Clara Walther

Walther, Clara

geb.: Selling

Hausfrau.

*02.02.1875, Steinau a.d. Oder (damals Deutschland)

✟12.01.1961, Berlin (Deutschland)

Mehrmals besuchte ich mit Freunden die über 80-jährige Clara Walther in ihrer Wohnung in der Motzstraße 30 (früher 17). Das war das Haus, in dem Rudolf Steiner von 1902 bis 1922 seinen Wohnsitz hatte und von dem aus er die Anthroposophie in die verschiedenen europäischen Städte trug. Mit diesem Haus war Clara Walther von 1905 an bis zu ihrem Tode verbunden, sie war der gute Hausgeist. Wilhelm Selling, der Bruder Clara Walthers, der auch als ein Mitarbeiter Rudolf Steiners in der Motzstraße 17 wohnte, hatte ihn um Rat für seine Schwester gefragt. So fand sie ihren Platz.

Clara Walther wirkte noch im hohen Alter so, dass man spontan den Spitznamen verstehen konnte, mit dem Rudolf Steiner sie anredete: Wiesel. In der kleinen feingliedrigen Gestalt lebte ein quicklebendiger, schaffensfreudiger Wille, gepaart mit Klarheit und Wachheit und immer verbunden mit einem köstlichen Humor. Den größeren Hintergrund des Spitznamens kann man in der Bemerkung Rudolf Steiners erspüren, der einmal die Frage nach der Bewusstseinsseele dadurch beantwortete, dass er auf die kleine Frau mit den Worten hinwies: Die hat sie! Sie war auch esoterische Schülerin Rudolf Steiners. Unbefangen erfasste sie seine Bedeutung und entfaltete mit einer unbedingten Hingabe ihre Arbeit für das leibliche Wohl Rudolf Steiners.

Die höchste Würdigung der Lebensleistung von Clara Walther kam durch einen Besuch von Prinz Max von Baden bei Rudolf Steiner - im Herbst 1918, bevor er Reichskanzler wurde - zum Ausdruck, der - sich von Frau Walther verabschiedend - zu ihr sagte: „Seien Sie glücklich, einem solchen Manne dienen zu dürfen!‟

Es versteht sich von selbst, dass Clara Walther aus ihrem jahrelangen Zusammenleben mit Rudolf und Marie Steiner Unendliches zu erzählen wusste. Das hatte gewiss etwas Anekdotenhaftes, aber es war auch immer spürbar, dass eine unmittelbare Beziehung zu dem wirklichen Menschen Rudolf Steiner hergestellt werden sollte. Dafür zwei Beispiele: Rudolf Steiner schrieb die Geheimwissenschaft (GA 13) u.a. nachts im Bette sitzend. Dabei passierte es ihm, dass das Tintenfass umfiel und die Tinte ins Bett floss. Am anderen Morgen erschien er bei Wiesel, um ihr das Malheur in schalkhafter Weise zu verkünden.

Wie bekannt, war Rudolf Steiner sehr wärmebedürftig. Wiesel musste den Eisenofen bis zum Glühen heizen und kam, um zu schauen, ob es nicht zu heiß und gefährlich würde, aber Rudolf Steiner sagte nur: „Es ist grad recht so!‟

Clara Walther wurde von Rudolf Steiner besonders gelobt wegen der Suppen, die sie für ihn kochte, die stundenlang dem Feuer ausgesetzt wurden. So ist es verständlich, dass sie als seine erfahrene Köchin im März 1925 an sein Krankenlager in Dornach gerufen wurde.

Clara Selling hatte 1910 Kurt Walther geheiratet, was an ihrem Wirken für Rudolf Steiner nichts Wesentliches änderte. Mit ihrem Mann hat sie, insbesondere nach dem Hingang Rudolf Steiners 1925, intensiv in der anthroposophischen Arbeit in Berlin gewirkt. Sie fühlte sich verständlicherweise durch ihr Schicksal besonders mit Marie Steiner verbunden, sie war in ihrem Auftrag Klassenleserin. Trotz schwerer Zerstörungen in unmittelbarer Nähe blieb das Haus Motzstraße 17 unversehrt. So konnte die anthroposophische Arbeit in der Wohnung und mit der Bibliothek durch die Kriegs- und Nachkriegszeit getragen werden. Nach dem Tode ihres Mannes 1940 fühlte sie sich allein gelassen, trug aber das Schicksal starkmütig durch. Auf den Tag genau, 21 Jahre nach dem Tod ihres Mannes, am 12. Januar 1961, konnte sie in die geistige Welt zurückkehren.

Peter Tradowsky

Quellen Erwähnungen

N 1926 S. 39
N 1940 S. 19
N 1942 S. 75
N 1948 S. 142
N 1953 S. 75
N 1956 S. 73
N 1961 S. 60
GA 260a und 262 Personenregister

Info

Frau von kurt
Werke: Beiträge in BfA.
Literatur: Lauer, H. E.: Zum 80. Geburtstag von Clara Walther, in: BfA 1955, Nr. 2; Mallin, H.: Festlicher Tag in Berlin, in: BfA 1955, Nr. 4; Blume, H.: Frau Clara Walther 80 Jahre alt, in: MaD 1955, Nr. 31; dies.: Clara Walther, geb. Selling, in: MaD 1961, Nr. 56; Groddeck 1980; Meffert, E.: Mathilde Scholl, Dornach 1991.
Abkürzungen: siehe hier
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