Gotthard Starke

Dr. med. Starke, Gotthard

Arzt, Musiker, Heilpädagoge.

*22.04.1909, Grünberg, Schlesien (damals Deutschland)

✟21.02.1987, Bingenheim (Deutschland)

Gotthard Starke wirkte für die anthroposophische Heilpädagogik, ihren Sozial- und Kulturimpuls jahrzehntelang von Schloss Bingenheim bei Friedberg/Hessen aus - später der Lebensgemeinschaft Bingenheim - mit starker überregionaler Wirksamkeit. Er begründete den Verlag und die Zeitschrift „Das seelenpflegebedürftige Kind‟ und setzte sich unter anderem intensiv für den Aufbau einer bundesweiten Zusammenarbeit innerhalb der anthroposophischen Heilpädagogik ein durch Mitbegründung der Vereinigung der Heil- und Erziehungsinstitute für seelenpflegebedürftige Kinder, aus der sich später der Verband anthroposophischer Einrichtungen für Heilpädagogik, Sozialtherapie und soziale Arbeit entwickelte.

Gotthard Starke wurde als zweiter von drei Söhnen einer Lehrerfamilie in Grünberg/Schlesien geboren. Zeitlebens sprach er mit großer Dankbarkeit und Achtung von seinem Elternhaus. Wesentliche Kindheitseindrücke sind die Begegnung mit der Musik, dem Theaterspiel, aber auch die Enttäuschung seines religiösen Suchens durch die Konfirmation. So wandte er sich der Jugendbewegung (Wandervogel) zu und fand durch den älteren Bruder Georg zu einer ersten Begegnung mit der Anthroposophie. Nach dem Abitur begann er in Berlin ein Studium der Philosophie, Geschichte und Musik, das er 1932 mit dem Staatsexamen in Musik abschloss. Er tauchte stark in das besondere geistig-kulturelle Klima Berlins zwischen Ost und West ein, erlebte aber dennoch, dass dort in der damaligen Zeit ein freies künstlerisches Wirken nicht möglich sein würde und ging - wiederum durch den Bruder vermittelt - nach Hamborn, wo er, im heilpädagogischen Zusammenhang unterrichtend, musikalisch und praktisch-pflegerisch tätig wurde.

Durch zwei für ihn lebensbestimmende Begegnungen in Hamborn - zum einen mit Ita Wegman und ihren therapeutischen und sozialen Impulsen, zum anderen mit der dort tätigen Ärztin Waltraut Hoffmann - fühlte sich Gotthard Starke im Hinblick auf eine spätere Tätigkeit innerhalb der Heilpädagogik zum Medizinstudium motiviert, das er in Berlin und Breslau absolvierte und 1941 mit dem Staatsexamen abschloss. 1942 erfolgte die Heirat mit Waltraut Hoffmann und zugleich die Einberufung zur Wehrmacht, die ihn als Truppenarzt nach Pommern, Bulgarien und Makedonien führte.

Nach Kriegsende fand er mit seiner Frau und den inzwischen geborenen Kindern Michael und Martina zunächst eine Bleibe in Horn am Bodensee. Von hier aus und nach der Promotion in Marburg suchte er intensiv nach einem neuen heilpädagogischen Wirkensfeld und fand dies zunächst in Rittershain bei Bebra in einer Arbeit mit Kriegswaisen. Bald schon ergab sich die Notwendigkeit, nach einem neuen und geeigneteren Anwesen zu suchen, und so siedelte die Gemeinschaft im Sommer 1950 in das Schloss des hessischen Dorfes Bingenheim um. Hier musste unter äußerst bescheidenen Verhältnissen der äußere und innere Aufbau geleistet werden, wobei sich der Schwerpunkt zur Heilpädagogik verschob. Außer der Schul- und Lebensgemeinschaft entstanden dort nach und nach zahlreiche Werkstätten wie auch eine Gärtnerei und kleine Landwirtschaft.

Gotthard Starke war innerhalb der von ihm mit impulsierten Lebensgemeinschaft nicht so sehr und nur der fachlich kompetente Mediziner, vielmehr war es die besondere Art seines Umganges mit den heilpädagogischen Kindern, seine enorme heilpädagogische Detailkompetenz und sein Sinn für eine ästhetische Gestaltung und Kultur des Alltags, die sein Wirken besonders charakterisierten.

Heilpädagogische Einrichtungen sollten nach seinem Verständnis zugleich Inseln des kulturellen Lebens sein. Mit seinen musikalischen Fähigkeiten als Pianist, Leierspieler, Komponist und Begleiter bei vielen Eurythmieproben regte er das künstlerische Leben und die Gestaltung der Jahresfeste in Bingenheim an. Die Bingenheimer Pfingsttage waren 1952-76 überregional ausstrahlende kulturelle Ereignisse. Dabei wurzelte Starkes Einsatz für künstlerisch-kulturelle Lebensgestaltung nie im rein Ästhetischen, sondern vielmehr in einer religiös- spirituellen Lebenshaltung, die ihn auch zur Bildung eines überregionalen Verantwortungskreises für die Pflege des religiösen Lebens in der Heilpädagogik und Sozialtherapie, zum Engagement für die Aufgaben der Anthroposophischen Gesellschaft in Deutschland sowie die Zusammenarbeit mit der Medizinischen Sektion am Goetheanum führte. Wesentliche Freundschaften verbanden ihn mit Kurt-Theodor Willmann, Albrecht Strohschein und Immanuel Voegele.

In persönlicher Hinsicht hatte Gotthard Starke 1958 den Tod seiner Frau und ein Jahr später den des Töchterchens Alma hinzunehmen. Mit Ina Starke-Conradski, seit 1960 Eurythmistin in Bingenheim, gewann er eine neue Lebenspartnerin für viele fruchtbare Jahre des gemeinsamen heilpädagogischen, künstlerischen und sozialen Wirkens.

Mit verschiedenen Initiativen zur Zusammenarbeit und Sozialgestaltung griff Gotthard Starke seiner Zeit voraus. So erkannte er früh die Bedeutung der Zusammenarbeit mit den Eltern und Angehörigen behinderter Menschen und setzte hierzu entscheidende Impulse. Er wirkte wesentlich mit bei der Begründung und Ausgestaltung des „Lauenstein Sozialfonds‟, eines überregionalen Hilfsvereins für in Not geratene Mitarbeiter. Seine Initiative zur Gründung eines eigenen Fachverbandes und anderer überregionaler Arbeitsformen sowie von Zeitschrift und Verlag wurde bereits erwähnt.

Als Gotthard Starke am 21. Februar 1987 nach längerer Krankheit im Kreise seiner Familie und Freunde in der Lebensgemeinschaft Bingenheim ruhig über die Schwelle ging, konnte er auf eine erfüllte Lebenswirksamkeit nach innen und außen zurückblicken.

Angelika Gäch

Ereignisse

29.12.1950 - 08.01.1951: Kurs im Landschulheim

01.01.1952 - 31.12.1952: Vereinigung der Heil- und Erziehungsinstitute

01.01.1952 - 31.12.1952: Vereinigung der Heil- und Erziehungsinstitute

01.01.1954 - 31.12.1954: Das Seelenpflege-bedürftige Kind

14.10.1954 - 18.10.1954: Heilpädagogische Arbeitszusammenkunft

01.01.1955 - 31.12.1955: Die Halbjahresschrift "Das seelenpflegebedürftige Kind"

22.05.1960 - 26.05.1960: 1. Heilpädagogische Tagung

17.03.1962 - 18.03.1962: 33. Elterntreffen

08.10.1962 - 14.10.1962: Interne Tagung für Heilpädagogen "Atmung"

29.10.1963 - 03.11.1963: Tagung und Generalversammlung: Anthroposophie als heilender Zeitimpuls

01.01.1964 - 31.12.1964: Heilpädagogischer Initiativkreis

18.10.1964 - 24.10.1964: Interne Tagung für tätige Heilpädagogen "Die Wärme in der Erkenntnis und in der Behandlung des seelenpflegebedürftigen Kindes"

17.10.1965 - 24.10.1965: Öffentliche Jahrestagung und Mitgliederversammlung "Zukunftsperspektiven der Menschheit"

01.01.1966 - 31.12.1966

12.11.1966 - 16.11.1966: Mitgliederversammlung und Jahrestagung

21.01.1967 - 22.01.1967: Öffentliche heilpädagogische Tagung Heilpädagogik als Arbeit am Schicksal

15.04.1967: Wochenendveranstaltung Heilpädagogik als Arbeit am Schicksal

01.01.1968 - 31.12.1968: Gebietstagung des Arbeitszentrums Stuttgart

01.01.1968 - 31.12.1968: Heilpädagogik heute

01.01.1968 - 31.12.1968: Herbsttagung

29.03.1968 - 31.03.1968: Wochenendveranstaltung

29.03.1968 - 31.03.1968: Öffentliche Wochenendveranstaltung Das seelenpflegebedürftige Kind - eine Schicksalsfrage unserer Zeit

20.10.1968 - 26.10.1968: Interne Tagung für tätige Heilpädagogen "Die Bewegung als Ausdrucksform des Kindes und als Mittel zu seiner Behandlung"

27.12.1968 - 05.01.1969: Berufsorientierungskurs

01.01.1969 - 31.12.1969: Einweihung der Karl Schubert Schule Stuttgart

20.06.1969 - 22.06.1969: Jahrestagung Phantasie - zukunftschaffende und heilende Kraft des Menschen

19.10.1969 - 26.10.1969: Interne Fortbildungswoche für tätige Heilpädagogen

30.03.1970 - 05.04.1970: Lehrgang "Mitarbeiterführung in Heimen für Seelenpflege-bedürftige Kinder und Jugendliche"

17.10.1971 - 24.10.1971: Fortbildungslehrgang für Heilpädagogen "Plastisch-bildnerische und musikalisch-sprachliche Kräfte als Grundlage der künstlerischen Therapie"

07.10.1973 - 11.10.1973: 7. Tagung für im pflegerischen Bereich Tätige "Das Pflegerische"

06.06.1974 - 09.06.1974: Mitgliederversammlung und Tagung "Anthroposophie und das Rätsel der Freiheit"

01.01.1975 - 31.12.1975

22.06.1977 - 30.06.1977: 27. Öffentliche Pädagogische Arbeitswoche "Die soziale Zukunft der Menschheit als Erziehungsfrage. Menschenbildung aus den Gesetzen moralischer und geistiger Entwicklung"

14.06.1978 - 22.06.1978: 28. Pädagogische Arbeitwoche "Der Lehrer im Bewußtseinswandel unserer Zeit. Vermenschlichung von Wissenschaft und sozialem Leben durch Erziehung"

04.10.1980 - 11.10.1980: Interne Tagung für Heilpädagogen und Sozialtherapeuten " Die Gegenwartsaufgaben der anthroposophischen Heilpädagogik und Sozialtherapie: Seelenpflege als Dienst an Mensch und Menschheit"

05.10.1982 - 10.10.1982: Interne Tagung für Heilpädagogen und Sozialtherapeuten zum Thema "Schicksalsgestaltung durch Erkraftung der Seele in Bewegung, Sprache und Arbeit"

Quellen Erwähnungen

N 1966 S. 42
N 1967 S. 18, 45, 78
N 1968 S. 122, 204f
N 1969 S. 24, 60
N 1970 S. 51, 104
MaD 1952 Nr. 22, S. 199
Werke: Mit Vierl, K.: Denkschrift. Heilpädagogik auf anthroposophischer Grundlage, Bingenheim o. J.; Der Kulturimpuls der Anthroposophie und der anthroposophisch - heilpädagogische Impuls - in: Der Kulturimpuls der anthroposophischen Heilpädagogik, Bingenheim 1979; Sappho-Lieder für Singstimme und Sopranleier, Wuppertal 1987; mit Schwedeler, E.: Alte Weihnachtslieder mit neuen Leiersätzen, Bingenheim 1975; Beiträge u. 1 Musikbeilage in SbK, weitere in BeH, CH, EK, G, N, SHS, WKÄ.
Literatur: Vorstand am Goetheanum, Gotthard Starke zum 75. Geburtstag, in: N 1984, Nr. 17; Willmann, K. T.: Zum Geburtstag von Gotthard Starke, in: MaD 1984, Nr. 148; Starke, I.: Gotthard Starke, in: MaD 1987, Nr. 160; Wilmar, F., Glaser, H.: Gotthard Starke, in: SHS 1987, Nr. 2; Willmann, K. T.: Gotthard Starke, in: N 1987, Nr. 47, auch in: Selg, P. [Hrsg.]: Anthroposophische Ärzte, Dornach 2000.
Abkürzungen: siehe hier
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