Carl Kemper

Kemper, Carl

Maler, Bildhauer.

*24.08.1881, Charkow (Russland)

✟06.08.1957, Basel (Schweiz)

Carl Kemper war einer der engagiertesten Mitarbeiter am ersten und zweiten Goetheanum-Bau. Er wirkte jahrzehntelang gestaltend und forschend für Steiners Bauimpuls und bahnte damit einem intimeren Verständnis die Wege.

Kemper wurde in Charkow als Sohn eines deutschen Großkaufmanns geboren und absolvierte dort das Gymnasium. Als er mit 18 Jahren nach Deutschland ging, nahm er tiefe Eindrücke der russischen Landschaft und Menschen mit. In Berlin studierte er ein Semester Architektur, wechselte dann nach München zum Studium der Malerei. In seinem Atelier trafen sich viele aufbruchbereite, diskussionsfreudige junge Künstler. 1910 hörte er einen Vortrag Rudolf Steiners und wurde bald darauf Mitglied in der von ?Sophie Stinde geleiteten Loge der Theosophischen Gesellschaft. „Doch lebensentscheidend war für Kemper das Modell des Goetheanum, das Dr. Steiner zum ersten Mal den Mitgliedern in Berlin in Lichtbildern zeigte. Dass ein Okkultist auch Künstler sein kann und mit einem Kunstwerk, das nichts aus der Vergangenheit übernahm, einen Zukunftsstil begründete, dafür brannte Kempers Seele [...].‟ (Turgenieff 1957, S. 365)

Danach bereitete sich Kemper bei einem Holzbildhauer in München darauf vor, am Goetheanum-Bau mitzuarbeiten. Im März 1914 kam er dorthin und schnitzte u. a. mit ?Oswald Dubach und Andreas von Grunelius. Von 1916-19 musste er Dolmetscherdienste beim deutschen Militär übernehmen. Danach kam er nach Dornach zurück - und blieb bis zu seinem Lebensende. Neben der künstlerischen Arbeit versah er Wächterdienste, vor und nach dem Brand des ersten Goetheanum, dann auch im zweiten Goetheanum. Seit 1922 gab er mit Oswald Dubach Plastizierkurse und leitete mit ihm durch lange Jahre die daraus entstandene Plastikschule am Goetheanum. Ihm ist es zu verdanken, dass die „Gruppe‟ nach Steiners Tod nicht weitergeschnitzt wurde, dass die Westfront des zweiten Goetheanum nicht verzerrt erscheint und dass die von den Behörden verlangte Höhenreduktion des Baus nur in die Dachpartie verlegt wurde. Er fertigte das maßgebliche Ausführungsmodell, das von dem Architekten ?Albert von Baravalle umgesetzt wurde, und gestaltete das Südtreppenhaus im Goetheanum, das auf dem Titelblatt des DuMont-Taschenbuchs als Beispiel für Steiners Baukunst abgebildet wurde (Schuyt, M. u. a.: Rudolf Steiner und seine Architektur, Köln 1980). Als ein besonders eindrucksvolles Beispiel goetheanistisch-organischer Baukunst schuf er das mehrstöckige Wohnhaus in Dornach, Rüttiweg 56, das nach seinem Entwurfsmodell durch ?Ernst Aisenpreis ausgeführt wurde.

Immer stärker wurde sein Interesse an der Geometrie. So schuf er ein Modell, indem er Würfel, Kreuz und Pentagondodekaeder durch Umstülpungen vereinigte. Er untersuchte die Gesetzmäßigkeiten des Cassini´schen Körpers. Intensiv beschäftigte er sich mit den Grundrissgeheimnissen des ersten Goetheanum, besonders mit dem Divisionskreis. Er sorgte für die Erhaltung der Steiner´schen Baumodelle. „Bei den Untersuchungen über den Grundriss ging es Kemper nicht nur um Prüfung und Erhaltung historischer Daten, die nur wenige, vielleicht kaum jemand so gründlich kannte wie er. Das Streben richtete sich darauf, das Urbildliche der Grundform, die geistigen Urkräfte, aus denen das Goetheanum geboren wurde, zu erfassen und geometrisch darzustellen.‟ (Von Baravalle in: Kemper 1966, S. 188)

Sein Hauptthema war das Prinzip der Metamorphose, dem er in seinen eigenen Arbeiten und in der Formenvielfalt des ersten Goetheanum bis in alle Details nachspürte, wie ?Hilde Raske es in dem posthum mit Albert von Baravalle und weiteren Mitarbeitern herausgegebenen Buch „Der Bau‟ darstellte. Es ist ein Arbeitsbuch, das Kempers akribisches Forschen nachvollziehbar werden lässt. ?Friedrich Häusler dazu: „Carl Kemper erweist sich in dem Buch als eindrücklich wirkender Führer durch das erste Goetheanum. [...] Er verschont den Leser mit allen Theorien. [...] Immer wölbt sich über dem von der Lektüre Mitgenommenen die Doppelkuppel des Baues.‟ (Häusler 1966, S. 261)

Kempers letztes Werk war ein Entwurfsmodell für die Ausgestaltung des großen Goetheanum-Saals, das er mehr zur Demonstration als zur Ausführung schuf. Als man 1955 das Modell zum Ausbau des Saals von ?Johannes Schöpfer wählte, kämpfte er dagegen, weil es die Angaben Steiners unbeachtet ließ. Er starb nicht lange darauf am 6. August 1957.

Carl Kemper war ein äußerst bescheidener Mensch. Sein Streben war an Idealen des rosenkreuzerischen Kunstimpulses orientiert, die Rudolf Steiner spätestens seit 1907 vertrat und in seinem Werk sowie in sozialen Versuchen - beispielsweise der Gesellschaft für theosophische Art und Kunst (GA 264, S. 421 ff.) - und Realisierungen weiterentwickelte. Kemper war insbesondere mit Menschen wie Ernst Aisenpreis, Gian Balastèr, Albert von Baravalle und Oswald Dubach, mit ?Edwin Froböse, ?Felix Kayser, Rex Raab, Hilde Raske, ?Georg Unger und ?Hermann und Eugenie Ranzenberger verbunden, aber auch mit Sophie Stinde, ?Alexander und Maria Strakosch, ?Assja Turgenieff und ?Margarita Woloschin.

Erika von Baravalle

Quellen Erwähnungen

N 1929 S. 8, 43f
N 1932 S. 67, 146
N 1935 S. 161, 174
N 1936 S. 96, 144, 160, 164
N 1937 S. 16, 55, 68, 144
N 1938 S. 164
N 1941 S. 28, 39, 80, 92
N 1946 S. 152, 200
N 1950 S. 128, 146
N 1956 S. 76
N 1957 S. 176
N 1964 S. B5
N 1969 S. 207
N 1970 S. 134
N 2007 Nr. 36, S. 3
GA 263/1 Hinweis 171, S. 283
Nachlass in Rudolf Steiner Archiv, Dornach
Werke: Einführung in die Metamorphosen nach dem Säulen-Sockelmotiv des ersten Goetheanum, Dornach 1952; Der Bau. Studien zur Architektur und Plastik des ersten Goetheanum, Stuttgart 1966, ³1984; Beiträge in MaK, Msch, N.
Literatur: Turgenieff, A.: Carl Kemper, in: BfA 1957, Nr. 10; Froböse, E.: Gedenkwort für Carl Kemper, Balastèr, G.: Carl Kemper, in: MaB 1957, Nr. 15; Raske, H.: Todesanzeige, in: BfA 1957, Nr. 9; Woloschin, M.: Carl Kemper, in: MaD 1958, Nr. 44; Balastèr, G.: Zur Ausstellung aus dem Werk Carl Kempers, in: MaB 1958, Nr. 19; Krause-Zimmer, H.: Das Große und das Kleine, in: DD 1962, Nr. 4; Unger, G.: Das offenbare Geheimnis des Raumes, Stuttgart 1963; Häusler, F.: Carl Kemper: Der Bau, in: G 1966, Nr. 33; Hagemann, E.: Bibliographie der Arbeiten der Schüler Dr. Steiners, o. O. 1970; Krause-Zimmer, H.: Hermann Ranzenberger, Dornach 1995.
Abkürzungen: siehe hier
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