Nora Stein-von Baditz

Stein-von Baditz, Nora

geb.: von Baditz

Eurythmistin.

*06.09.1891, Farád (damals Österreich-Ungarn)

✟08.06.1965, Atherlow/Irland (Großbritannien)

Ihre Eltern waren, wie seit Generationen zuvor: der Vater ein großer schlanker Ungar, die Mutter eine zierliche kleine Wienerin. In den Sommern auf dem Lande in der herben, aromatischen Natur Ungarns lernte sie säen, Pferdepflege und -zügeln, Volkslieder und -tänze. Ihr Heimatland gab ihr drei Gaben mit: herzhafte Ursprünglichkeit, tiefes melancholisches Ruhen in sich selbst, mächtige, von Feuerkraft durchpulste Bewegung. Noras Berufsträume bewegten sich zwischen Drama und Tanz. Die erste Begegnung mit Rudolf Steiner fand vor dem Ersten Weltkrieg in Wien statt, wo sie sich aber im dortigen Zweig nicht heimisch fühlte. So fragte Rudolf Steiner sie, ob wohl Berlin weit genug weg sei, und sie wird Mitglied im Berliner Zweig. Das Leben ist für sie reich an Krisen und Prüfungen. Ihr Verlobter, der österreichische Offizier Friedrich Stein, sprengt sich mit seiner Batterie im Ersten Weltkrieg in die Luft, um dem anstürmenden Gegner keinen Vorteil zu bieten. Sie erlebte ihre spätere Ehe mit Walter Johannes Stein so, dass der Verlobte den Bund mit dem Bruder segnend gewollt habe. Die Annalen erwähnen eine Tochter Namens Clarissa. Nach ihrer Dornacher Zeit, in der Nora die Eurythmie erlernte und an den sonntäglichen Eurythmie-Aufführungen vor allem mit Humoresken von Christian Morgenstern auftrat, verlebte sie an der Seite ihres Mannes und ihrer Kollegen in Stuttgart die bedeutungsvolle Zeit des Entstehens der ersten Freien Waldorfschule. Hierher hatte Rudolf Steiner sie 1919 als Eurythmielehrerin gebeten und hier entwickelte sie zusammen mit Elisabeth Baumann unter Rudolf Steiners ständiger Hilfe die pädagogische Eurythmie. Zur Ausbildung in derselben hatte Steiner sie auf ihre diesbezügliche Frage hin für einen Monat in die Hilfsklasse zu Karl Schubert als Hospitantin geschickt.

Sie nahm an der Weihnachtstagung 1923/24 teil.

Ihre Tätigkeit als Lehrerin war in allen Altersstufen glücklich und fruchtbar, sie meisterte Klassen mit über 50 Schülern. In den Lehrerkonferenzen schilderte sie Phänomene, deren Bedeutung ihr blitzschnell aufgehen konnte, wodurch sie wiederum zündend auf ihre Kollegen wirkte. 1933, noch vor dem Schulverbot, riss ihr Schicksal sie vom eigenen Heim und ihrem Tätigkeitsfeld los. Sie wirkte in England, in der Schweiz und in Holland (u.a. nach 1945 im Tessin Rot-Kreuz-Jugendliche aus dem Hafengebiet des zerbombten Rotterdam in Eurythmie unterrichtend) als Künstlerin und Waldorfpädagogin aus ureigenen schöpferischen Impulsen. Noch 1956 arbeitet sie mit dem Kollegium der Freien Schule in Den Haag bis zu ihrer Krankheitsbehinderung.

Als Ausbilderin besaß sie die Gabe, künstlerische Fähigkeiten zu wecken und zu stärken. Ihre eigenen literarischen Erzeugnisse sind getragen von innerlich erlauschter, eigengeprägter Sprache und ihre Schriften über und für die pädagogische Eurythmie inspirieren noch heute den Leser zu Fantasie-Entwicklung, Begeisterung und Verständnis für die Schularbeit. Gern hätte sie noch die nordischen Länder selbst kennen gelernt, doch ihr Schicksal führte sie nach Irland, wo die stark von Zukunftsimpulsen Erfüllte, nach schwerer Krankheit Genesene, doch abberufen wurde. Nora von Baditz hat sich lebenslang um die Verbindung von Besonnenheit und Enthusiasmus bemüht.

Margareta Habekost

Quellen Erwähnungen

N 1928 S. 96
N 1931 S. 156
N 1954 S. 196
N 1965 S. 211
Sam, M.M.: Eurythmie, Dornach 2014, S. 11, 102f, 129, 143, 145,
154, 161f, 213f, 268, 318ff, 325, 327, 336
GA 263/1 Hinweis 20, S. 261

Info

War mit Friedrich Stein verlobt, heiratete nach seinem Tod seinen Bruder
Walter Johannes. Eurythmistin, wirkte bei der Ausarbeitung der ersten
Standardformen 1918-1920 und bei der ersten öffentlichen Eurythmie-
Aufführung im Februar 1919 in Zürich mit. Ab Dezember 1919 Eurythmie-
Lehrerin an der Waldorfschule. Tochter Clarissa Johanna wurde von
R. Steiner getauft, War Teilnehmerin der Weihnachtstagung. Beim
Lauteurythmiekurs sprach sie Ungarisch vor. Bis 1933 in Stuttgart,
dann in England, war auf der Bühne von R. Steiner Hall. Nach Trennung
arbeitete in England, Schweiz, ab 1951
an der Waldorfschule Den Haag, letzte Jahre in Irland bei der Tochter, Clarissa
Müller. Autorin
Werke: Eine Legendensammlung, in: Aus Michaels Wirken, Stuttgart 1929,
1988 (6.Aufl.); Ascona, in: Erinnerungen an Ita Wegman, Arlesheim 1945;
Was braucht das kleine Kind? Arlesheim o. J., Stuttgart 1967 (4. Aufl.);
Erinnerungen an Rudolf Steiner, in: Eurythmie in Kunst, Pädagogik, Stuttgart
1956; Über die pädagogische Eurythmie, Den Haag [1958], Zeist ²o. J.;
Augen, die sehend wurden, Stuttgart 1960; Anregungen für den Eurythmie-
Unterricht, Zeist o. J. (5 Auflagen); Ausgewählte Gedichte, Zeist o. J.
(2 Auflagen); Einiges über die Eurythmie-Kurse, o. A.; Das kleine Kind, o. A.;
Der Norden, o. A.: Ostgotenschicksal, o. A.; Die rote Rose und die weiße
Lilie, o. A.; Das wahre Zeitgeschehen, o. A.; Im Dienste des Gral, Stuttgart
o. J.; Die Mitte o.A.; Worte Rudolf Steiners über das kleine Kind, o.A.; Auf
der Suche, o.A.; Für die Suchenden, o.A.; Aus der Eurytnhmiearbeit in
Dornach und in der Waldorfschule in Stuttgart , in: Beltle/Vierl 1979,
S. 276 ff; Übersetzungen ins Englische, Niederländische und Spanische
erschienen; Beiträge in EK und MaD.
Literatur: [Kügelgen v., H.; Sembdner, H.:] Pädagogische Eurythmie, in: EK
1959, Nr. 6; autobiografisch: Aus der eurythmischen Arbeit in Dornach und
Stuttgart, in: MaD 1975, Nr. 111; Hahn, H., Muller, E.: Nora Stein-von
Baditz, in: Husemann, G., Tautz, J.: Der Lehrerkreis um Rudolf Steiner,
Stuttgart 1977; Schöffler 1987; Schubert, I.: Selbsterlebtes im
Zusammensein, Dornach 1989; Grimm, R. [Hrsg.]: Neues kommt nicht von
selbst, Dornach 1999; Plato, B. v. [Hrsg.]: Anthroposophie im 20.
Jahrhundert, Dornach 2003.
Abkürzungen: siehe hier
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