Lothar Vogel

Dr. med. Vogel, Lothar

Arzt, Waldorflehrer.

*19.10.1917, Wonsheim/Rheinpfalz (Deutschland)

✟01.06.1997, Stuttgart (Deutschland)

Lothar Vogel wurde in dem historisch so bedeutsamen Jahr 1917 als Letztes von sechs Geschwistern in ein evangelisches Pfarrhaus in der Rheinpfalz hineingeboren. Die Mutter, Luise Vogel, geb. Weber, stammte selbst aus einer oberhessischen Pfarrersfamilie und zählte zu ihren Vorfahren den romantischen Arzt Gotthilf Heinrich von Schubert (1780-1860). Der Vater, Wilhelm Vogel, lernte die Anthroposophie kennen, gab sein Pfarramt auf und übersiedelte mit der Familie nach Stuttgart. Lothar besuchte nun die Waldorfmutterschule an der Uhlandshöhe von 1926 bis 1936; das humanistische Abitur machte er am Stuttgarter Eberhard-Ludwig-Gymnasium. Den ursprünglichen Wunsch, Archäologie zu studieren, gab er auf und entschloss sich zur Medizin, um dem Dienst an der Waffe zu entgehen und sich im ausgebrochenen Krieg mitmenschlich hilfreich an der Front einsetzen zu können. Das Studium absolvierte er in Prag und Tübingen, wo er mit dem selbst gewählten Thema „Das Bild der Krankheit in der Natur- und Geistesanschauung Goethes‟ promovierte. Er heiratete Gesima Schickler aus Heidenheim; sie hatten zehn Kinder. Von 1945-48 sammelte er erste ärztliche und heilpädagogische Erfahrungen im Heil- und Erziehungsinstitut Eckwälden.

Dann fand er den Ort seines intensivsten Wirkens 1948-61 an der Rudolf Steiner-Schule in Wuppertal. Nach dem großen Vorbild seines Lehrers an der Stuttgarter Waldorfschule, Eugen Kolisko, unterrichtete er in den Oberstufenklassen alle anfallenden Epochen in Anthropologie, Zoologie, Botanik, Geographie, Chemie und bald auch die Wirtschafts- und Sozialkunde. Darüber hinaus stand er der Schule als Schularzt zur Verfügung, widmete sich dem Auf- und Ausbau der heilpädagogischen Arbeit am Ort und betreute als Hausarzt viele Patienten im Umkreis der Schule. Besonders fruchtbar waren seine Anregungen und Anstöße zur heilpädagogischen Arbeit im Wuppertaler Raum. Die Christian Morgenstern-Schule für Sonderpädagogik und das Troxlerhaus als Tagesstätte für Behinderte entstanden aus der engen Zusammenarbeit mit ihm.

Bald dehnte sich seine Wirksamkeit überregional aus. So bereitete er mit Vorträgen in der Volkshochschule Bochum die Gründung der Waldorfschule in Bochum-Langendreer vor, begründete 1957 mit seinen Brüdern das „Seminar für Freiheitliche Ordnung‟, unterrichtete am Stuttgarter Lehrerseminar, wirkte bei der Pädagogischen Sommerwoche in Stuttgart mit und unterrichtete ab 1980 auch an der Akademie für eurythmische Kunst in Dornach.

1961 wechselte er an die Waldorfschule in Ulm und übernahm dort die gleichen Aufgabenbereiche wie in Wuppertal. Wegen eines schweren Autounfalls (1971) und Herzleidens ging er 1975 in die Frühpensionierung. In Bad Boll gründete er nun das sozialwissenschaftlich ausgerichtete Trithemius-Institut. Die letzten zehn Jahre wohnte er in Stuttgart in seinem alten Elternhaus am Bauschweg.

Die beiden lebenslangen Hauptwirkungsfelder Lothar Vogels waren die schon im Ansatz von ihm therapeutisch verstandene Pädagogik der Waldorfschulbewegung und die volkspädagogisch ausgerichteten Sozialfragen. Seine hohe pädagogische Qualität stand völlig selbstverständlich in der Sukzession der ersten Gründungslehrer der Stuttgarter Waldorfschule, die ihn noch selbst unterrichtet hatten. Hinzu kam seine unkonventionelle, schlagfertige Originalität voll sprühenden Humors, die ihn zu einem begeisternden Lehrer machten. Die pädagogische Durchdringung der wissenschaftlichen Oberstufenfächer nährte sich direkt aus dem Strom der Goethe´schen Naturwissenschaft und Poesie. Leicht assimilierte er auch alles, was ihm in der anthroposophischen Sekundärliteratur - gerade auch in der Medizin - lohnenswert erschien. Sein in Ulm niedergeschriebenes Hauptwerk „Der dreigliedrige Mensch‟ ist die literarische Frucht seiner weit gefächerten Interessen und Kompetenzen.

Mit dieser menschenkundlichen Orientierung hing sein großes Engagement für die Neugestaltung der kranken wirtschaftlichen und politischen Gesellschaftsordnung eng zusammen. Als jahrzehntelanger Mitherausgeber der Zeitschrift „Fragen der Freiheit‟ und Mitverantwortlicher des kulturanthropologischen Seminars am Trithemius-Institut gehörte er zu einem Kreis von Sozialwissenschaftlern, Politikern und Wirtschaftlern, die sich insbesondere auf die Soziallehre von Silvio Gesell stützten und sie mit den Sozialideen Rudolf Steiners neu zu fassen versuchten.

In seinen letzten Lebensjahren stand die Menschenkunde einer Kulturanthropologie im Mittelpunkt seines Interesses, doch blieb dieses Manuskript zur Kulturästhetik ein Fragment. Mehr noch als allein in seinen schriftlichen Arbeiten lag Lothar Vogels Wirkung in der unmittelbaren zwischenmenschlichen Begegnung. Er konnte Kräfte, Impulse und Ideale in zahlreichen Mitmenschen und Schülern entfachen, die das Anliegen der in der Waldorfpädagogik gegebenen Mitmenschlichkeit weitertragen werden.

Wolfgang Schad

Ereignisse

22.03.1955 - 30.03.1955: Berufsorientierungskurs

21.07.1956 - 01.08.1956: 6. Öffentliche Pädagogische Arbeitswoche

23.07.1957 - 01.08.1957: Öffentliche Pädagogische Arbeitswoche

19.07.1958 - 30.07.1958: Öffentliche Arbeitswoche

03.06.1960 - 06.06.1960: Medizinisch-Pharmazeutischer Hochschulkurs

03.06.1960 - 06.06.1960: Pfingstfest

27.07.1960 - 04.08.1960: Öffentliche Pädagogische Arbeitswoche :Das Kunstwerk der Menschenbildung Von der Bedeutung der Kunst und des künstlerischen Gestaltens im Ringen um eine neue Erziehungskunst

22.07.1961 - 30.07.1961: Öffentliche pädagogische Arbeitswoche Menschenbild - Menschenbildung

17.11.1961 - 19.11.1961: Wochenendveranstaltung "Vom griechischen Menschenbild zur ästhetischen Erziehung der Gegenwart"

31.12.1961 - 05.01.1961: Arbeitswoche über das erste Lebensjahrsiebt

24.07.1962 - 01.08.1962: 12. Öffentliche Pädagogische Arbeitswoche "Von der Verantwortung des Erziehens vor den Lebensaufgaben des jungen Menschen. Kindheit und Schicksal"

30.12.1962 - 04.01.1963: Arbeitswoche für das Kleinkind

05.01.1963 - 08.01.1963: Tagung für Handarbeitslehrerinnen

04.06.1963 - 09.06.1963: Arbeitswoche für Sozialwissenschaft: Kernpunkte der Sozialen Frage

04.06.1963 - 06.06.1963: Arbeitstage zum 10. Todesjahr von Erich Schwebsch: Grundlagen einer anthroposophischen Ästhetik

27.07.1963 - 04.08.1963: 13. Öffentlliche pädagogische Arbeitswoche: Vom Sinn des Lernens- Verlust und Neugewinnung

08.11.1963 - 10.11.1963: Öffentliche Wochenendveranstaltung: Das Dichterwort als Weg zur Menschenbildung

01.01.1964 - 31.12.1964

25.07.1964 - 02.08.1964: Öffentliche pädagogische Arbeitswoche Moralische Erziehung Bildungs des Willens und Begründung der moralischen Kräfte in der Erziehungskunst Rudolf Steiners

18.10.1964 - 22.10.1964: Interne Pädagogische Herbsttagung Der Rhythmus - Menschenerkenntnis und Unterrichtspraxis

06.11.1964 - 08.11.1964: Öffentliche Wochenendveranstaltung Maß, Zahl und Gewicht in der Kunstgestalt

23.07.1965 - 01.08.1965: 15. Öffentliche Pädagogische Arbeitswoche "Zukunft und Schule, die Lebensfragen der Zeit und die Erziehungskunst Rudolf Steiners"

12.11.1965 - 14.11.1965: Öffentliche Wochenendveranstaltung "Metamorphosen der künstlerischen Phantasie"

19.07.1966 - 28.07.1966: 16. öffentliche pädagogische Arbeitswoche Das Problem des Bösen und die Aufgaben der heutigen Erziehung

03.10.1966: Hochschulwoche Beiträge zur Weltlage

18.11.1966 - 20.11.1966: Öffentliche Wochenendveranstaltung "Nordische Mysterien und Kunstaufgaben der Gegenwart"

01.01.1967 - 31.12.1967

01.01.1967 - 31.12.1967

01.01.1967 - 31.12.1967: Jugendhof Schloß Hausen

21.07.1967 - 30.07.1967: 17. Öffentliche Pädagogische Arbeitswoche Der werdende Mensch als Gesamtwirklichkeit - Aufgabe des Erkennens und des Erziehens

17.11.1967 - 19.11.1967: Öffentliche Wochenendveranstaltung Menschenerkenntnis und Kunstelemente im michaelischen Zeitalter

01.01.1968 - 31.12.1968

24.07.1968 - 01.08.1968: 18. Öffentliche Pädagogische Arbeitswoche Der Lehrer in neuen Herausforderungen und Entscheidungen. Moderne Lernmethoden - Aufbruch in der Jugend - Verantwortung in der Schule

07.10.1968 - 13.10.1968: Hochschulwoche Beiträge zur Weltlage Gestaltungsimpulse des sozialen Lebens: Der christliche Einheits- und der materialistische Zwiespaltimpuls als Grundkräfte unserer Zeit

15.11.1968 - 17.11.1968: Öffentliche Wochenendveranstaltung Von der Kunstanschauung Goethes zur Ästhetik der Geisteswissenschaft

01.01.1969 - 31.12.1969: Öffentliche Pfingsttagung

06.10.1969 - 12.10.1969: Hochschulwoche "Beiträge zur Weltlage" Beiträge zur Weltlage Die Ideologie der Macht und die Macht der Ideologie

14.11.1969 - 16.11.1969: Öffentliche Wochenendveranstaltung "Tod und Neugeburt des Lichtes" Tod und Neugeburt des Lichtes

01.05.1970 - 03.05.1970: Eltern- Lehrertagung "Verantwortung, Aufgaben und Gestalt der Waldorfschule der 70- er Jahre"

08.06.1970 - 14.06.1970: Architekturtagung

23.07.1970 - 31.07.1970: 20. öffentliche Pädagogische Arbeitswoche "Verantwortung , Aufgabe und Gestalt der Schule in den 70 er Jahren. Die gesellschaftliche Bedeutung der Bildung und die Waldorfpädagogik"

13.11.1970 - 15.11.1970: Öffenliche Wochenendveranstaltung "Myterienwege zur ähterischen Welt als Quelle künstlerischer Phantasie"

04.10.1971 - 10.10.1971: Beiträge zur Weltlage "Das Ringen um die Überbrückung. Zerstörungs- und Erneuerungskräfte in Wissenschaft, Kunst und sozialem Leben"

10.10.1971 - 12.10.1971: Öffentliche Herbsttagung "Die Krise des Menschen in der heutigen Zeit"

02.10.1972 - 08.10.1972: Arbeitswoche für Maler, Bildhauer und Architekten "Der Künstler im Zeitalter der Bewußtseinsseele" - der dreidimensionale pysische, der zeweidimensionale seelische und der sphärische Raum

11.11.1972 - 12.11.1972: öffentliche Wochenendveranstaltung "Kunst zwischen Chaos und Kosmos"

28.04.1973 - 01.05.1973: 11. Eltern Lehrertagung "Was können wir unseren Kindern an geistigen und sozialen Kräften in das Leben mitgeben?

18.07.1973 - 26.07.1973: 23. Öffentliche Pädagogische Arbeitswoche "Die Vertiefung der Unterrichtsinhalte zu Kräften neuer geistiger und sozialer Bildung. Vom Auftrag des Lehrers und der Schule in unserer Zeit"

07.12.1973 - 09.12.1973: Öffentliche Wochenendveranstaltung "Form und Feuer - Mysterienwege des Künstlers"

01.01.1974 - 31.12.1974

03.05.1974 - 05.05.1974: 12. Jahrestagung der Freien Waldorfschulen "Lebendige Erziehungskunst-vertiefte Menschenkunde-soziale Mitverantwortung"

25.05.1974 - 31.05.1974: Pfingsttagung "Eurythmie"

10.07.1974 - 18.07.1974: 24. Öffentliche Pädagogische Arbeitswoche "Erziehungskunst aus dem Verstehen der menschlichen Wesenheit"

08.11.1974 - 10.11.1974: Öffentliche Wochenendveranstaltung "Apokalypse und Ichwerdung im künstlerischen Schaffen"

01.01.1975 - 31.12.1975

02.05.1975 - 04.05.1975: Jahrestagung der Freien Waldorfschulen "Lebendig werdende Wissenschaft-Lebendig werdende Kunst-Lebendig werdende Religion" Erziehungskunst und Kulturerneuerung

02.07.1975 - 10.07.1975: 25. Öffentliche Pädagogische Arbeitwoche "Erziehungskunst und Kulturerneuerung. Von neuen Menschheitskräften und der Verantwortung der Schule für die Zukunft"

14.11.1975 - 16.11.1975: Öffentliche Wochenendveranstaltung "Die klassisch-romantische Kulturbewegung, ihre spirituellen Hintergründe und ihre Bedeutung für die Zukunft"

19.11.1976 - 21.11.1976: Öffentliche Wochenendveranstaltung "Die Elemente der Kunst in ihrer Dreigestalt. Aufgaben eines neuen Platonismus"

06.07.1977 - 13.07.1977: 1. Pädagogische Arbeitswoche "Spielen-Lernen-Arbeiten. Wie wird die Schule zum Lebensraum von Kindheit und Jugend?"

18.11.1977 - 20.11.1977: Öffentliche Wochenendveranstaltung "Untergang und Wiedergeburt der keltisch-nordischen Mysterien"

09.10.1978 - 16.10.1978: Michaelitagung für Mitglieder " Die Michaelherrschaft und der Anbruch des lichten Zeitalters "

17.11.1978 - 19.11.1978: Öffentliche Wochenendveranstaltung "Die Weltmission im Geisteskampf der Gegenwart"

16.11.1979 - 18.11.1979: Öffentliche Wochenendveranstaltung: "Phantasie und Imagination im Zeitalter Michaels"

13.04.1980 - 19.04.1980: Ostertagung "Medizinische Wirkprinzipien unter dem Gesichtspunkt rhythmischer Vorgänge"

23.07.1980 - 31.07.1980: 30. Pädagogische Arbeitswoche "Von den Quellen eines erneuerten Lehrerseins - Wirken aus geistiger Welt und Lebensauffassung"

14.11.1980 - 16.11.1980: Öffentliche Wochenendveranstaltung "Die menschlichen Wesensglieder im Reigen der Künste"

19.11.1982 - 21.11.1982: Öffentliche Wochenendveranstaltung zum Thema "Von der Anthropologie Goethes zur Kosmologie Rudolf Steiners"

21.04.1987 - 24.04.1987: Interne Arbeitstagung für Eurythmisten: "Bewegung - Eurythmie - Gleichgewichtssinn"

28.05.1994 - 29.05.1994: Tagung "Schulen privatisieren - ein Dialog über das Warum und Wie"

Quellen Erwähnungen

N 1960 S. 63, 78, 90, 174, 214
N 1961 S. 137, 173, 188, 192
N 1962 S. 182f, 186
N 1963 S. 73, 82, 84f, 175, 185, 190
N 1964 S. 17, 204, 210, 216, 223
N 1965 S. 167, 192, 196
N 1966 S. 44, 50, 72, 129, 194, 202, 206
N 1967 S. 54, 178, 189, 194
N 1968 S. 130, 133, 182, 198
N 1969 S. 19, 116, 120, 175, 184, 188
N 1970 S. 2b, 42, 88, 92, 167, 187, 192
N 1997 S. 193
MaD 1960, Nr. 52, S. 102
Wistinghausen, D. von: Typoskript

Info

Bruder von Hedwig Greiner, Gertrud Hausmann, Irmela Beck, heiratete
Luitgard Schickler, geb. 1921, wohnte in Bad Boll. Brüder Heinz-Hartmut,
Diether
Werke: Das Bild der Krankheit in der Natur- und Geistesanschauung Goethes.
(Diss.), Tübingen 1945; Der dreigliedrige Mensch, Dornach 1967, ³1992; Die
Verwirklichung des Menschen im sozialen Organismus, Stuttgart 1973; als
Herausgeber: Sonnengesänge der Menschheit, Stuttgart 1982, ³1990; Nosos,
Pathos, Ethos, Stuttgart 1997; Beiträge in Sammelwerken, weitere in DD,
EK, FrFr, Stl, WKÄ.
Literatur: Hagemann, E.: Bibliographie der Arbeiten der Schüler Dr. Steiners,
o. O. 1970; Deimann 1987; Vogel, H.-H.: Das Leben - ein Weg,
Schaffhausen 1995; Andres, F.: Abschied von Dr. Lothar Vogel, in: FrFr 1997,
Nr. 243;4 Schad, W.: Lothar Vogel, in: Leh 1997, Nr. 61, auch in: FrFr 1997,
Nr. 245, auch in: Selg, P. [Hrsg.]: Anthroposophische Ärzte, Dornach 2000; Hopp, L.:
Zum Erdenabschied von Dr. Lothar Vogel, in: Stl 1997/98, Nr. 3.
Abkürzungen: siehe hier
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