Wilhelm Kaiser

Dr.phil. Kaiser, Wilhelm

Astronom.

*23.02.1895, Péry bei Reuchenette (Schweiz)

✟29.04.1983, Dornach (Schweiz)

Der modernen astrophysikalisch orientierten Astronomie stand Kaiser kritisch gegenüber. In der pythagoräischen Tradition stehend, entwickelte er ein auf geometrischen Proportionen, Zahlen-Harmonien sowie rhythmischen Vorgängen beruhendes organisches Bild des Kosmos.

Geboren als Einzelkind im Schweizer Jura, verlor Kaiser mit vier Jahren seinen Vater, der Chemiker in einer Zementfabrik war. Die Mutter siedelte mit der Familie nach Subingen bei Solothurn um. Kaiser schloss die Schulzeit als Grundschullehrer ab.

Danach begann er das Studium der Physik, Mathematik und Astronomie an der Universität und ETH in Zürich und setzte dieses ab 1922 in Bern mit dem Nebenfach Biologie fort. 1927 reichte er seine Doktorarbeit mit dem Titel „Über die geometrischen Sternsysteme‟ ein. Darin werden die modernen Theorien über den Bau, die räumliche Ausdehnung und Gliederung der Fixsternwelt kritisch beleuchtet. Sein wissenschaftliches Lebenswerk besteht im Wesentlichen in der weiteren Begründung, Ergänzung und Ausarbeitung der Hauptideen seiner Doktorarbeit.

1918 hörte Kaiser Vorträge von Rudolf Steiner in Zürich. Er beteiligte sich als einer der jüngsten Teilnehmer an der Statutenberatung der Weihnachtstagung am Goetheanum 1923/24. Um diese Zeit war Kaiser Mitarbeiter im Archiv am Goetheanum unter Elisabeth Vreede. Die Auseinandersetzung mit der anthroposophischen Kosmologie beeinflusste seine Lebensarbeit maßgeblich.

1925 verarbeitete Kaiser den „Dritten Naturwissenschaftlichen Kurs‟ von Steiner (GA 323) zu einem Buch, dessen später umstrittenen Inhalt Steiner noch im Manuskript gesehen und die Drucklegung gutgeheißen hatte. 1928 erschien als umgearbeitete Doktorarbeit der bedeutende erste Band seines Hauptwerkes „Die geometrischen Vorstellungen in der Astronomie. Versuch einer Charakterisierung des Wahrheitsgehaltes astronomisch-mathematischer Aussagen‟.

Energisch und eigenwillig sowie getragen von einem starken volkspädagogischen Impuls, hielt Kaiser unzählige Vorträge in Deutschland und der Schweiz, schrieb eine Fülle einführender Schriften in die elementare Astronomie und Kalenderkunde. Kaiser nahm aktiv an Tagungen der Mathematisch-Astronomischen Sektion teil, bis es 1936 zu einer heftigen Auseinandersetzung mit Hermann von Baravalle kam. Von 1935 bis 1966 hielt er fast jedes Jahr ein Referat während der Jahrestagungen der „Schweizerischen Naturforschenden Gesellschaft‟.

Das Echo auf seine eigenwilligen und schwer durchdringbaren Ideen war gering, Kaiser brachte die meisten seiner Bücher im Selbstverlag heraus.

Die Jahre 1956-81 verbrachte Kaiser umgeben von seinen unverkauften Druckwerken in einem Luftschutzkeller in äußerst bescheidenen Verhältnissen in Solothurn, zurückgezogen und vereinsamt; er arbeitete stetig weiter an seinem Lebenswerk. Von 1981 bis zu seinem Tod lebte er in Dornach, fast bis zuletzt gepflegt von seiner Frau Helena Jankowska-Wajdzik, die ein Jahr vor ihm starb.

Renatus Ziegler

Quellen Erwähnungen

N 1925 S. 183
N 1926 S. 75
N 1928 S. 172
N 1929 S. 66
N 1930 S. 56
N 1933 S. 52, 144, 168, 172, 196
N 1934 S. 115f, 186, 190
N 1935 S. 32, 36, 40
N 1936 S. 12, 16, 99, 104, 120
N 1937 S. 80, 84, 88
N 1938 S. 28, 32, 164, 176, 180
N 1943 S. 44, 84
N 1949 S. 76, 93, 212
N 1950 S. 3, 22
N 1966 153
N 1970 S. 40
MaD 1965 Nr. 73, S. 216
Ggw 1965 Nr. 11, S. 435 ff H.Bieri:Zum 70. Geburtstag
Ggw 1975 Nr. 11/12, S. 393 H.Bieri: Zum 80. Geburtstag
GA 260 Personenregister
Werke: Astronomie in geisteswissenschaftlicher Beleuchtung, Stuttgart 1925; Die geometrischen Vorstellungen in der Astronomie, 1. Buch, Basel 1928, 2. Buch, Subingen 1933; Kosmos und Menschenwesen im Spiegel der platonischen Körper, Basel 1930; Über die hypothetischen Parallaxen der Fixsterne, in: Mathesis, Stuttgart 1931; Einführung in die Astronomie, Subingen 1936. Basel ²1938; Der Kalender auf Grundlage von Sonnen-Mond-Perioden, Basel [1942], ²[1943]; Kalenderkunde, Subingen [1943]; Der Kosmos als Organismus, in: BfA 1951, Nr. 7; Mathematische und astronomische Beiträge zur Kosmologie, Bd. I/II, Bern [1965]/Solothurn 1966; Elementare Welt-Zeit-Kunde, Solothurn 1976; Haupt-Objekte in Himmels-Gebieten, Solothurn 1976; Beiträge in G, Ggw, N, Msch, St, MaK, Pfa.
Literatur: Locher, L.: Moderne Mathematik und Musik, in: G 1929, Nr. 10; Vetter, S.: Ein reiches astronomisches Lebenswerk, in: St 1966/67; Vier, B.: Planeten-Äthersphären, in: MaK 1975, Nr. 96, auch in G 1975, Nr. 24; Berger, O. P.: Geschichte der Astronomie, in: Antares 1976, Nr. 1; Bolz, J.: Kritische Anmerkungen zum Kaiserschen Planeten-Abstandsgesetz, in: Antares 1976, Nr. 2; Ziegler, R.: Ein Leben im Dienste der geometrischen Astronomie, in: MaK 1980, Nr. 116; R. Ziegler, Ein Leben für die Astronomie: Wilhelm Kaiser, Unger, G.: Zur Kremation von Dr. Wilhelm Kaiser, in: N 1983, Nr. 24; Ziegler, R.: Biografien und Bibliografien, Dornach 2001.
Nachlass: Zentralbibliothek Solothurn; Archiv der Rudolf Steiner Nachlassverwaltung, Dornach.
Abkürzungen: siehe hier
Copyright: Text und Bild sind urheberrechtlich geschützt. Reproduktion in jeglicher Form nur nach schriftlicher Genehmigung der Forschungsstelle Stiftung Kulturimpuls, Heidelberg

Forschungsstelle Kulturimpuls Biografien Dokumentation kulturimpuls.org