Johannes Hans Thielemann

Thielemann, Johannes Hans Ernst

Pfarrer in der Christengemeinschaft.

*17.03.1901, Neu-Gröben bei Riesa an der Elbe (Deutschland)

✟25.12.1973, Siegen (Deutschland)

Thielemann war ein typischer Gemeindepfarrer, ein stiller Träger der Impulse der Christengemeinschaft.

Um ihrem einzigen Sohn das Gymnasium zu ermöglichen, zogen Johannes Thielemanns Eltern nach Meißen, wo er das Gymnasium bis zum Abitur absolvierte. 16-jährig begegnet er Rudolf Steiner. Im Januar 1921 wurde er Mitglied der Anthroposophischen Gesellschaft. Nach einem chemotechnischen Studium ging er nach Stuttgart. Dort brachte er dem gehörlosen Walter Rau und seiner Frau Lola die Anthroposophie nahe (er wurde selber im höheren Alter fast taub) und befreundete sich auch mit Monika von Miltitz und Heinz Thiersch. Im Hause Emil Molt war er fast ein Sohn. Rudolf Grosse sagte von ihm: „Wir haben ihn vor allem in Koberwitz erlebt. Er war von der älteren Generation aus wie eine Zugangsleiter zu uns jüngeren. Eine kraftvolle Persönlichkeit! Sein Mitleben mit den Plänen und Zielen der anderen geschah, ohne Lehren moralischer Art zu geben. Das war vorbildlich.‟ Am 1. September 1923 wurde er durch Johannes Werner Klein geweiht, zusammen mit Josef Kral und Gustav Spiegel. 1938 heiratete er Ursula von Derschau (1908-71); zwei Kinder wurden ihnen vor dem Krieg geboren. Bis zum Nazi-Verbot der Christengemeinschaft 1941 wirkte er in den Gemeinden Frankfurt, Darmstadt, Hannover und Herford; nach dem Krieg in Esslingen und ab 1949 (zunächst zusammen mit Heinrich Rittelmeyer, später Ursula von Rechenberg, Andreas Weymann und Christoph Simon) in Wiesbaden, seiner „eigentlichen‟ Gemeinde. Dort war er stadtbekannt, er behielt alle Begegnungen sorglich im Gedächtnis und pflegte sie weiter. Im Siegener Altersheim der Christengemeinschaft ist er in der Morgenfrühe der Heiligen Nacht gestorben.

Johannes Thielemann und sein Mitpfarrer Heinz Thiersch gerieten im Sommer 1944 zusammen in russische Gefangenschaft (erst in Minsk, dann im Marsch über Moskau südlich nach Rjasan, bis 1947). Sie bewegten mehr als zwei Jahre die Wort-Schätze der Anthroposophie und der Sakramente. Die Unterernährten kämpften so gemeinsam gegen die Vergesslichkeit an. Mit anderen Gefangenen (Anthroposophen und anderen) gingen sie Faust I und II durch. Johannes Thielemann trat weder durch Vorträge, Bücher noch soziale Gründungen hervor. Seine Stetigkeit bewirkte Zusammenhalt, Treue, spirituell genaue Aufmerksamkeit. Von ihm stammt die legendäre, wohl kürzestmögliche Predigt: „Liebe Christengemeinschaft! Ihr sollt euren Mitmenschen eine Wohltat sein! Ja, so sei es.‟

Frank Hörtreiter

Quellen Erwähnungen

N 1932 S. 196
G 1974 Nr. 4 Todesanzeige
Schöffler 1987, S. 422
Wistinghausen, D. von: Typoskript

Info

War Pfarrer der Christengemeinschaft
Tochter Barbara lebte in Frankfurt/M,
Sohn Reinhard
Literatur: Emil Bock, Briefe, Stuttgart 1968, S. 62; Heinz Thiersch: Aus dem
Leben von J.Th. in: MaB Nr. 57, Ostern 1975, S. 13ff; Ursula von Rechenberg:
J.Th. in: MaD 1974, Nr. 108, S.153 f; Heinz Thiersch: Hans Th. In: N 1974, Nr.
16, 64f; Andreas Weymann: J.T. in: MC, Ostern 1974, S.11ff; Siegfried
Gehlhaar: Die Christengemeinschaft 1924-45, Darmstadt 1992, passim
Abkürzungen: siehe hier
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