Trifon Trapesnikov

Professor,Dr.phil. Trapesnikov, Trifon Georgiewitsch

Kunsthistoriker.

*12.04.1882, Moskau (Russland)

✟11.07.1926, Breitbrunn am Ammersee (Deutschland)

(Todestag alte Rechnung)

Trifon Georgiewitsch wurde in eine bürgerliche Moskauer Familie hineingeboren, sein Onkel war einer der reichsten Pelzhändler der Stadt. Nach dem Abschluss der Handelsschule reiste der junge Trifon mithilfe der Förderung des Onkels im Jahr 1900 nach Leipzig, wo er schließlich die kaufmännische Laufbahn aufgab und sich 1902 an der Philosophischen Fakultät der Universität Leipzig einschrieb. In Leipzig lernte er die Pianistin Eugenie Ljubow kennen, die er bald heiratete. Kunstgeschichte wurde zu seiner großen Leidenschaft und er führte das Studium 1903 in Straßburg und Heidelberg weiter; 1909 promovierte er mit einer Arbeit über die Porträtdarstellungen der Mediceer des 15. Jahrhunderts.

Ebenfalls 1903 erfolgte die Begegnung mit dem russischen Grafen V. Subow, der mit ihm in Heidelberg in einen Zirkel von dunklen Okkultisten geriet. Zur selben Zeit allerdings lernte er während eines Aufenthalts in Moskau auch Andrej Belyj kennen, mit dem er zeitlebens befreundet blieb; wenig später in Paris begann die gleichfalls lebenslange enge Freundschaft mit Margarita Woloschina-Sabaschnikowa, die ihn als „Mitsuchenden‟ erkannte. Doch war es Graf Subow, der sich nun für die Theosophie Rudolf Steiners interessierte und Trapesnikov um 1908 die Gelegenheit bereitete, mit Rudolf Steiner ein erstes persönliches Gespräch zu führen, in dem er Unterweisungen zur Selbsterkenntnis empfing. Er trat daraufhin in die Theosophische Gesellschaft ein. In den Jahren nach 1911 setzte sich Trifon Georgiewitsch in seinen Wohnorten München und Moskau mit ganzer Kraft für die anthroposophische Arbeit ein; in München begann er mit der russischen Übersetzung des Buchs „Die Geheimwissenschaft im Umriss‟ , in Moskau gehörte er nach 1918 zu den Mitbegründern der Gruppe „Michail Lomonosow‟, die sich aus dem älteren, traditionelleren anthroposophischen Arbeitskreis „Wladimir Solowjow‟ mit Billigung Rudolf Steiners herauslöste.

1913 war Trifon Georgiewitsch nach Trennung seiner Ehe nach Dornach gezogen, wo er bei den Malarbeiten im ersten Goetheanum half. Er hielt kunstgeschichtliche Vorträge. Mithilfe von Trapesnikovs umfangreicher Lichtbildersammlung konnte Rudolf Steiner 1915 seine Vortragsreihe über die Geschichte der Kunst (GA 292) abhalten.

Im Januar 1917 war Trifon Georgiewitsch gezwungen, den Bau in Dornach zu verlassen, um dem Einberufungsbefehl in die russische Armee nachzukommen. Aus gesundheitlichen Gründen blieb ihm jedoch der Kriegsdienst erspart; nun konnte er sich ganz der anthroposophischen Tätigkeit in seiner Heimat widmen. Gemeinsam mit dem berühmten Kunsthistoriker Igor Grabar wandte sich Trapesnikov nach der Oktoberrevolution 1918 in einer Petition an Lenin, um die Kunstdenkmäler Russlands vor Zerstörung und Plünderung zu retten. Zwischen 1918 und 1924 war er einer der führenden Organisatoren der Bewegung zur Erhaltung der Baudenkmäler. Diese Einrichtung „Narkompros‟ (unter der Leitung der Frau Trotzkis) sorgte für den Fortbestand kultureller Güter während der Revolution und des darauf folgenden Bürgerkrieges und verhinderte Plünderungen des Kulturerbes und die Erfassung der Kunstwerke, die sich im Besitz von Klerus und Privatpersonen befunden hatten. Auf diese Weise konnte beispielsweise das Landgut von Leo Tolstoi, Jasnaja Poljana, gerettet werden. In Moskau arbeitete Trapesnikov in der Abteilung für Schöne Künste des Rumjanzew-Museums, wo er ein Gravuren-Kabinett einrichtete und eine Methode entwickelte, um neue Bestände zu registrieren. Es ist nicht zuletzt seiner ausdauernden und aufopferungsvollen Arbeit zu verdanken, wenn sich heute die russischen Museen in relativ gutem Zustand befinden.

Die harten Lebensbedingungen in seiner Heimat führten zu einer schweren Herzkrankheit. Trapesnikov konnte im Herbst 1924 nach Stuttgart reisen, um sich dort von den anthroposophischen Ärzten Ludwig Noll und Felix Peipers behandeln zu lassen. 1925 zog er an den oberbayerischen Ammersee nach Breitbrunn um, wo er im Haus von Margareta Morgenstern wohnte; dort war auch der enge Freund Michael Bauer, den Trapesnikov seit 1910 kannte und den er wie einen russischen Starez innig verehrte. In Breitbrunn verstarb er am 11. Juli 1926, nach längerem Leiden, in den Armen von Margareta Morgenstern.

Trifon Georgiewitsch Trapesnikov war ein eher stiller Mensch, der von seinen anthroposophischen Freunden aufrichtig geliebt wurde, weshalb man ihn zum „Garanten‟ der russischen Anthroposophen im Ausland ernannte. Sein Enthusiasmus für das Spirituelle in der Kunst paarte sich mit einer tiefen Neigung für Kult und Ritual, weshalb seine Wohnung mit Ikonen und Ampeln angefüllt war. Das gemeinsame Leben mit seiner Frau erfolgte nach der orthodoxen Tradition und schließlich wollte er noch auf dem Sterbebett die Menschenweihehandlung der Christengemeinschaft übersetzen. Ganz besonders jedoch ist es Trifon Georgiewitsch zu verdanken, wenn die Kulturzerstörung der bolschewistischen Revolution in seiner Heimat Russland in Grenzen gehalten werden konnte.

Markus Osterrieder

Quellen Erwähnungen

N 1944 S. 171
N 1950 S. 107f
N 1955 S. 38
N 1962 S. 14
Sam, M.M.: Eurythmie, Dornach 2014, S. 307, 337

Info

Kunstwissenschafter und Museumsmitarbeiter. Im Institut für Kunstgeschichte
in Sankt Petersburg. Übersetzer der "Geheimwissenschaft". Zuhörer der
Vortragszyklen 1912-13 in Helsingfors.War Garant der russ. Gruppe am
Goetheanum. Spielte in der anthroposophischen Bewegung in Russland eine
führende Rolle. War 1921 Vorsitzender der Anthroposophischen Gesellschaft
in Moskau. 1921 in der Lomonosov-Gesellschaft. War zeitweilig mit der
Eurythmistin Ljubov Isaakovna Krasiltschik verheiratet.
Von Zhemchuzhnikova auf S. 28 erwähnt.
Werke: Die Porträtdarstellungen der Mediceer des 15. Jahrhunderts.
Dissertation, Straßburg 1909; als Übersetzer: Ocherk tajnovedenija
(Die Geheimwissenschaft im Umriss, Moskau 1916, Jerewan ³1992).
Literatur: Fedjuschin, V. B.: Rußlands Sehnsucht nach Spiritualität.
Theosophie, Anthroposophie und die Russen, Schaffhausen 1988, auch in: N
1986, Nr. 13/14; Woloschina, M.: T. G. Trapeznikov (unveröffentlichter
Aufsatz), in: Nachlass M. Woloschina, Stuttgart; Turgenieff, A.: Po povodu
„Instituta istorii iskusstv‟, in: Mosty-Brücken, Nr. 12, München 1966;
Schöffler 1987; Lindenberg, Chronik 1988.
Abkürzungen: siehe hier
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