Sie war um 1913 Leiterin der Gruppe Juliusz Slowacki in Warschau, um 1914 mit ihrem Mann zusammen Mitarbeiterin beim Schleifen der Fenster des ersten Goetheanum. Sie war als Wiga bekannt, ihr menschenfreundliches Wesen blieb in Erinnerung.
Ihr Mann, Franciszek Siedlecki, war auch als Kunstmaler tätig. Um 1907 fuhren beide nach München, wo sie ihr Malstudium fortsetzten. Sie wohnten den Vorträgen von Rudolf Steiner mit Begeisterung bei. Wiga schrieb darüber den Freunden in Polen. 1908 besuchte dadurch der Schriftsteller Artur Górski Vorträge von Steiner. Górski lernte Steiner kennen, er und sein Sohn Andrzej studierten daraufhin in Polen die Werke Rudolf Steiners, obwohl sie keine Mitglieder der Anthroposophischen Gesellschaft waren. Wiga verbreitete die anthroposophischen Ideen in Polen, so dass es ihr gelang, 1913 in Warschau eine anthroposophische Gruppe zu gründen.
Wiga und Franciszek nahmen an den Vorträgen von Rudolf Steiner in verschiedenen europäischen Städten teil. Wiga studierte Eurythmie. 1913 zog sie mit ihrem Mann und anderen Künstlern nach Dornach, um am Bau des ersten Goetheanum teilzunehmen. Sie hat dort beim Schleifen der Fenster mitgearbeitet. Sie war sicherlich tätig am Schleifen des roten und der blauen Fenster.
Nach der Entstehung des unabhängigen polnischen Staates (1918) kehrte sie mit ihrem Mann 1919 nach Warschau zurück. Sie befasste sich mit Anthroposophie und er mit der Malerei. Sie hielt sehr gute Vorträge, übte mit jungen Menschen Eurythmie, die dann später kleine Aufführungen gestalteten. Wiga weckte bei Menschen aus verschiedenen sozialen Schichten die Aufmerksamkeit für die Anthroposophie. Ein großes Interesse an der Anthroposophie zeigte auch ein Unternehmerpaar, Zofia und Aleksander Schiele. In ihrer schönen Villa entstand in den 20er-Jahren der erste Waldorf-Kindergarten. Als ich als junge Studentin bei Frau Siedlecka vom Januar bis Sommer 1946 arbeitete, erzählte sie mir, dass die Kinder mit großen Pinseln mit Wasserfarben gemalt und Eurythmie geübt hatten. Dank ihrer Bemühungen konnte der junge Robert Walter (der einzige Schüler aus Polen) im Rahmen eines Privatstipendiums in die Waldorfschule nach Stuttgart geschickt werden.
1924 besuchte sie Dornach und trat in die Freie Hochschule für Geisteswissenschaften ein. In dieser Zeit übergab Rudolf Steiner die Leitung der Anthroposophischen Gesellschaft in Polen Luna Drexler und die Gruppe von Wiga Siedlecka wurde unmittelbar in Dornach als Gruppe Juliusz Slowacki registriert.
Wiga war mit Elisabeth Vreede und Ita Wegman befreundet, sie war auch in der Klinik in Arlesheim bekannt. Als der Student Stefan Ziemski nach Dornach fuhr, um sich 1938 die Aufführung von Goethes „Faust‟ anzuschauen, konnte er im Privatarchiv von Elisabeth Vreede studieren. 1938 half Wiga auch der Lehrerin Helena Wajdzik-Jankowska (später Kaiser), zum Studium nach Dornach zu fahren.
Von Januar bis Sommer 1946 leitete sie eine Gruppe im zerstörten Warschau, die Treffen fanden einmal in der Woche statt. Neben den Personen aus Warschau nahmen auch Flüchtlinge aus Wilna teil. Ich konnte mit Frau Siedlecka an den Mysteriendramen Rudolf Steiners arbeiten. Mit dem Verlust ihrer Wohnung beendete sie ihre Tätigkeit in Warschau. Sie war 69 Jahre alt.
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