Sophie Gräfin von Brockdorff

Gräfin von Brockdorff, Sophie

geb.: von Ahlefeldt

*14.04.1848, Damgaard/Jütland (Dänemark)

✟08.06.1906, Algund bei Meran (damals Österreich-Ungarn)

Graf und Gräfin von Brockdorff ermöglichten Rudolf Steiner eine Anknüpfung an die theosophische Bewegung in Deutschland.

Graf Brockdorff unterlag als Kgl. Preußischer Rittmeister häufigem Ortswechsel. Er heiratete seine Frau Sophie 1870 in Potsdam, wo auch die einzige Tochter 1871 zur Welt kam. 1879 wurde die Ehe geschieden. Wenige Tage nach der Geburt des Sohnes Ludwig 1881 aus zweiter Ehe starb seine zweite Frau Anna, geb. Rosenhagen. 1885 heirateten Sophie und Cay Lorenz in Darmstadt zum zweiten Mal, sie lebten vorwiegend in Berlin, bis sie 1902 nach Algund bei Meran zogen.

Sie waren beide im November 1893 der Theosophischen Gesellschaft beigetreten und er gehörte im Juni 1894 zu den Gründungsmitgliedern der „Deutschen Theosophischen Gesellschaft”. Sie hatten die Theosophie durch Wilhelm Hübbe-Schleiden kennen gelernt. 1900 war Graf Brockdorff offiziell Sekretär der kleinen Gesellschaft, vor allem aber leitete das Ehepaar die Loge in Berlin. In ihrer großzügigen Wohnung richteten sie eine Bibliothek mit theosophischen Werken ein, die den Mitgliedern zur Verfügung stand. In dieser „Theosophischen Bibliothek‟ fanden die öffentlichen Vorträge statt, an die sich häufig offene und kontroverse Aussprachen anschlossen. Der kleine Kreis kultivierter Zuhörer war nicht auf Mitglieder beschränkt, ebenso wenig waren die Vortragenden durchwegs Theosophen.

Im September 1900 luden sie Rudolf Steiner zu einem Vortrag über den kurz zuvor verstorbenen Friedrich Nietzsche ein. Nach einem weiteren Vortrag über „Goethes geheime Offenbarung‟ begann er im Oktober seine Vortragsreihe über „Die Mystik‟ zu halten, deren schriftliche Ausarbeitung ein Jahr später in Buchform erschien (GA 7). Auch Steiners zweites theosophisches Buch - „Das Christentum als mystische Tatsache‟ (GA 8) -, das er den Brockdorffs zueignete, entstand nach einer dort gehaltenen Vortragsreihe. Rudolf Steiner erinnerte sich später an die Anzahl von ca. 20 Zuhörern.

Auf Initiative von Gräfin Brockdorff wurde „Der Vâhan‟ herausgegeben, die deutsche Ausgabe des offiziellen englischen Periodikums der Theosophischen Gesellschaft; die Zeitschrift musste ihr Erscheinen kurz nach ihrem Tod 1906 einstellen. Für das Zustandekommen von Rudolf Steiners Zeitschrift „Lucifer‟ setzte sie sich finanziell und mit Begeisterung ein.

1902 zogen sich die Brockdorffs altershalber zurück. Zuvor baten sie Rudolf Steiner, die Leitung der Gesellschaft zu übernehmen, er wurde im Januar 1902 Mitglied und akzeptierte die Aufgabe. Brockdorff, der sich für die Gründung einer deutschen Sektion der Theosophischen Gesellschaft engagierte, schlug Steiner als Generalsekretär vor. Die Sektionsgründung fand am 20. Oktober 1902 in der Brockdorff’schen Wohnung statt, sie selbst waren aber schon im September nach Algund bei Meran gezogen. Marie von Sivers ( Marie Steiner), die Rudolf Steiner Ende 1900 dort bei seinen Vorträgen kennen gelernt hatte, übernahm die Wohnung, die Bibliothek und die Geschäfte der Gesellschaft.

Nach 1902 traten die Brockdorffs in den Hintergrund. Der Graf pflegte seine schwer erkrankte Frau bis zu ihrem Tod. Aus dem Briefwechsel mit Hübbe-Schleiden geht hervor, dass er weiterhin Kontakt zu dem Theosophen Franz Hartmann pflegte und den „Order of the Star in the East‟, der den jungen Inder Krishnamurti als „kommenden Weltlehrer‟ und Reinkarnation Jesu propagierte, ablehnte. Seit dem 7. April 1913 war er Mitglied der Anthroposophischen Gesellschaft. Er starb 1921 in Meran, wo seine dritte Frau Alexandrine, geb. Freiin von Buddenbrock, die er 1910 in Wiesbaden heiratete, noch bis 1955 lebte.

Hans-Jürgen Bracker

Quellen Erwähnungen

N 1944 S. 106, 143
N 1956 S. 51
Literatur: Bresch, R.: Kleiner Vahan, in: Vah 1905/06, Nr. 12; GA 28, 7 1962; Bock, E.: Rudolf Steiner-Studien, Stuttgart 1967;   Froböse, E.: Zur Eröffnung der neuen Reihe, in: BGA 1973, Nr. 41; Hartmann 1975; Groddeck, M.: Rudolf Steiner, der Erbauer des Goetheanum, in: BGA 1978, Nr. 61/62; Lindenberg, Chronik 1988, Wiesberger, H.: Marie Steiner-von Sivers. Ein Leben, Dornach 1988.
Abkürzungen: siehe hier
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