Walter Vegelahn

Vegelahn, Walter

Pseudonym/Varianten: Walter Stauf

Schauspieler, Stenograph.

*27.11.1880, Berlin (Deutschland)

✟15.03.1959, Berlin (Deutschland)

Walter Vegelahn, dem die Nachschriften von rund 500 Vorträgen Rudolf Steiners zu verdanken sind, wurde 1880 in Berlin als ältester von fünf Brüdern geboren. Sein Vater war „kronprinzlicher Kutscher‟, seine Mutter Schneiderin. Nach Besuch der Realschule musste er auf Wunsch seines Vaters und ganz gegen seinen eigenen Willen eine kaufmännische Lehre in einem Berliner Bankhaus machen. Während er diesen ungeliebten Beruf gewissenhaft erlernte, benutzte er jeden freien Augenblick, um sich entsprechend seinen eigenen Interessen weiterzubilden. Er belegte Kurse, u. a. in der Arbeiter-Bildungsschule, ging in Vorträge über die verschiedensten Wissensgebiete und liebte vor allem das Theater. Durch einen Kollegen auf den Namen Rudolf Steiner aufmerksam gemacht, konnte er u. a. dessen Festrede zum Gutenberg-Jubiläum am 17. Juni 1900 hören und schon vorher im Theaterverein „Freie Volksbühne‟ einen einführenden Vortrag zur Aufführung von Gerhart Hauptmanns „Fuhrmann Henschel‟. Vegelahn wurde Mitglied des 1900 gegründeten Giordano-Bruno-Bundes, wo er Rudolf Steiner persönlich kennen lernte. Von dieser Zeit an besuchte er alle Vorträge Steiners, wo immer ihm dies möglich war. Im Jahr 1902 benutzte Vegelahn die Gelegenheit der Geschäftsauflösung des Bankhauses, in dem er arbeitete, um sich endlich seinem Traumberuf zuzuwenden: Er wurde Schauspieler. In den folgenden Jahren war er an verschiedenen Bühnen tätig und machte auch einige Theatertourneen, u. a. 1907 nach Russland. Als Schauspieler führte er den Künstlernamen Walter Stauf.

Nachdem Rudolf Steiner 1902 die Leitung der Deutschen Sektion der Theosophischen Gesellschaft übernommen hatte, wurde Vegelahn dort Mitglied, obwohl sein Interesse gewiss mehr der Persönlichkeit Steiners galt als der Theosophischen Gesellschaft. Vor allem interessierten ihn die Themen der öffentlich gehaltenen Vorträge. Nun kam ihm zugute, dass er in seiner Berufsausbildung stenographieren gelernt hatte. Er begann damit, während der Vorträge stenographische Notizen zu machen und diese Notizen dann zu Referaten auszuarbeiten, um so die Vortragsinhalte an Freunde und Mitglieder weitergeben zu können. Da er ein außergewöhnlich gutes Gedächtnis hatte, hatten diese Referate bald die Qualität fast wörtlicher Mitschriften. Ohne diese Ausarbeitungen von Walter Vegelahn wüssten wir heute nur wenig von Steiners frühen Architektenhaus-Vorträgen, denn das Mitschreiben von Vorträgen war damals nicht organisiert. Erst mit der Begründung des Philosophisch-Theosophischen Verlages im Jahr 1908 wurden von Rudolf Steiner und Marie von Sivers ( Marie Steiner) offizielle Stenographen bestimmt, zu denen selbstverständlich auch Walter Vegelahn gehörte. Durch die mehrjährige Übung hatte er in der Zwischenzeit seine stenographischen Fähigkeiten so weit verbessert, dass er wörtlich mitschreiben konnte. Seine unregelmäßigen Theaterengagements erlaubten ihm häufig als offizieller Stenograph mit auf Reisen zu gehen, zum Beispiel nach Stuttgart, München, Basel, Wien, Bern, Prag und in die skandinavischen Länder.

1915 musste Vegelahn zum Militär einrücken, doch schon bald wurde er dem Chefbüro der kartographischen Abteilung zugeteilt, wo er bis 1919 verblieb. Diese Bürotätigkeit erlaubte ihm, in Berlin zu bleiben und somit weiterhin Vorträge Steiners zu besuchen und mitzuschreiben. Nach dem Krieg blieb er beruflich beim Vermessungswesen und war ab 1920 bis zu seiner Pensionierung im Reichsamt für Landesaufnahme tätig. Daneben engagierte er sich für die Dreigliederungsbewegung und ging wieder mit auf Vortragsreisen. Oft fehlte es ihm an der Zeit, alle Stenogramme auch sogleich zu übertragen.

Vegelahn wird von seinen Freunden als gewissenhaft, unsentimental, hilfsbereit und humorvoll geschildert. Er hatte einen sehr eigenständigen Zugang zur Anthroposophie. Seinem Wesen nach nüchtern und sachlich, war er aller Mystifikation abhold und hielt nichts von Institutionen. Über Jahrzehnte hatte er einen eigenen Arbeitskreis, in dem vorwiegend erkenntnistheoretisch gearbeitet wurde. Es gelang ihm, diese Arbeit ohne Unterbrechung auch während der Verbotszeit 1935-45 weiterzuführen; Furcht war ihm ein Fremdwort. In seiner Arbeit fühlte er sich besonders Carl Unger verbunden, der ihm ein großes Vorbild war. Nach 1945 holte Vegelahn seine während der letzten Kriegszeit in Sicherheit gebrachten Unterlagen nach Berlin zurück, um sie zu ordnen und sie dann der Rudolf Steiner-Nachlassverwaltung zur Verfügung zu stellen.

Walter Vegelahn starb am 15. März 1959 an den Folgen eines Schlaganfalls. Seine Freunde richteten ihm die Trauerfeier aus, denn seine Abneigung gegen Institutionen erstreckte sich auch auf die Kirchen, und er hatte ausdrücklich gewünscht, ohne kultische Zeremonie beigesetzt zu werden.

Ulla Trapp-Geromont

Quellen Erwähnungen

N 1959 S. 121
Literatur: Boegner, K.: Walther Vegelahn, in: MaD 1959, Nr. 49; ders.: Zur Erinnerung an Walther Vegelahn, in: BfA 1959, Nr. 5; Aus Briefen von Marie Steiner-von Sivers, in: BGA 1967, Nr. 17; Groddeck 1980; Gloor, B. T.: Rudolf Steiners riesiges Nachlaßwerk dank Kurzschrift, in: BGA 1982/83, Nr. 78; Wiesberger, H.: Marie Steiner-von Sivers, Dornach 1988; GA 259, 1991; Volkmann, H. v.: Betrachtungen zum Kursus „Eine okkulte Physiologie‟, in: Mst 1992, Nr. 2.
Abkürzungen: siehe hier
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