Simeon Pressel

Dr. med. Pressel, Simeon Johannes

Arzt, Masseur, Heilpädagoge, Volkspädagoge.

*15.06.1905, Hilpertsau/Schwarzwald (Deutschland)

✟14.10.1980, Stuttgart (Deutschland)

Simeon Pressel war anthroposophischer Arzt, jahrelang reisender Schul- und Institutsarzt in Skandinavien, Vortragender für Patientenkreise und allgemeines Publikum. Er entwickelte einen eigenen Weg im Ausüben der Massage.

Als Sohn eines Holzkaufmanns wurde Simeon Johannes Pressel in Hilpertsau im Schwarzwald geboren. Die ersten drei Lebensjahre hat er dort verbracht, sie gaben ihm ein lebenslanges tiefes Verhältnis zur Natur. Durch die vielen Umzüge der Familie nach dieser Zeit kam er erst mit neun Jahren in die Schule. Da er eine zarte Konstitution hatte, unterzog er sich nach dem Abitur mit siebzehn Jahren einer Kur, wobei er massiert wurde. Beeindruckt durch diese Behandlung begann er, nach Hause gekommen, seinen Vater zu massieren. Seine großen, ausdrucksvollen Hände standen ihm für diese Tätigkeit zur Verfügung und bald stellte sich heraus, dass er auf diesem Gebiet ein besondere Begabung hatte.

Er wurde jedoch kein Masseur, sondern studierte Medizin in München, Würzburg, Kiel und Heidelberg und promovierte 1926. Er ließ sich nach einer Assistenzarzt-Zeit in Jena 1930 als Hausarzt in Bayreuth nieder. 1935 heiratetet er eine Kollegin, die er in Jena kennen gelernt hatte. Nach neuen Wegen in der Medizin suchend, fand er zuerst die Homöopathie und bald danach die Anthroposophie. 1936 und 1938 wurden zwei Kinder geboren. Die Begegnung mit dem Töchterchen, das durch einen Impfschaden weder sitzen noch greifen konnte, griff tief in sein Leben ein.

1939 wurde er eingezogen und geriet 1945 für drei Jahre in russische Gefangenschaft. Erst ein Jahr nachdem er gefangen genommen war, erfuhr er, dass seine ganze Familie im selben Monat April 1945 beim einzigen Bombenangriff auf Bayreuth ums Leben gekommen war.

Im Gefangenenlager standen ihm nur die Pflanzen der Umgebung und seine eigenen Hände für die ärztliche Arbeit zur Verfügung. Da entdeckte Simeon Pressel, dass durch das Bewegen und Tasten seiner Hände nicht nur die Krankheitsprobleme des Bewegungsapparates wahrgenommen werden konnten. Auch der Zustand und die Krankheiten der tiefer gelegenen inneren Organe machten sich in den Muskeln bemerkbar. Insbesondere der Befund in Waden und Füßen einerseits und in den Muskeln des Rückens andererseits führten zu einer Diagnose. Damit war aber zugleich die Therapie gefunden. Denn dem Kaltwerden, Verkrampfen und Versteifen im Muskelbereich konnte mit Erwärmen, Entspannen und Lösen begegnet werden. Das war fast immer ein langer Prozess, weil es auch lange Zeit gedauert hatte, bis die Krankheit sich in den Muskeln festgesetzt hatte. Pressel pflegte zu sagen: „Meine Arbeit führt mich nicht zu Krankheiten hin, aber zu Schicksalen.‟

In der Gefangenschaft entdeckte er am eigenen Leib noch eine andere Art des Bewegens als Therapie. Bei einer Nephritis „ertrank‟ er fast in den eigenen Flüssigkeiten, als die Nierenausscheidung versagte. In dieser Lage fing er an, heileurythmische Übungen zu machen, und bald wurde das Zuviel an Wasser ausgeschieden und die Heilung trat ein.

Als er aus Russland nach Deutschland zurückgekehrt war, brachte er in der Wahl seiner neuen Tätigkeiten zum Ausdruck, wie sehr er sich mit der Entwicklung von jungen Menschen verbunden fühlte. Er wurde Schularzt und Lehrer an der Waldorfschule Uhlandshöhe in Stuttgart und danach wandernder Schularzt in Schweden, Dänemark und Norwegen. Er arbeitete in Schulen, heilpädagogischen Heimen, lernte die Landessprache und hielt Vorträge und Seminare über geisteswissenschaftliche Menschenkunde.

1957 hat er eine neue Praxis in Stuttgart begonnen, Weihnachten 1958 fand nach einer unglücklichen zweiten Ehe die Eheschließung mit Lies van Schouwen statt, die aus Holland gekommen war, um die rhythmische Massage von Margaretha Hauschka zu erlernen. Vier Kinder wurden geboren. Indessen wuchs die Praxis und die Massage konnte er für ein immer größeres Feld von Krankheiten anwenden. Jede Massage war wie ein Gespräch mit Begrüßung, einer sich immer mehr vertiefenden und erweiternden Begegnung im Lauschen und Antworten und dann Verabschiedung. Es eröffnete sich ein Zugang zu dem Wirken der Planeten, diese „ältesten und zukünftigen Lehrer‟, wie er sie nannte. Schließlich wurde das auch lehrbar. Es fingen Ausbildungskurse in Deutschland und Holland an, die er bis zum Ende seines Lebens, auch als er schon durch seine Krankheit körperlich ganz schwach geworden war, durchgeführt hat.

Die Bewegung war ein Urmotiv im Leben von Simeon Pressel. Er liebte das Schwimmen, das Reiten, das Segeln. In den Künsten waren es insbesondere die musischen Künste, die er ausübte. Täglich spielte er Geige, er nahm jahrelang an einer Gruppe teil, wo die Wochensprüche eurythmisiert wurden. Aber auch seine Vorträge und Aufsätze waren in Sprache und künstlerischem Ausdruck voller Bewegung. Eine Auswahl seiner Ausführungen wurde unter dem ganz zutreffenden Titel „Bewegung ist Heilung‟ publiziert.

In den letzten Tagen seines Lebens hatte er sich am Boden betten lassen; da waren die Schmerzen erträglicher. Für das Sterbesakrament richtete er sich auf und lief seinen typischen aufrechten Gang zum Stuhl, wo er das Geschehen aufrecht aufnahm, sein Schicksal fromm bejahend. Dann legte er sich wieder hin und ließ sich nur noch das Johannes-Evangelium vorlesen.

Joop van Dam

Quellen Erwähnungen

N 1949 S. 107
N 1951 S. 82
N 1968 S. 117
MaD 1949 Nr. 8, S. 41
MaD 1965 Nr. 73, S. 215
MNS 2013 Nr. VII/VIII, S. 8
NAA 1986 Nr. Winter, S. 29
Wistinghausen, D. von: Typoskript

Info

War auch Schularzt an der Waldorfschule Stuttgart-Uhlandshöhe
Werke: Wirbelschäden. Folge unserer Zivilisation, in: Weleda Almanach 1959-
1978, Arlesheim 1978; Bewegung ist Heilung. Der Bewegungsorganismus,
Stuttgart 1984, ³1993; Übersetzung ins Spanische erschienen; Beiträge in
BeH, EK, MaD, Me, MK, SbK, WKÄ, WNA.
Literatur: Hagemann, E.: Bibliographie der Arbeiten der Schüler Dr. Steiners,
o. O. 1970; Klockenbring, G.: Simeon Johannes Pressel, in: MaD 1981, Nr. 135;
Keyserlingk, A. v.: Gedanken an Simeon Pressel, in: BeH 1982, Nr. 1, auch in:
Selg, P. [Hrsg.]: Anthroposophische Ärzte, Dornach 2000.
Abkürzungen: siehe hier
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