellieri, A.; Albert von Baravalle zum 70.
Geburtstag, in: MuB 1972, Nr. 3; Biesantz, H., Klingborg, A.: Das
Goetheanum, Dornach 1978; Waßer, R.: Gedenk- und Dankesworte für
Albert von Baravalle, in: MaB 1983, Nr. 75, auch in: Stl 1983/84, Nr. 2;
Hiebel, F.: Albert von Baravalle, in: N 1983, Nr. 16; von Baravalle, E.: Motiv
und Metamorphose. Aus dem Leben und Wirken des Architekten Albert von
Baravalle, in: Stl 1983/84, Nr. 3 und 1984/85, Nr. 2; dies.: Albert von
Baravalles Schrankwandgestaltung im Haus Duldeck, in: Stl 1984/85, Nr. 3;
dies.: Zum 12. Todestag des Architekten, in: Stl 1995/96, Nr. 2; dies.:
Albert von Baravalle, in: Kleinodienkunst und deren Umfeld, Dornach 1996;
Hitsch, C., von Baravalle, E.: Zum 100. Geburtstag, in: N 2002, Nr. 11; von
Baravalle, E.: Albert von Baravalle - ein Pionier für Rudolf Steiners
Bauimpuls, in: N 2003, Nr. 33/34.
| Abkürzungen: siehe www.kulturimpuls.org
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