Walther Eidlitz

Eidlitz, Walther

Schriftsteller, Indologe, Religionswissenschaftler.

*28.08.1892, Wien (damals Österreich-Ungarn)

✟28.08.1976, Vayholm (Schweden)

Walther Eidlitz war in jungen Jahren als Schriftsteller sehr erfolgreich. Seine allem Anschein nach nicht tiefgehende Berührung mit Anthroposophie war für ihn eine Durchgangsstation auf seinem Weg, der ihn über den Nationalsozialismus hin zum hinduistischen Vaishnava-Glauben führte.

Walther Eidlitz, ein Cousin von Otto Fränkl-Lundborg, entstammte einer wohlhabenden jüdischen Familie aus dem westungarischen (heute burgenländischen) Eisenstadt. Nach der Matura nahm er an der Wiener TH ein Bauingenieur-Studium auf, 1913 schickte er seine ersten Gedichte an Richard Dehmel. Im Ersten Weltkrieg war Eidlitz zeitweise Wachsoldat in einem österreichischen Lager für russische Kriegsgefangene. Noch während des Krieges (1917) veröffentlichte er Gedichte in Franz Pfempferts expressionistischer Zeitschrift „Die Aktion‟ sowie sein erstes Buch, ein Hölderlin-Drama, das 1919 in Berlin erfolgreich uraufgeführt wurde. Ein Zeitgenosse, der Dichter Ernst Waldinger, schildert ihn als still, scheu und zurückhaltend; Technikbegeisterung paarte sich bei ihm mit einer Liebe zum Griechentum. 1918 erschienen ein Prosa- und ein Gedichtband.

Nach Kriegsende konvertierte Eidlitz zum Christentum; er lebte nun in Wien als freier Schriftsteller und neigte dem humanistischen Zionismus Martin Bubers ebenso zu wie sozialistischen Gedanken, aber auch Rudolf Steiners Dreigliederung des sozialen Organismus. Er publizierte bis 1932 weitere Dramen und Romane. Ausgiebig bereiste der 1924 mit dem Kunstpreis der Stadt Wien ausgezeichnete Autor Europa und Amerika, machte Bekanntschaften mit namhaften Persönlichkeiten (u.a. Henry Ford, Selma Lagerlöf) und schrieb regelmäßig Feuilletons, vor allem in der Wiener „Neuen Freien Presse‟, aber auch in der jüdischen „Menorah‟. Er war verheiratet mit Hella Spira, einer ehemaligen zionistischen Jugendführerin; sie war die Schwester der Frau von Wilhelm Rath. Im Hause Spira hatte er 1920 Ernst Müller kennen gelernt, der in einem unveröffentlichten Brief von 1948 an Hugo Bergman berichtete, dass Eidlitz ca. 1930 unter den Einfluss einer Okkultistin geriet, die auch mit Hitler und Rudolf Hess in Beziehung stand.

Durch Erbschaft war Eidlitz in den Besitz zweier Hotels im Tirol gekommen. In dem einen, Gnadenwald (bei Hall/Tirol), wurde als Dependance von Ita Wegmans Arlesheimer Klinisch-Therapeutischem Institut eine anthroposophische „Kuranstalt‟ eingerichtet, deren Leitung Norbert Glas und nach dessen Emigration Rudolf Hauschka innehatte. Eidlitz selber wohnte mit seiner Familie auch dort.

Als das österreichische PEN-Zentrum sich 1933 gegen die geistige Unterdrückung in Nazideutschland wandte, trat er aus dem Verband aus. Seine pronazistische Einstellung - so setzte er etwa Hitler mit einer „Christus-Kraft‟ in Beziehung - kam auch in seinem Buch „Reise nach den vier Winden‟ (1935) zum Ausdruck. Er bemühte sich sogar erfolgreich um die Anerkennung als „Ehren-Arier‟ und manipulierte zu diesem Zweck die Geburtsregister in Eisenstadt.

Im April 1938, nach dem „Anschluss‟ Österreichs an Hitlerdeutschland, unternahm er eine auf lange Dauer angelegte Himalaya- und Indienreise, um dort den Hinduismus zu studieren. Er fand einen hinduistischen Guru, Schri Maharadsch, der ihn als Schüler aufnahm. Bei Kriegsbeginn wurde er in einem britischen Lager interniert, wo er den deutschen Hindumönch Sadananda Swami kennen lernte, der ihn in der Philosophie Sri Krischna-Chaitanyas (auch Vaishnava-Glaube oder Bhakti-Yoga) unterwies.

1946 kehrte Eidlitz nach Europa zurück und lebte bis zu seinem Lebensende im schwedischen Uppsala, wohin seine Frau mit dem gemeinsamen Kind hatte emigrieren können. Er erforschte die vedischen Schriften und veröffentlichte Bücher der Einführung in das Vaishnava-Lebensverständnis.

Er korrespondierte u.a. mit Gertrud von Le Fort und Arthur Schnitzler, um 1950 auch mit Hugo Bergman, der 1948 eine Zeitlang in Schweden gewirkt hatte.

Nach Roman Boos (1932) ist Eidlitz einige Jahre Mitglied der Anthroposophischen Gesellschaft gewesen (nachweislich allerdings nicht nach 1924). 1929 war er „dem Versuchsring anthroposophischer Landwirte‟ angeschlossen. Boos zeigt in seiner ablehnenden Rezension („Journalmystik‟), wie Eidlitz in plagiathafter Weise Motive aus der Geisteswissenschaft Rudolf Steiners in sein literarisches Schaffen integriert. Die Werke von Eidlitz wurden in anthroposophischen Zeitschriften bis 1930 regelmäßig positiv rezensiert. Er selber veröffentlichte Ende der 20er-Jahre vereinzelt in anthroposophischen Zeitschriften. Seine Werke nach 1945 wurden von anthroposophischer Seite anscheinend nicht wahrgenommen.

Hans-Jürgen Bracker
Werke: Der Goldene Wind (G), Berlin 1918; Der junge Gina (E), Berlin 1918, ²1919; Die Herbstvögel (D), Berlin 1921; Der Berg in der Wüste (D), Leipzig 1923; Die Laufbahn der jungen Clothilde (R), Berlin 1924, ²1926; Die Gewaltigen (E), Berlin 1926; Kampf im Zwielicht (E), Berlin 1928; Zodiak (R), Berlin 1930; Das Licht der Welt (R), Berlin 1932; Reise nach den vier Winden, Auf den Spuren der Weltgeschichte, Braunschweig 1935; Der Mantel der großen Mutter, Eine Wanderung durch die nordische Welt, Braunschweig 1937; Bhakta. Eine indische Odyssee, Hamburg [1951]; Die indische Gottesliebe, Olten 1955; Der Glaube und die heiligen Schriften der Inder, Olten 1957; Der Sinn des Lebens: der indische Weg zur liebenden Hingabe, Olten 1974; Krishna Chaitanya, Bd. I/II, Rastede-Liethe 1995; Übersetzungen ins Englische und Schwedische erschienen.
Literatur: Das große Brockhaus, Bd. V, Leipzig 1930 (15. Aufl.); Boos, R.: Journalmystik, in: Msch 1932, Nr. 6; Waldinger, E.: The Fantastic Case of Walther Eidlitz, in: Jewish Frontier 1943, Nr. Sept.; Raabe, P.: Die Autoren und Bücher des literarischen Expressionismus, Stuttgart 1985.
Abkürzungen: siehe hier
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