Direktor, Dipl.Ing. Schweppenhäuser, Hans-Georg
Unternehmer, Sozialwissenschaftler.
*12.09.1898, Groß-Bundenbach bei Zweibrücken (Deutschland)
✟27.02.1983, Freiburg/Br. (Deutschland)
Hans-Georg Schweppenhäuser wurde auf einem pfälzischen Bauernhof geboren, in der väterlichen Ahnenreihe gab es viele Lehrer und Pfarrer. Als Ältester von vier Geschwistern hatte der Bub zunächst tüchtig auf dem Hof mit anzupacken. Dann besuchte er von 1910 bis 1916 das Gymnasium in Homburg und Zweibrücken. 1916 wurde er zum Kriegsdienst eingezogen und erlitt vor Verdun eine Gasvergiftung, die einen längeren Aufenthalt im Lazarett erforderte. 1919 als Leutnant entlassen, studierte er Maschinenbau und Elektrotechnik an der Technischen Hochschule in Darmstadt und München. Bereits 1922 begann er seine berufliche Laufbahn als Betriebsingenieur und Direktionsassistent in den Röchlingschen Eisen- und Stahlwerken in Völklingen, Saar. Ein Jahr später wurde er Betriebs-Oberingenieur und Direktionsassistent bei der Schleswig-Holsteinischen Elektrizitätsversorgungs-GmbH in Rendsburg.
1925 wurde er als Geschäftsführer der neu gegründeten Vereinigten Großkraftwerke mit dem Ausbau des Hochspannungsnetzes in Schleswig-Holstein betraut, eine Aufgabe, die er von 1934 an als Vorstandsmitglied der Schleswig-Holsteinischen Stromversorgungs-AG weiterführte, sich um den Zusammenschluss der etwa 500 kleinen ländlichen, privaten und städtischen Elektrizitätsgenossenschaften in einer zentralen Versorgungsgenossenschaft, der Schleswig AG, bemühend. Diese praktischen Erfahrungen halfen ihm später in seinen Arbeiten über das Genossenschaftswesen und den Assoziationsgedanken in der zukünftigen Wirtschaftsordnung.
In Rendsburg traf er 1925 seine zukünftige Lebensgefährtin, Elfriede Wackerhagen. 1927 heirateten sie, der Ehe entstammten drei Söhne und eine Tochter.
Mitte der 20er-Jahre begegnete Hans-Georg Schweppenhäuser der Anthroposophie und kam mit der Christengemeinschaft in Berührung. Als er 1928 Johannes Hemleben zu mehreren Vorträgen einlud, begann eine lebenslange Freundschaft. 1931 wurde Schweppenhäuser Mitglied der Anthroposophischen Gesellschaft. Die Verbindung von der Anthroposophie und der Christengemeinschaft lag ihm bis zu seinem Lebensende am Herzen.
Wegen der versorgungswirtschaftlichen Aufgaben für das Land Schleswig-Holstein wurde Schweppenhäuser vom Kriegsdienst freigestellt. Doch erst nach 1945 konnten seine Initiativen wieder voll einsetzen. Gleich nach Kriegsende ging er mithilfe einer im Keller seines Hauses stehenden Druckmaschine und mit seiner ganzen Familie daran, die Evangelienbetrachtungen und -übersetzungen von Emil Bock in neuer Auflage herzustellen und sie nach Stuttgart zu transportieren. Bücher waren damals eine Rarität.
Neben Hilfsbereitschaft und Mitgefühl sind sein Mut und seine Entschlossenheit hervorzuheben. 1938 konnte er zwei Menschen jüdischer Abstammung vor dem sicheren Tode retten, indem er sie in einen Monteuranzug des Elektrizitätswerks steckte und ihnen bei einem angeblichen Kontrollgang der Leitungen an der dänischen Grenze dazu verhalf, ins benachbarte Dänemark zu entkommen. In den letzten Wochen vor dem Kriegsende wurde er bei vielen staatlichen Stellen und militärischen Instanzen bis hin zum Oberkommando der Wehrmacht vorstellig, um die Sinnlosigkeit eines Widerstandes darzustellen und auf die schwersten Nachteile für das mit Flüchtlingen überfüllte Land hinzuweisen. Bekanntlich war mit diesem Einsatz das Risiko gegeben, wegen Defätismus sofort erschossen zu werden.
Unmittelbar nach Kriegsende wurde er durch die britische Besatzungsmacht zum Haupt-Energie-Beauftragten für Wasser, Gas und Elektrizität für das Land Schleswig-Holstein ernannt und später bei der Landesregierung in Kiel zum Energiereferenten berufen. Er blieb in dieser Tätigkeit im Rahmen der Schleswag bis zum Jahre 1954. In dieser Zeit setzte sich Schweppenhäuser für die Christengemeinschaft und die Anthroposophie ein. In Kiel und Rendsburg wurden die Gemeinden mit seiner sachlichen und ratenden Hilfe aufgebaut und in den Jahren 1949/50 konnte er in Rendsburg die Gründung der ersten Freien Waldorfschule des Landes mithilfe der erfahrenen Pädagogin Hildegard Froebe-Meyer und mit Lehrern der verbotenen Waldorfschule Dresden realisieren. 1950 begann der Bau der Schule durch den Architekten Felix Kayser, was einen Anfang der Bautätigkeiten der Waldorfschulen in Deutschland bedeutete. Auch im Fortgang der Schule half Schweppenhäuser entscheidend als Vorsitzender des Schulvereinsvorstandes. In den Jahren 1950-1953 ermöglichte er auch die Einrichtung eines Laboratoriums zur Grundlagenforschung über die Pfeiffersche Kupferchlorid-Kristallisationsmethode durch Oleg Selawry.
Ein neuer, wesentlicher Abschnitt im Leben von Hans-Georg Schweppenhäuser begann im Jahre 1954, als er mit seiner Familie nach Berlin zog, um, durch Franz Schily vermittelt, die Stelle als technischer und kaufmännischer Leiter der Verkaufsniederlassung des Stahlwerkbüros „Bochumer Verein‟ anzutreten. Ein ganz neuer Wirkungskreis eröffnete sich ihm inmitten des dramatischen Ost-West-Gegensatzes. Er diskutierte mit Gruppen in Ost und West und begann zu schreiben. Es entstanden die Schriften „Berlin - offene Stadt‟, ein leidenschaftlicher Versuch, die Idee der europäischen Mitte wieder aufleuchten zu lassen, und „Die Teilung Deutschlands als soziale Herausforderung‟. Das Altersheim Christophorus, das Therapeutikum und die Eurythmieschule in Berlin verdanken ihm Entstehung bzw. Ausbau, wobei Friedel Schmidt entscheidende Hilfe leistete.
Als er 1963 in den Ruhestand trat, konnte er sich ganz dem anthroposophisch-sozialwissenschaftlichen Impuls widmen - er war durch 20 Jahre ein tragender Mitarbeiter im „Heidenheimer Arbeitskreis‟. Er gründete das sozialwissenschaftliche „Institut für soziale Gegenwartsfragen e.V.‟, dessen Leiter und Dozent er - wiederum 20 Jahre - bis zu seinem Tode blieb. Die durch Jahrzehnte erarbeiteten Grundlagen der Sozialwissenschaft konnte er jetzt in Form von sozialwissenschaftlichen Kursen, Vorträgen und in zahlreichen Veröffentlichungen, Büchern, Aufsätzen oder Fallstudien vermitteln. Das Institut war als Forum für jüngere Menschen gedacht, in dem die Ideen der Dreigliederung des sozialen Organismus (GA 24, 334, 338) und vor allem des Nationalökonomischen Kurses (GA 340) Rudolf Steiners erarbeitet und zur Diskussion in die Öffentlichkeit getragen werden konnten. In unzähligen Seminaren und Vorträgen stellte er seine sozialwissenschaftlichen Arbeiten vor und versuchte die Interessierten aus ihren Denkgewohnheiten herauszuführen.
Ein erneuter Wohnungswechsel nach Freiburg im Jahre 1975 führte zu einer intensiven Zusammenarbeit mit Herbert Hillringhaus, in dessen Zeitschrift „Die Kommenden‟ er über aktuelle politische, ökonomische und soziale Fragen publizierte. Beide gründeten das Studienwerk „Bausteine für eine Soziale Zukunft‟. Zeitweise wirkte er auch in der Sektion für Sozialwissenschaft am Goetheanum mit, jedoch seine Hoffnungen, von Freiburg aus in engerer Zusammenarbeit mit der Sektion arbeiten zu können, fanden keine Erfüllung.
Seine Schriften sind mit starkem inneren Engagement geschrieben. Durch seine lebenslange Arbeit mit den Steinerschen Kernpunkten der sozialen Frage (GA 23) und deren Anwendung hatte er einen Wirklichkeitssinn entwickelt, der ihn befähigte, die Entwicklungstendenzen des sozialen Lebens in realistischer Weise zu beschreiben.
Noch im letzten Lebensjahr, bis ins Tiefste erschüttert über das unvorstellbare Ausmaß der Zerstörung, das ein Krieg mit thermonuklearen Waffen hervorrufen würde („Besinnung auf der Grenze zwischen Entsetzen und Aufschrei‟, G 1982, Nr. 32), rief er mit beschwörenden Worten zu einer „Alternative‟ auf, indem er nochmals zwei Rundbriefe verfasste, den letzten im Dezember 1982, in denen er konkrete Gedanken für eine Alternative erarbeitet hatte.
Die größeren Schriften beziehen sich auf die Eigentumsfrage, ein neues Eigentums- und Erbrecht am Boden, Produktionsmittel und Kapital; die Geldfrage, die Umgestaltung von Lohn- und Gehaltssystem durch ein gerechtes Teilungsverhältnis; die soziale Frage („das soziale Rätsel‟), die Entwicklung der Betriebsverfassung auf der Grundlage der Solidarität zwischen Arbeitsleitern und Arbeitsleistern; die Schulung in Bezug auf die Assoziationen als Ordnungsorgane der Wirtschaft. In den Schriftreihen: Bausteine für eine soziale Zukunft, Fallstudien, Sozialwissenschaftliches Studienmaterial, wurde breites Material zu den brennenden sozialwissenschaftlichen Fragen der Zeit dargelegt und dazu Stellung bezogen. Hans-Georg Schweppenhäuser verstarb am 27. Februar 1983.
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