Kurt Walther

Postrat Walther, Kurt

Oberinspektor bei der Post.

*23.02.1874, Frankfurt a.d. Oder (Deutschland)

✟12.01.1940, Berlin (Deutschland)

„Ein Diener der heiligen Sache, selbstlos und treu!‟ Dieses Wort darf mit vollem Recht über das Leben von Kurt Walther gestellt werden, der am 23. Februar 1874 in Frankfurt an der Oder geboren wurde. Über seine schulische und berufliche Entwicklung ist nichts bekannt. Es ist wohl bezeichnend für seine Biografie, dass die erste sichere Kunde, die wir von ihr haben, die Tatsache ist, dass der 30-Jährige von Rudolf Steiner in Hamburg in die Theosophische Gesellschaft aufgenommen wurde. Er kam 1908 als Delegierter des Hamburger Zweiges nach Berlin, wo er bald das angesehene Amt eines Postrates beim Reichspostministerium in Berlin bekleidete. Von da an ist sein Leben eindeutig durch die hingebungsvolle Arbeit für Rudolf Steiner und sein Werk bestimmt. In ihrem „In memoriam‟ schrieb Marie Steiner: „Durch unermüdliches Studium der Geisteswissenschaft, durch Hingabe an das meditative Leben und durch die Aneignung mancher Wissensgebiete unserer Zeit war er ein vielgeschätzter Lehrer und Führer für eine große Anzahl von Menschen, die sich in kleinen Arbeitsgruppen um ihn sammelten. Als Vortragender war er in den östlichen und nördlichen Gebieten Deutschlands tätig und oft dahin gerufen worden.‟

Zu den Eigentümlichkeiten des Schicksals Kurt Walthers gehört es, dass er in eine besonders enge persönliche und räumliche Nähe zu Rudolf Steiner dadurch kam, dass er in demselben Seitenflügel des Hauses Motzstraße 17 wohnte, in dem auch Rudolf und Marie Steiner lebten, und dass er Clara Selling, die seit 1905 die fürsorgende Wirtschafterin für Rudolf Steiner war, 1910 heiratete. So war Kurt Walther für viele Jahre mit dem Lebensmittelpunkt tagtäglich verbunden, von dem aus Rudolf Steiner wirkte. Er stand Rudolf Steiner auch mit Verteidigungsschriften bei.

Im anthroposophischen Leben in Berlin entwickelte er lange Jahre hindurch eine rege Tätigkeit, war auch in dem Berliner Zweig der Vertreter des Vorsitzenden Rudolf Steiner; diese Funktion musste er 1920 wegen einer ernsten Erkrankung aufgeben. Von 1916-21 arbeitete er anstelle Marie Steiners im Zentralvorstand der damaligen Anthroposophischen Gesellschaft mit. Im Juli 1923 war er Teilnehmer der Internationalen Delegiertentagung. Nach der Weihnachtstagung war er eine der Vertrauenspersönlichkeiten in Deutschland. Er war und blieb Freimaurer.

Die geistige Arbeit Kurt Walthers gruppiert sich um drei Schwerpunkte: die erkenntnistheoretischen Schriften (z. B. GA 2) und die „Philosophie der Freiheit‟, die Dreigliederungsbewegung (z. B. GA 339) und die Mysteriendramen. Die Erkenntnistheorie und die Philosophie der Freiheit scheinen der Ausgangspunkt seines Strebens gewesen zu sein, von dem aus er fortan wirkte. Im Zusammenhang mit der Dreigliederungsbewegung beauftragte Rudolf Steiner Kurt Walther im Februar 1919, mit bestimmten Persönlichkeiten Kontakt aufzunehmen. Noch vor Abschluss des Versailler Vertrages ging es damals auch darum, in der Kriegsschuldfrage der Wahrheit zu ihrem Recht zu verhelfen. Dies sollte durch Veröffentlichung der Aufzeichnungen des Generalstabschefs Helmuth von Moltke geschehen, die die Kopflosigkeit und Inkompetenz der deutschen Führung nur zu deutlich zeigten. Dies misslang und hat wesentlich zum deutschen Verhängnis beigetragen. Kurt Walther war sich bewusst, dass in der Dreigliederung der entscheidende mitteleuropäische Impuls geistesgegenwärtig wirkte. An Rudolf Steiner richtete er die Frage nach der echten Wesenheit des deutschen Volksgeistes.

In die Mysteriendramen, deren Entstehung zwischen 1910 und 1913 Kurt Walther unmittelbar miterleben konnte, hatte er sich im Laufe der Jahre so eingelebt, dass er die in ihnen wirkende anthroposophische Substanz den Teilnehmern seiner Kurse und Vorträge erlebbar machen konnte. Während die umfangreiche Tätigkeit Kurt Walthers sonst kaum literarischen Niederschlag gefunden hat, ist es erfreulicherweise Elfriede Krocker zu verdanken, dass sie die Ausführungen Kurt Walthers aufgezeichnet und unter dem Titel „Über die vier Mysteriendramen Rudolf Steiners‟ herausgebracht hat. Sie geben Zeugnis von dem Darinnenstehen Kurt Walthers in der geistigen Welt und sind eine Fundgrube eigenständiger spiritueller Erkenntnisse. Es ist zu vermuten, dass sich in seinem Nachlass, der im Archiv des Goetheanum aufbewahrt wird, noch mancher Schatz befindet, der gehoben werden will.

Da die Anthroposophie als geistiges Wesen in Kurt Walther lebte, konnte er im Gespräch vielen Menschen ein Helfer und Tröster sein. Die 30er-Jahre musste er seiner Erlebnisart entsprechend als Katastrophe für den deutschen Volksgeist erleben. In diesem Zusammenhang werden zwei Sätze von ihm überliefert: „Es ist schwer, bewusst das Sterben einer Kultur zu erleben. Die Geistatmosphäre geht schwanger mit Zerstörungskräften, die sich beklemmend auf die Brust des Menschen legen.‟ Diese Zerstörungskräfte musste er auch in den Spaltungen und Ausschlüssen innerhalb der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft erleben, was ihm äußerst schmerzlich war. Kurt Walther starb Anfang des Zweiten Weltkrieges, am 12. Januar 1940, in Berlin, kurz vor seinem 66. Geburtstag. Er hatte mit seiner Frau immer noch in der Motzstraße 17 gelebt.

Peter Tradowsky

Quellen Erwähnungen

N 1927 S. 88
N 1930 S. 152, 160
N 1931 S. 199
N 1933 S. 88
N 1934 S. 76
N 1935 S. 86, 114
N 1942 S. 75
N 1969 S. 31
MaD 1950 Nr. 13 Beilage, S. 20
MaD 1951 Nr. 17, S. 47
Werke: „Diene der Wahrheit!‟, Berlin 1913; Eine Antwort auf Erich Bamler’s Anklageschrift, Berlin [1914]; Über die vier Mysteriendramen Rudolf Steiners, Bd. I1/I2/II/III/IV, Freiburg i. Br. o. J., ²1975; Beiträge in WdN, We.
Literatur: Kurt Walther, in: N 1940, Nr. 4; Steiner, M.: In memoriam, in: N 1940, Nr. 5; Kurt Walther zum 80. Geburtstage und 14. Todestage, in: MaD 1954, Nr. 27; GA 262, 1967; Wiesberger, H.: Rudolf Steiners öffentliches Wirken, in: BGA 1969, Nr. 24/25 und 27/28; Groddeck 1980; Wiesberger, H.: Marie Steiner-von Sivers, Dornach 1988; Kühne, W.: Die Stuttgarter Verhältnisse, Schaffhausen 1989.
Abkürzungen: siehe hier
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