Henri Zagwijn

Zagwijn, Henri

Komponist, Waldorflehrer.

*17.07.1878, Nieuwer-Amstel (Niederlande)

✟23.10.1954, Den Haag (Niederlande)

Henri Zagwijn war ein zu seiner Zeit bekannter Komponist und Lehrer der „Vrije School‟ in Den Haag, der sich schon früh aktiv an der Entwicklung der anthroposophischen Bewegung in den Niederlanden beteiligte.

Er wuchs auf in Rotterdam als Sohn von Adrianus Zagwijn und Jeltje van Kollem. Hier macht er auch eine Grundschullehrerausbildung und tritt 1898 seine erste Stelle an. Er wohnt bei seinen Eltern und empfindet den starken Drang, sich weiterzuentwickeln. Sein Interesse gilt besonders der Musik, dem Theater - sein Vater war Souffleur - und der Anthroposophie. Am 14. Dezember 1915 wird er Mitglied der Anthroposophischen Gesellschaft. In dieser Zeit ist er befreundet mit Chris van Abcoude, einem Lehrerkollegen, dazu Verfasser der bekannten Kinderbücher über den Lausbub „Pietje Bell‟. Wie Zagwijn den Zugang zum Komponieren gefunden hat und wer ihm dabei behilflich gewesen ist, ist nicht im Einzelnen bekannt. Er war zum größten Teil Autodidakt. Seine eigenen Schöpfungen sind zunächst vokale Werke für Ensembles, die er in seiner Freizeit leitet. Henri Zagwijn muss ein sehr gut entwickeltes musikalisches Vorstellungsvermögen gehabt haben, denn er spielte kaum ein Instrument. Nur am Klavier konnte er sich behelfen. Sein älterer Bruder, der Violinist Jules Zagwijn, war einer der Gründer des Rotterdamer Sinfonie-Orchesters.

Sein Debüt vor einem größeren Publikum erlebt Zagwijn mit 26 Jahren, im Jahre 1904, als seine „Fantasie‟ für großes Orchester von dem Concertgebouw-Orkest unter dem Dirigenten Willem Mengelberg aufgeführt wird. Es folgen Aufführungen anderer Werke in verschiedenen Orten und mit unterschiedlicher Besetzung. So gibt es eine Aufführung seines „Zauberlehrlings‟ im Jahre 1914 in Rotterdam durch den Rotterdamer „Toonkunstkoor‟ und ein Orchester. 1919 gibt es noch Aufführungen vom Concertgebouw-Orkest, wiederum unter Mengelberg, von „Weihenacht‟ (vom Licht durch die Finsternis zum Licht) und „Auferstehung‟ (Osterglocken). Von Anfang an hat Zagwijn sich in seinen Kompositionen auch von der Anthroposophie inspirieren lassen. 1918 und 1920 erscheinen z. B. zwei Klaviermusikbändchen: „Musik zur Eurythmie‟ . Es entstehen auch Chorwerke zu Texten von Steiner und Morgenstern. Ab 1920 - er ist 42-jährig - wird er längere Zeit nicht mehr komponieren.

Diese Pause fällt mit durchgreifenden Änderungen in seinem Leben zusammen. Nach 20 Jahren tritt er 1918 aus dem Schuldienst aus. Im selben Jahr gehört er zu der Komponistengruppe, welche die „Nederlandse Vereniging tot Ontwikkeling der Moderne Scheppende Toonkunst‟ gründet. Um sich und seine Eltern, bei denen er noch immer wohnt, versorgen zu können, unterrichtet er von 1919-24 am Rotterdamer Konservatorium die musiktheoretischen Fächer.

Neben diesen Aktivitäten beschäftigt er sich intensiv mit Anthroposophie. Im April 1919 arbeitet er in einer Gruppe um Jacoba van Heemskerck, Marie Tak van Poortvliet und Elisabeth Vreede mit. In Rotterdam gibt er einen Einführungskurs Anthroposophie, durch den das nachhaltige Interesse vieler Menschen geweckt wurde. Im Juli 1923 schreibt er das Büchlein „De Muziek in het Licht der Anthroposophie‟. Im November 1923 erfolgt die Gründung der „Antroposofische Vereniging in Nederland‟. Zagwijn ist in den darauf folgenden acht Jahren Vorstandsmitglied, er nimmt an der Weihnachtstagung 1923/24 teil.

Auf Rudolf Steiners Rat hin verbindet Zagwijn sich im Sommer 1924 mit der im Herbst 1923 gegründeten „Vrije School‟ in Den Haag. Er sollte besonders in der Anfangszeit aufgrund seiner Erfahrung vorübergehend eine führende Rolle haben und den jungen Kollegen eine Stütze sein. Neben Musik in der Unterstufe unterrichtet er viele Fächer in der Oberstufe, u. a. Kultur- und Kunstgeschichte, Geographie und später auch Buchbinden. Er soll ein strenger Lehrer gewesen sein, aber konnte durch seinen Humor und seine Begeisterung vieles bei den Schülern erreichen. Musik spielte eine große Rolle im Schulleben. Zagwijn, inzwischen 46, zog nach Den Haag um. 1927 lernt er Augusta N. Kämper kennen, mit der er sich verheiratet. 1928 wird ihr Sohn Waldo geboren. Er hält in dieser Zeit viele Vorträge in mehreren Städten. Ab 1932 beginnt er wieder zu komponieren. In seiner Freizeit spielt er in der Amateurtheatergruppe „Elpore‟ unter der Führung von Max Gümbel Seiling mit. Untersetzt und markant, wie er ist, spielt er oft komische Rollen.

Während der deutschen Besetzung wird die „Vrije School‟ im Jahre 1941 geschlossen. Zagwijn ist im 63. Lebensjahr. Im Haager Gymnasium, in dem sein Sohn jetzt Schüler ist, werden von den Schülern Dramen einstudiert (Sophokles’ „Antigone‟ und „Vondels Luzifer‟), zu denen Zagwijn die Musik komponiert. Während des Krieges wird es schwierig, den Kopf über Wasser zu halten. Weil er kein Mitglied der deutschen Kulturkammer wird und außerdem noch jüdische Vorfahren hat, darf er keinen Beruf ausüben.

Nach dem Kriege ist Zagwijn hauptsächlich als Komponist tätig. Die meisten seiner Kompositionen werden den Ausführenden zugeeignet. Außerdem ist er ab 1946 Vorsitzender des „Geneco‟, der Genossenschaft niederländischer Komponisten. Zur Gelegenheit seines 70. Geburtstags erhält er eine königliche Auszeichnung.

Innerhalb der Anthroposophischen Gesellschaft hielt sich Zagwijn bescheiden im Hintergrund. Er hatte eine enge Verbindung zu Willem Zeylmans van Emmichoven. Nach Zagwijns Tod im Herbst 1954 schreibt Zeylmans in einem Gedenkschreiben: In seinen Vorträgen über Musik konnte Zagwijn sein tiefstes Wesen offenbaren. Da gab es Augenblicke, in denen er wie ein Priester des Wortes die Geburt einer neuen Musik, aus der Geisteswelt geboren, verkündete.

Der Komponist und ehemalige Vorstandskollege des „Geneco‟, Professor Marius Flothuis (1914-2001), fasste Zagwijns Streben in einem Gespräch so zusammen: Zagwijn sei ein fähiger Komponist gewesen, der - und da klang ein Element von Verwunderung durch - versuchte, das nur Anmutig-Sinnliche zu vermeiden. In der heutigen Musikwelt ist er nahezu vergessen. Seine Musik wird in den Konzertsälen nur noch ganz selten gespielt.

Marjolijn ter Kuile

Quellen Erwähnungen

N 1924 S. 106
N 1926 S. 166
N 1950 S. 20, 24
N 1955 S. 131
GA 260 Personenregister
MAVN 1987 Nr. 9, S. 262f
MAVN 1988 Nr. 9, S. 291
Werke: De Muziek in het licht der anthroposofie, Rotterdam 1925; Die Musik im Lichte der Anthroposophie, Rotterdam 1927; Was Goethe muzikaal?, Den Haag 1932; Übersetzung ins Italienische erschienen; Beiträge in DIS, G, O, VOp.
Eine Sammlung von Autographen und Notenausgaben von Henri Zagwijn befindet sich im „Nederlands Muziek-Instituut‟ in Den Haag (www.nedmuz.nl). Eine Übersicht dieser Kompositionen ist zu finden in der Diplomarbeit „Henri Zagwijn‟ von M. ter Kuile-van Lokhorst im „Instituut voor Muziekwetenschap‟ in Utrecht (auch in der Bibliothek der „Antroposofische Vereniging‟ in Den Haag vorhanden). Kompositionen von Zagwijn sind erschienen bei „Uitgeverij Donemus‟ der „Stichting Muziekgroep Nederland‟ in Amsterdam (www.muziekgroep.nl).
Literatur: Steiner, M., Stuten, J.: Programm der musikalischen Tagung, in: N
1926, Nr. 29; Paap, W.: Henri Zagwijn, in: Mens en Melodie 1949; ders.: Henri
Zagwijn, in: Die Musik in Geschichte und Gegenwart, Bd. 14, Kassel 1968; Ginat,
C.: Verzeichnis musikalischer Werke, Dornach ²1987; Schöffler, H. H.: Guenther
Wachsmuth, Dornach 1995; Heckmann. L.: Valentin Tomberg, Leben - Werk, Bd.
I/1, Schaffhausen 2001.
Abkürzungen: siehe hier
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