Alois Künstler

Künstler, Alois

Musiker, Komponist.

*01.01.1905, Liegnitz/Schlesien (damals Deutschland)

✟11.09.1991, Dortmund (Deutschland)

(Geburtstag genau)

Die Eltern von Alois Künstler, der als sechstes von sieben Kindern geboren wurde, stammten aus Mährisch-Aussee, wo Künstler die ersten Lebensjahre in bescheidensten ländlichen Verhältnissen verbrachte. 1913 kehrte die Schuhmacherfamilie zurück zum Geburtsort Liegnitz, übersiedelte 1915 nach Berlin, 1919 nach Glogau. Der Vater war Sozialist. Um zum Lebensunterhalt der Familie beizutragen, musste Künstler als Jugendlicher hart arbeiten.

Schon in der Berliner Zeit hatte der junge Alois Künstler Kontakt zur Wandervogelbewegung und erlernte nach dem Ersten Weltkrieg autodidaktisch Geige und Laute. Bei den Glogauer Wandervögeln lernte er Walter Hoffmann und Werner Pache kennen, die ihn musikalisch förderten und mit der Anthroposophie bekannt machten. Obwohl er erst mit 17 Jahren seine erste Geigenstunde erhalten hatte, bekam er rasch Zutritt zum Glogauer Stadtorchester. Erste eigene Liedvertonungen reichen bis in diese Zeit zurück. Durch Werner Pache kam er 1924 für einige Zeit als Helfer in das neu gegründete heilpädagogische Institut „Lauenstein‟ bei Jena. Nach weiteren Wanderjahren, zeitweilig auch in Berlin, wo er seinen Lebensunterhalt als Kino-Geiger verdiente und bei Ernst-Lothar von Knorr musikalischen Unterricht erhielt, wurde er 1929 Mitarbeiter im heilpädagogischen Heim Gerswalde bei Franz Löffler. In seiner dortigen Musikertätigkeit, die weit über den Unterricht hinaus die gesamte musikalische Durchgestaltung des Gemeinschaftslebens umfasste, konnte Künstler seinen spezifischen Kompositionsstil entfalten. Hier lernte er auch Olga Franke, seine spätere Frau, kennen, deren Arbeit als Eurythmistin und Klassenlehrerin ihn zu vielen Lied- und Leierkompositionen anregte.

1940 wurde er zum Kriegsdienst einberufen und in Russland eingesetzt. 1946/47 arbeitete er im heilpädagogischen Institut Eckwälden bei Franz Geraths, seine Frau im benachbarten Michaelshof Hepsisau bei Albrecht Strohschein. Hier begegnete er dem jüngeren Julius Knierim, dessen Arbeitsweise er stark beeinflusste. In der Folgezeit setzte sich Knierim wesentlich für die Verbreitung von Künstlers Lied- und Leierkompositionen ein und besorgte die Veröffentlichung vieler Notenausgaben, zunächst im Selbstverlag (Michaelslieder), später im Rahmen des von Gotthard Starke begründeten Verlags Das Seelenpflege-bedürftige Kind.

1948 siedelten Olga und Alois Künstler in das Landschulheim Benefeld über, wo sie bis 1977 mitarbeiteten. Außer dem Musikunterricht für die Klassen 1 bis 8 und diversen Instrumentalstunden mit Einzelschülern, oblag Künstler vor allem die musikalische Gestaltung des Lebens einer großen Internatsgemeinschaft. Er schuf dafür über Jahre hinweg eine ungeheure Fülle von Liedern und Instrumentalstücken.

Seit 1977 lebte das Ehepaar Künstler im Altenwohnheim des Pädagogisch-Sozialen Zentrums in Dortmund. Auch hier war es Künstlers Anliegen, von der Musikerin Annemarie Loring wesentlich unterstützt, mit geselligen Singstunden und wöchentlichen Leiervorspielen die Gemeinschaft durch seine Musik zum Klingen zu bringen, solange seine Kräfte ihm dies noch erlaubten. Nach dem Tod seiner Ehefrau im Jahr 1987 verbrachte Künstler die letzten vier Lebensjahre sehr zurückgezogen und zunehmend in der Auseinandersetzung mit Krankheitsprozessen.

Künstler hat die Musik in der anthroposophischen Heilpädagogik so stark geprägt, wie außer ihm nur noch Edmund Pracht und Julius Knierim. Anders als die beiden genannten Komponisten, die sich auch in Wort und Schrift mannigfach zu (heil)pädagogischen und musikalisch-menschenkundlichen Fragen geäußert haben, hat Künstler sich dabei ganz auf das lebendige pädagogische und künstlerische Wirken beschränkt. Seine Leierkompositionen und Lieder mit Leierbegleitung zählen zum Wichtigsten, was für das Instrument geschrieben worden ist. Seine Lieder für Kinder und zu den christlichen Jahresfesten sind in zahlreiche Sprachen übersetzt worden. Sie gehören weltweit zum zentralen musikalischen Bestand anthroposophisch orientierter Heilpädagogik und haben vielfach auch Eingang in die Waldorfkindergärten und -schulen gefunden.

Gerhard Beilharz

Quellen Erwähnungen

N 1948 S. 144
N 1980 Nr. 3 Knierim, Julius: Zum 75. Geburtstag
N 1995/96 S. 159
MaD 1948 Nr. 5, S. 36
MaD 1985 Nr. 151, S. 83 f
G 1972 Nr. 22, S. 177
G 1985, Nr. 7 H.Ruland:Zum 80. Geburtstag
G 1991 Nr. 39, S. 371 Todesanzeige
EK 1980 Nr. 1 Knierim,Julius: Zum 75. Geburtstag
Werke: Windet zum Kranze, Stuttgart [1937], Bingenheim ³1991; Das ewige Licht geht da herein, [1950], Bingenheim ³1989; Das Brünnlein singt und saget, Bingenheim 1957, 1994 (10. Aufl.); Michaelslieder, Bingenheim 1958, 1968 (5. Aufl.); Hei, wie ist das Wandern gut, Bingenheim 1960, ³1978; Musik für Leier, Bingenheim 1970, ²1986; Lieder, Bingenheim 1970; Kinder spielen für Kinder, Bingenheim 1970; Melodien - Tänze und Variationen, Bingenheim 1974; Spielheft für Leier, Bingenheim 1975; Hymnen und Lieder, Bingenheim 1975; Musik für ein bis drei Melodie-Instrumente, Bingenheim 1976; Erde singe. Alte und neue Weihnachtslieder, Bingenheim 1976, ²1988; Krone, Krane. 20 Kinderlieder, Bingenheim 1978; Volksweisen - Variationen, Tänze, Bingenheim 1979; ER singt und spielt in uns, Bingenheim 1982; Weltliche und geistliche Lieder, Wuppertal 1985; Musik zu den Oberuferer Weihnachtsspielen, Wuppertal 1989; einzelne Kompositionen in Sammelheften; 4 Musikbeilagen in SbK.
Literatur: Lampson, E. u. H. u. a.: Alois Künstler zum 80. Geburtstag, Wuppertal 1984; Starke, G.: Alois Künstler zum 80. Geburtstag, in: MaD 1985, Nr. 181; Gärtner, E.: Zum Tod von Alois Künstler, in: N 1991, Nr. 40; Knierim, J. und Beilharz, G.: Alois Künstler, in: SHS 1991, Nr. 4; Barkhoff, M.: Alois Künstler verstorben, in: G 1991, Nr. 39; Gärtner, E.: Alois Künstler, in: RRM 1992, Nr. 22; Lampson, H.: Alois Künstler. Leben und Werk, in: MaD 1993, Nr. 186; Loring, A.: Alois Künstler, in: Hollander, M., Rebbe, P. [Hrg.]: Die Leier, Dornach 1996.
Abkürzungen: siehe hier
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