Hans Pohl

Dr. med. Pohl, Hans Joachim

Arzt.

*12.08.1909, Bad Altheide (Schlesien) (damals Deutschland)

✟27.07.1963, Mauly/ Sidney (Australien)

Die Begründung und der Aufbau anthroposophischer Medizin und Heilpädagogik in Australien geht auf das Engagement von Kyra und Hans Joachim Pohl zurück.

Hans Joachim Pohl wurde als zweites Kind eines Arztes im Herzbad Altheide geboren. Er war ein ruhiger, bescheidener Mensch, mit viel Sinn für Humor, der keine große Ambitionen hatte. Obwohl man bis heute mit Dankbarkeit von seinen Fähigkeiten zum Heilen spricht, konnte ihn sein Vater nur mit großer Mühe dazu überreden, Medizin zu studieren. Seine Liebe galt eigentlich der Erde mit ihren Pflanzen und Mineralien. Er studierte an sieben Universitäten. Sein vorletztes Studienjahr verbrachte er in Basel, wo er gleichzeitig die Kurse der Arlesheimer Klinik Ita Wegmans für Medizinstudenten besuchte. 1932 wurde er Mitglied der Anthroposophischen Gesellschaft. Erst durch die Anthroposophie und vor allem die Begegnung mit Ita Wegman befreundete er sich mit der Medizin. Er fand nun das weite geistige Feld, das er suchte, auf dem er als Arzt die Welt der Pflanzen, Mineralien und Sterne in wissenschaftlicher Weise miteinbeziehen konnte.

Auch der Weg von Kyra Zirkenbach führte nach Arlesheim und zu Ita Wegman. Ihre Mutter flüchtete mit dem zarten Kleinkind während der bolschewistischen Revolution aus Moskau. Nach der Schulzeit machte sie ein Praktikum im „Sonnenhof‟ in Arlesheim. Sie war dort mit Werner Pache und Edmund Pracht verbunden, erlebte Ita Wegman, lernte aber auch von Siegfried Pickert und insbesondere von Gotthard Starke.

Hans Joachim machte ebenfalls Erfahrungen in der Heilpädagogik, als er nach der Promotion in Berlin in Mühlhausen am Neckar bei Franz Michael Geraths arbeitete. Sein Weg führte dann zu Eugen Kolisko, auf seine Empfehlung hin praktizierte er erst in Striegau, dann in Breslau. Seine Praxis in Breslau wuchs schnell. Er nahm an der anthroposophischen Ärztearbeit im Kreis Breslau - Berlin - Dresden teil. Während des Krieges war er zwei Jahre in Russland und bekam eine schwere Hepatitis in Rumänien. Kaum erholt, wurde er wieder eingesetzt und konnte im August 1945 schwer verletzt auf Krücken und abenteuerlichen Wegen den Westen erreichen. Nun baute er eine Praxis in Fellbach bei Stuttgart auf. Er hatte eine östliche Seele und eine westlich-wissenschaftliche Denkart. So kamen bei ihm die Einfühlung in den Patienten mit einer strikt wissenschaftlichen Behandlungsmethode zusammen.

Anfang der 50er-Jahre suchte die kleine anthroposophische Gruppe in Sydney einen Arzt, der die anthroposophisch erweiterte Medizin in Australien einführen würde. Hans Joachim wusste um seine physische Schwäche und um die Herausforderungen, die auf ihn warteten. Doch mit der starken Unterstützung von Kyra, die seine Frau geworden war und ihm zwei Söhne gebar, entschloss er sich, das Angebot anzunehmen. Die Familie machte sich im Mai 1951 auf die Reise. Robert Williams empfing sie als Repräsentant der „Ruby McPherson Corporation‟, die die Reise und ein Haus für die Familie spendete. So traf Hans Joachim gleich bei der Landung einen Menschen, mit dem er ein tiefes Interesse an der Pflanzenwelt teilte - und eine enge Freundschaft nahm ihren Anfang.

Wegen staatlicher Vorschriften zur Ausübung medizinischer Berufe in Australien musste Hans Joachim Pohl drei schwierige Jahre auf der Universität verbringen, um die entsprechenden Berechtigungen zu erhalten. Kyra half, die Familie zu ernähren, indem sie ab 1952 die kleine heilpädagogische St. Michael-Tagesschule leitete. Die Schule wurde von einer der größten Elternorganisationen der 50er-Jahre unterstützt. Die Auflagen der Aufsichtsorgane beschränkten aber die Arbeit, wie sie Kyra Pohl aus der anthroposophischen Menschenkunde verstand, so weitgehend, dass sie sich schließlich entschloss, andere Wege zu suchen.

Hans Joachim Pohl begann im eigenen Haus die künftigen Heilpädagogen eines zu gründenden Heimes auszubilden. Gleichzeitig richtete er ein Laboratorium ein und suchte im Busch nach Pflanzen in der Überzeugung, dass er Pflanzen entdecken würde, die für dieses Land und für die südliche Halbkugel geeignetere Heilmittel liefern könnten. Er konnte auch besondere Pflanzen erkennen, die am ehesten für die einzelnen Organe wirksam zu sein schienen. Einige untersuchte er im Forschungslabor der Universität und fand, dass er mit seinen Vermutungen richtig lag. So konnte er viele europäische Heilmittel durch australische ersetzen. Zu einer Publikation seiner diesbezüglichen Arbeiten kam er nicht.

Kyra Pohl verfolgte weiter ihr Ziel, ein anthroposophisch-heilpädagogisches Institut in Australien zu begründen, und ließ sich durch behördliche Hindernisse nicht von ihrem Vorhaben abbringen. Am 1. November 1958 wurde mit Unterstützung von Eltern und Freiwilligen das Heim „Inala‟ - das Wort der Ureinwohner für „Ort des Friedens‟ - begründet. Die Arbeits- und Lebensbedingungen waren hart. Sehr niedrige Löhne und lange Arbeitstage des Lehrens, Pflegens, Putzens, Kochens, Verwaltens und der Geldbeschaffung war das Los aller Mittätigen, auch der Pohls. Der Unterricht fand zuerst in Stallungen und in Schlafräumen statt. Kyras große Fähigkeit lag darin, spirituelles Verständnis für die menschliche Natur in das Finden geeigneter Heilübungen umzuwandeln. Sie arbeitete rund um die Uhr, benötigte wenig Ruhezeit und führte ein strenges Regiment. Dies führte in ihrem Umfeld zu starken Sympathien und Antipathien. Die Pohls führten alle anthroposophischen Kunsttherapien in Inala ein. Beide hatten außerdem große Freude an der Inszenierung der Oberuferer Spiele und der Gestaltung der Jahresfeste. Kyra war davon überzeugt, dass man beispielsweise Michaeli nicht in einer Frühjahrsstimmung feiern kann. So gestaltete sie die christlichen Feste in den ihnen entsprechenden Jahreszeiten. Die Art, wie man behinderte Kinder in Inala behandelte, war für alle Australier zunächst fremd. Die Pohls überwanden diese Fremdheit durch ihre konsequente Arbeit und Begeisterung, die ihnen bald Achtung und Anerkennung einbrachten.

Die Energie von Hans Joachim Pohl war nach der Gründung Inalas in erster Linie durch die Heilpädagogik absorbiert, obwohl er auch eine Privatpraxis in Sydney führte und viel auf Vortragsreisen unterwegs war. Sein Tod 1963 kam unerwartet und riss ihn früh aus der Aufbauarbeit, der sein ganzes Herz gehörte.

Kyra Pohl hat die wichtigsten heilpädagogischen Bücher für die Ausbildung der Mitarbeiter übersetzt, da in den 60er-Jahren erst wenig, besonders wenig Praxisbezogenes, auf Englisch erhältlich war. 1966 und 1967 hielt sie mit anderen Sommerkurse zur Einführung in die Heilpädagogik und in die Anthroposophie. Sie hatte die geniale Begabung, die seelisch-geistigen Wesensglieder am Äußeren anschaulich entwickeln zu können. Die Mitarbeiter von Inala gründeten später weitere Institutionen.

Durch den Aufbau einer angesehenen Institution mit über 60 Kindern, durch Vorträge und Kurse machten Kyra und Hans Joachim Pohl den Namen Rudolf Steiners und die praxisorientierten Anliegen der Anthroposophie in Australien öffentlich bekannt. Kyra Pohl starb fünf Jahre nach ihrem Mann im März 1968.

Norma Blackwood

Quellen Erwähnungen

N 1964 S. 21
N 1966 S. 43, 95, 148
N 1968 S. 205
CaC 1978 Nr. July, S. 12

Info

Bruder der Camphill-Mitarbeiterin Eva Pohl
Die Begründung und der Aufbau anthroposophischer Medizin und Heilpädagogik in Australien geht auf das Engagement von Kyra und Hans Joachim Pohl zurück.
Hans Joachim Pohl wurde als zweites Kind eines Arztes im Herzbad Altheide geboren. Er war ein ruhiger, bescheidener Mensch, mit viel Sinn für Humor, der keine große Ambitionen hatte. Obwohl man bis heute mit Dankbarkeit von seinen Fähigkeiten zum Heilen spricht, konnte ihn sein Vater nur mit großer Mühe dazu überreden, Medizin zu studieren. Seine Liebe galt eigentlich der Erde mit ihren Pflanzen und Mineralien. Er studierte an sieben Universitäten. Sein vorletztes Studienjahr verbrachte er in Basel, wo er gleichzeitig die Kurse der Arlesheimer Klinik ?Ita Wegmans für Medizinstudenten besuchte. 1932 wurde er Mitglied der Anthroposophischen Gesellschaft. Erst durch die Anthroposophie und vor allem die Begegnung mit Ita Wegman befreundete er sich mit der Medizin. Er fand nun das weite geistige Feld, das er suchte, auf dem er als Arzt die Welt der Pflanzen, Mineralien und Sterne in wissenschaftlicher Weise miteinbeziehen konnte.
Auch der Weg von Kyra Zirkenbach führte nach Arlesheim und zu Ita Wegman. Ihre Mutter flüchtete mit dem zarten Kleinkind während der bolschewistischen Revolution aus Moskau. Nach der Schulzeit machte sie ein Praktikum im „Sonnenhof‟ in Arlesheim. Sie war dort mit ?Werner Pache und ?Edmund Pracht verbunden, erlebte Ita Wegman, lernte aber auch von ?Siegfried Pickert und insbesondere von ?Gotthard Starke.
Hans Joachim machte ebenfalls Erfahrungen in der Heilpädagogik, als er nach der Promotion in Berlin in Mühlhausen am Neckar bei ?Franz Michael Geraths arbeitete. Sein Weg führte dann zu ?Eugen Kolisko, auf seine Empfehlung hin praktizierte er erst in Striegau, dann in Breslau. Seine Praxis in Breslau wuchs schnell. Er nahm an der anthroposophischen Ärztearbeit im Kreis Breslau - Berlin - Dresden teil. Während des Krieges war er zwei Jahre in Russland und bekam eine schwere Hepatitis in Rumänien. Kaum erholt, wurde er wieder eingesetzt und konnte im August 1945 schwer verletzt auf Krücken und abenteuerlichen Wegen den Westen erreichen. Nun baute er eine Praxis in Fellbach bei Stuttgart auf. Er hatte eine östliche Seele und eine westlich-wissenschaftliche Denkart. So kamen bei ihm die Einfühlung in den Patienten mit einer strikt wissenschaftlichen Behandlungsmethode zusammen.
Anfang der 50er-Jahre suchte die kleine anthroposophische Gruppe in Sydney einen Arzt, der die anthroposophisch erweiterte Medizin in Australien einführen würde. Hans Joachim wusste um seine physische Schwäche und um die Herausforderungen, die auf ihn warteten. Doch mit der starken Unterstützung von Kyra, die seine Frau geworden war und ihm zwei Söhne gebar, entschloss er sich, das Angebot anzunehmen. Die Familie machte sich im Mai 1951 auf die Reise. ?Robert Williams empfing sie als Repräsentant der „Ruby McPherson Corporation‟, die die Reise und ein Haus für die Familie spendete. So traf Hans Joachim gleich bei der Landung einen Menschen, mit dem er ein tiefes Interesse an der Pflanzenwelt teilte - und eine enge Freundschaft nahm ihren Anfang.
Wegen staatlicher Vorschriften zur Ausübung medizinischer Berufe in Australien musste Hans Joachim Pohl drei schwierige Jahre auf der Universität verbringen, um die entsprechenden Berechtigungen zu erhalten. Kyra half, die Familie zu ernähren, indem sie ab 1952 die kleine heilpädagogische St. Michael-Tagesschule leitete. Die Schule wurde von einer der größten Elternorganisationen der 50er-Jahre unterstützt. Die Auflagen der Aufsichtsorgane beschränkten aber die Arbeit, wie sie Kyra Pohl aus der anthroposophischen Menschenkunde verstand, so weitgehend, dass sie sich schließlich entschloss, andere Wege zu suchen.
Hans Joachim Pohl begann im eigenen Haus die künftigen Heilpädagogen eines zu gründenden Heimes auszubilden. Gleichzeitig richtete er ein Laboratorium ein und suchte im Busch nach Pflanzen in der Überzeugung, dass er Pflanzen entdecken würde, die für dieses Land und für die südliche Halbkugel geeignetere Heilmittel liefern könnten. Er konnte auch besondere Pflanzen erkennen, die am ehesten für die einzelnen Organe wirksam zu sein schienen. Einige untersuchte er im Forschungslabor der Universität und fand, dass er mit seinen Vermutungen richtig lag. So konnte er viele europäische Heilmittel durch australische ersetzen. Zu einer Publikation seiner diesbezüglichen Arbeiten kam er nicht.
Kyra Pohl verfolgte weiter ihr Ziel, ein anthroposophisch-heilpädagogisches Institut in Australien zu begründen, und ließ sich durch behördliche Hindernisse nicht von ihrem Vorhaben abbringen. Am 1. November 1958 wurde mit Unterstützung von Eltern und Freiwilligen das Heim „Inala‟ - das Wort der Ureinwohner für „Ort des Friedens‟ - begründet. Die Arbeits- und Lebensbedingungen waren hart. Sehr niedrige Löhne und lange Arbeitstage des Lehrens, Pflegens, Putzens, Kochens, Verwaltens und der Geldbeschaffung war das Los aller Mittätigen, auch der Pohls. Der Unterricht fand zuerst in Stallungen und in Schlafräumen statt. Kyras große Fähigkeit lag darin, spirituelles Verständnis für die menschliche Natur in das Finden geeigneter Heilübungen umzuwandeln. Sie arbeitete rund um die Uhr, benötigte wenig Ruhezeit und führte ein strenges Regiment. Dies führte in ihrem Umfeld zu starken Sympathien und Antipathien. Die Pohls führten alle anthroposophischen Kunsttherapien in Inala ein. Beide hatten außerdem große Freude an der Inszenierung der Oberuferer Spiele und der Gestaltung der Jahresfeste. Kyra war davon überzeugt, dass man beispielsweise Michaeli nicht in einer Frühjahrsstimmung feiern kann. So gestaltete sie die christlichen Feste in den ihnen entsprechenden Jahreszeiten. Die Art, wie man behinderte Kinder in Inala behandelte, war für alle Australier zunächst fremd. Die Pohls überwanden diese Fremdheit durch ihre konsequente Arbeit und Begeisterung, die ihnen bald Achtung und Anerkennung einbrachten.
Die Energie von Hans Joachim Pohl war nach der Gründung Inalas in erster Linie durch die Heilpädagogik absorbiert, obwohl er auch eine Privatpraxis in Sydney führte und viel auf Vortragsreisen unterwegs war. Sein Tod 1963 kam unerwartet und riss ihn früh aus der Aufbauarbeit, der sein ganzes Herz gehörte.
Kyra Pohl hat die wichtigsten heilpädagogischen Bücher für die Ausbildung der Mitarbeiter übersetzt, da in den 60er-Jahren erst wenig, besonders wenig Praxisbezogenes, auf Englisch erhältlich war. 1966 und 1967 hielt sie mit anderen Sommerkurse zur Einführung in die Heilpädagogik und in die Anthroposophie. Sie hatte die geniale Begabung, die seelisch-geistigen Wesensglieder am Äußeren anschaulich entwickeln zu können. Die Mitarbeiter von Inala gründeten später weitere Institutionen.
Durch den Aufbau einer angesehenen Institution mit über 60 Kindern, durch Vorträge und Kurse machten Kyra und Hans Joachim Pohl den Namen Rudolf Steiners und die praxisorientierten Anliegen der Anthroposophie in Australien öffentlich bekannt. Kyra Pohl starb fünf Jahre nach ihrem Mann im März 1968.
Abkürzungen: siehe hier
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