DiplLandwirt,Saatgutinspektor von Wistinghausen, Almar Johann Christian Jakob
Landwirt, Saatgutinspektor.
*22.03.1904, Reval/Estland (damals Russland)
✟17.04.1989, Unterlengenhardt (Deutschland)
Almar von Wistinghausen wirkte vor und nach dem Zweiten Weltkrieg als praktizierender Landwirt und Betriebsleiter, Berater, Gründer und maßgebender Träger zahlreicher biologisch-dynamischer Initiativen, insbesondere der Demeter-Bewegung. Er war ein aktiver Förderer der folgenden Generation in der biologisch-dynamischen Arbeit.
Almar von Wistinghausen wurde als jüngster von vier Brüdern am 9. (nach russischem Kalender) bzw. 22. März 1904 in Reval (heute Tallinn), in Estland geboren. Die Vorfahren der Familie waren vor etwa 300 Jahren aus dem Raum Lippe/Detmold ins Baltikum ausgewandert. Almars Vater war als leitender Chirurg am Städtischen Krankenhaus von Reval tätig und führte nebenher eine Privatpraxis. Der Knabe besuchte die Ritter- und Domschule und wurde 13-jährig Zeuge des Ausbruchs der Russischen Revolution im Jahre 1917. Die Familie zog 1918 nach Beelitz, Almar beendete seine Schulzeit in Potsdam. Anschließend machte er eine Landwirtschaftslehre auf dem Provinzialgut Palmnicken bei Fürstenwalde an der Spree. Nach Abschluss der Lehre begann von Wistinghausen zunächst in Berlin ein Landwirtschaftsstudium, das er 1926 in Breslau mit dem Diplom für Landwirtschaft und Saatzucht abschloss. Durch die Vermittlung seines Bruders Kurt von Wistinghausen, der damals als Priester der Christengemeinschaft in Breslau wirkte, lernte er einen Kreis junger Landwirte kennen, die sich im Hause des Rektors Moritz Bartsch trafen und an anthroposophischen Grundlagen arbeiteten. Es bestanden auch Verbindungen zu Carl Graf von Keyserlingk in Koberwitz. Der Kreis junger Landwirte leitete die Vorbereitungsarbeit für den Landwirtschaftlichen Kurs Rudolf Steiners, an dem Almar von Wistinghausen 21-jährig teilnahm. Zunächst nahm er eine Assistentenstelle an der Universität Breslau an. 1926 zog er nach Gosen in Schlesien und arbeitete mit Erhard Bartsch auf einem größeren biologisch-dynamisch bewirtschafteten Gut. Bartsch gab die Monatsschrift „Mitteilungen des Landwirtschaftlichen Versuchsringes der Anthroposophischen Gesellschaft‟ heraus, wobei von Wistinghausen an der Zusammenstellung und Herausgabe der Zeitschrift mitwirkte, anfänglich unter sehr primitiven äußeren Verhältnissen. Im Jahre 1927 übernahm Erhard Bartsch das Gut Marienhöhe bei Bad Saarow, das sich trotz der ungünstigen Bodenverhältnisse bald zum Zentrum der biologisch-dynamischen Bewegung entwickelte. Von Wistinghausen zog mit und setzte die bisherige Arbeit fort. Zusätzlich übernahm er 1928 die Auskunftsstellenleitung für die Mark Brandenburg, eine Tätigkeit, die sich bald auf Nordschlesien, die Provinz Sachsen, Pommern und Mecklenburg erstreckte. An dem Aufbau der biologisch-dynamischen Landwirtschaft, die sich Ende der 20er-, Anfang der 30er-Jahre vollzog, sowie an der Erkenntnis der „landwirtschaftlichen Individualität‟ und ihrer ausschlaggebenden Bedeutung für die neue Landwirtschaftsmethode war von Wistinghausen unmittelbar, oft maßgeblich beteiligt.
1930 heiratete er Inge von Bonin, mit der er drei Kinder hatte. In seinen Erinnerungen an den Anfang der biologisch-dynamischen Wirtschaftsweise stellte Almar von Wistinghausen das Mittragen und Mitdenken der Frauen für die biologisch-dynamische Arbeit, die oft unter schwierigen äußeren Verhältnissen stattfand, als ausschlaggebend für das Gedeihen der Bewegung heraus.
Im Jahre 1931 übernahm von Wistinghausen die Verwaltung der etwa 30 km östlich von Frankfurt an der Oder gelegenen Boninschen Güter Bottschow und Wildenhagen mit etwa 900 ha Ackerland, neben 300 ha Wald und zwei Seen und stellte sie auf die biologisch-dynamische Wirtschaftsweise um. Zahlreiche Maßnahmen, wie z. B. ein vorbildlicher Heckenbau, Melioration für Bodenverbesserung, Verwendung von Leguminosen, Gründüngung im Anbau, Einrichtung einer Grünfutterdarre und anderes, trugen zu einem guten Betriebsergebnis bei.
1939/40 wurde von Wistinghausen zum Kriegsdienst eingezogen, bald darauf jedoch wieder freigestellt. Im Jahre 1942 konnte er das Rittergut Markersdorf bei Zittau pachten und die dortigen fruchtbaren Basalt-Verwitterungsböden in die biologisch-dynamische Wirtschaftsweise überführen. Doch schon nach drei Jahren erfolgte die Vertreibung, die auch den Verlust des Pächterkapitals mit sich brachte. Die Familie hatte anschließend eine harte Notzeit in Berlin durchzustehen, bis von Wistinghausen 1946 als Abteilungsleiter für Saatgutvermehrung bei der Hauptgenossenschaft Kurmark, Berlin und Brandenburg tätig werden konnte.
1951 konnte die Familie, wiederum mit Hilfe des Bruders Kurt von Wistinghausen, nach Württemberg übersiedeln. Dort entwickelte sich in den folgenden Jahrzehnten die größte Dichte biologisch-dynamischer Höfe in der jungen Bundesrepublik. Von Wistinghausens Beitrag zu dieser Arbeit kann kaum überschätzt werden. Er hatte zunächst einen Beratungsauftrag für das Flughafengelände in Echterdingen, dem sich bald die Beratung und Information in der bäuerlichen Landwirtschaft im Südwesten anschloss. Noch im selben Jahr pachtete er das 50 ha große Hofgut Ehrenberg bei Heimsheim am Neckar. Neben der Arbeit auf dem Gut baute von Wistinghausen die biologisch-dynamische Beratung in Baden-Württemberg auf, zunächst mithilfe der so genannten Bauernhelfer. Aus dieser Arbeit entwickelte sich später eine sehr erfolgreiche Beratung. Nach und nach wurden im Land 22 Arbeitsgruppen gebildet. Bald entstand auch die Arbeitsgemeinschaft Baden-Württemberg und Pfalz.
Almar von Wistinghausen wirkte in den Führungsgremien des Forschungsrings für Biologisch-Dynamische Wirtschaftsweise und vor allem in der Demeter-Organisation durch viele Jahre hindurch. Seine Arbeit war durch eine edle Gesinnung und Verpflichtung für die Sache geprägt, die über manche persönlichen Schwierigkeiten hinweghalf.
1952 beginnend, baute er in enger Zusammenarbeit mit Erwin Jaus, einem Mitinhaber der gleichnamigen Großbäckerei in Stuttgart-Cannstatt, die durch den Krieg unterbrochene Demeter-Arbeit wieder auf. Im Jahre 1954 wurde der Demeter-Bund e.V. gegründet, der im Auftrag des Forschungsrings das auf diese Organisation übergegangene registrierte Demeter-Zeichen umsetzte. Die Aufgabe war - anders als in der Vorkriegsregelung -, die mit Erzeugungs- und Verarbeitungsrichtlinien zu gewährleistende Qualität durch Verträge mit Landwirten, Händlern und Verarbeitern zu entwickeln, zu sichern und zu überwachen. Im Jahre 1965 übernahm von Wistinghausen den Vorsitz des Demeter-Bundes. Er wirkte durch Vorträge und Reisen in Holland, Italien, Frankreich und Österreich an der Verbreitung und Weiterentwicklung der biologisch-dynamischen Arbeit mit.
Als 1962 die Pacht für Gut Ehrenberg auslief, erwarb von Wistinghausen ein ehemaliges Bauernhaus in Schafhausen bei Weil der Stadt.
1970 gründete er mit Udo Renzenbrink den Arbeitskreis für Ernährungsforschung in Unterlengenhardt, der durch Forschung, Rundbriefe und Information die Verarbeitung und Verwendung biologisch-dynamisch erzeugter Produkte förderte.
Sein schriftliches Werk umfasst zahlreiche Zeitschriftenaufsätze sowie drei Bücher. Für seine Leistungen erhielt von Wistinghausen im Jahre 1988 die „Verdienstmedaille des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland‟. Am 17. April 1989 starb Almar von Wistinghausen im Alter von 85 Jahren, seine Frau Inge war ein Jahr zuvor verstorben.
01.01.1928 - 31.12.1928: Einrichtung von Auskunftsstellen durch den Versuchsring
04.12.1929 - 10.12.1929: Erster Fortbildungskurs in den biologisch-dynamischen Wirtschaftsmethoden
27.01.1930 - 02.02.1930: Landwirtschaftliche Tagung
03.06.1931 - 08.06.1931: Fünfte Mariensteiner Tagung
14.01.1932: Erste Tagung der Arbeitsgemeinschaft für biologisch-dynamische Wirtschaftsweise
22.01.1932 - 29.01.1932: Landwirtschaftliche und botanische Tagung am Goetheanum
23.01.1933 - 28.01.1933: Landwirtschaftliche und tierkundliche Tagung am Goetheanum
22.01.1934 - 01.02.1934: Landwirtschaftliche Tagung am Goetheanum
20.07.1935 - 22.07.1935: Sommertagung "12 Jahre biologisch-dynamische Wirtschaftsweise"
01.01.1952 - 31.12.1952: Verantwortlich für Beratung:
01.01.1952 - 31.12.1952: Die biologisch-dynamische Bewegung in Deutschland
27.07.1953 - 02.08.1953: Allgemeine Jugendtagung
01.01.1955 - 31.12.1955: Orientierungskurs zur Berufsfindung
03.04.1956 - 10.04.1956: Berufsorientierungskurs
28.09.1958 - 05.10.1958: Michaeli-Tagung
31.03.1959 - 07.04.1959: Berufsorientierungskurs
05.02.1960 - 09.02.1960: Landwirtschaftliche Hochschultage
01.01.1962 - 31.12.1962: Forschungsring für Biologisch-Dynamische Forschung e.V.
20.10.1962 - 21.10.1962: Landwirtschaftliche Wochenendveranstaltung
21.09.1963 - 22.09.1963: Michaelitagung: Verlebendigung der Erde
12.09.1964 - 13.09.1964: Landwirtschaftliche Herbst-Wochenendtagung
18.09.1965 - 19.09.1965: Landwirtschaftliche Michaelitagung
05.03.1966 - 06.03.1966: Wochenendtagung Gesunde Nahrungsmittel als soziale Aufgabe
06.05.1966 - 08.05.1966: Arbeitstage Backen und Gären
22.10.1966 - 23.10.1966: Landwirtschaftliche Michaelitagung
01.01.1967 - 31.12.1967: Sektionskollegiums für Landwirtschaft und Ernährung
17.11.1967 - 19.11.1967: Arbeitstage Die Gefahren der Zivilisationskost und ihre Überwindung
07.11.1969 - 09.11.1969: Ernährungstagung
22.05.1970 - 24.05.1970: Ernährungstagung "Die Zubereitung unserer Nahrung"
01.01.1971 - 31.12.1971: Sektionsleitungsniederlegung: Sektion für Ernährung und Landwirtschaft
30.01.1972: Öffentliche Ernährungstagung
01.01.1973 - 31.12.1973: Ernährungstagung
07.05.1973 - 06.07.1973: Anthroposophische Studienkurse am Goetheanum
01.01.1974 - 31.12.1974: Der landwirtschaftliche Kurs in Koberwitz 1924 und die anschließende Zeit
01.01.1974 - 31.12.1974: Demeter-Bund
06.02.1974 - 10.02.1974: Landwirtschaftliche Tagung "Vom Qualitätsstreben in der Landwirtschaft"
21.04.1974 - 27.04.1974: Ostertagung Die sieben Lebensprozesse - "Die Ernährung"
04.03.1977 - 06.03.1977: Europäische Demeter Konferenz
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