Paul Schatz

Ingenieur Schatz, Paul

Bildhauer, Techniker, Erfinder.

*22.12.1898, Konstanz (Deutschland)

✟07.03.1979, Dornach (Schweiz)

1929 entdeckte Paul Schatz die Umstülpungsbewegung der platonischen Körper. Diese Gesetze für die Kinematik nutzbar zu machen war sein Lebenswerk. Er leistete damit einen besonderen Beitrag zu einer neuen, menschengemäßen und umweltfreundlichen Technik und erhielt zahlreiche internationale Patente.

Geboren in ein jüdisches, gutbürgerliches Elternhaus, verbrachte er zusammen mit seiner zwei Jahre älteren Schwester Gertrud eine behütete Kindheit. Der Vater, Samuel Schatz, war Kaufmann und im Stadtrat in Konstanz. Die Mutter, Ida, geb. Billigheimer, stammte aus Karlsruhe. Eine der frühesten Kindheitserinnerungen von Paul Schatz war, wie er versuchte mit seinen kleinen Händchen die Rundung seines Hinterkopfes abzutasten. Fürs Erste wurde der Knabe von einem Privatlehrer unterrichtet. Später, auf der Oberrealschule, erhielt er den „Graf-Zeppelin-Preis‟ für die besten Leistungen in Mathematik und naturwissenschaftlichen Fächern.

Zu Beginn des Krieges meldete er sich als Freiwilliger zum Kriegsdienst, wurde aber erst 1917 als Funker eingezogen.

Sein Vater war auch Besitzer einer kleinen Maschinenfabrik und wünschte sich, dass sein Sohn Maschinenbau studiere. So ging er nach München, später nach Hannover, auf die Technische Hochschule, wo er u. a. die philosophischen Vorlesungen von Theodor Lessing (1872-1932) hörte, mit dem ihn bald eine tiefe Freundschaft verband. Das Studium befriedigte ihn jedoch nicht. Mehr Freude erlebte er beim Unterricht in Zeichnen und Malen. Paul Schatz brach sein Ingenieursstudium kurz vor Abschluss ab, ging dann noch einmal für kurze Zeit nach München, wo er ein Semester Astronomie studierte. Dort hörte er im Haus der „Vier Jahreszeiten‟ einen Vortrag von Rudolf Steiner, ohne dass dieser Vortrag einen großen Eindruck auf ihn machte. Er wunderte sich viel eher über die vielen anwesenden Damen mit großen Hüten.

Nach Abbruch seiner Studien begab er sich auf Wanderschaft quer durch Deutschland. In Warmbrunn im Riesengebirge fand er eine Bildhauerschule, wo er sich zum Holzbildhauer ausbilden ließ. Dort hörte er anlässlich eines Lichtbildervortrags zum ersten Mal vom Goetheanum in Dornach - einem Holzbau, der aber kurz zuvor abgebrannt wäre.

An den Bodensee zurückgekehrt, bezog er ein Atelier in einem ehemaligen Palmenhaus in Unteruhldingen und schuf eine Reihe von Plastiken, wobei er das Charakteristische der verschiedenen Hölzer zu erfassen suchte. In Konstanz kam er in Kontakt mit einer aus dem ehemaligen Wandervogel entstandenen anthroposophischen Jugendgruppe. Dort traf er auch seine Lebensgefährtin, Emmy Witt, die zuvor am Dramatischen Kurs Steiners (GA 282) teilgenommen hatte. Als Rudolf Steiner 1925 starb, fuhren die beiden an seine Totenbahre. Im Juni 1926 fand in der Christengemeinschaft die Hochzeit statt, zelebriert durch ihren Freund Arnold Goebel. 1927 zog das junge Paar nach Dornach um. Paul Schatz arbeitete weiter als Bildhauer und erarbeitete sich das Werk Rudolf Steiners, allem voran das naturwissenschaftliche Vortragswerk. Er fand, wonach er gesucht hatte: „Der innerliche Anlass zu meinem Weg zur Anthroposophie war die schon bedachte Entdeckung zweier Bewusstseinsarten. Was mir elementar bei meinem Eintritt in die Warmbrunner Holzschule aufging, fand ich im Werk Rudolf Steiners zu unvergleichlicher Reife durchkultiviert und mit nicht endender Ausführlichkeit für jegliche Lebenssituation des modernen Menschen aufs liebevollste beschrieben.‟ (Autobiografisches, unveröffentlicht) Als Bildhauer erhielt er Aufträge zu Grabmälern in Holz und Stein. Die Beschäftigung mit dem Pentagondodekaeder und seinen zwölf Flächen in Zusammenhang mit dem Tierkreis ließ ihn am 29. November 1929 die Umstülpbarkeit der platonischen Körper entdecken, die er dann vor allem beim Würfel weiterverfolgte. Durch das Gewahrwerden „eines kleinen Bewegungsspiels, das mathematisch als Bewegung mit einem Freiheitsgrad, technisch-kinematisch als zwangsläufige Bewegung bezeichnet wird‟ (Schatz 1998, S. 46), fand er zur Kinematik und damit zum Maschinenbau zurück. Es war ihm sofort bewusst, dass es sich dabei um einen absolut neuen Schritt in der Technik handelte, eine neue Bewegungsart, die rhythmisch-pulsierende Inversion stellte sich neben die Translation und Rotation. Dies war auch ein Schritt von der linearen zu einer rhythmischen Technik. So entwickelte er die Mischmaschine Turbula, die zuerst zum Buttern verwendet wurde. Später folgten andere Anwendungen, so z. B. in der Uhrenindustrie, wo die Maschine dank ihrer schonenden Bewegung zum Entgraten und Polieren feinster Teile zur Anwendung kam. Ein Stipendium der Eidgenössischen Volkswirtschaftsstiftung erlaubte ihm eine zweijährige von finanziellen Sorgen unabhängige Zeit der Ausarbeitung und Forschung.

1937 wurde die Tochter Eva-Maria geboren. 1942 folgte ein Knabe, der jedoch nur einen Tag lebte.Im selben Jahr erschien in der von Arnold Kübler neu begründeten und bis heute erscheinenden Monatszeitschrift „Du‟ ein Artikel über den umstülpbaren Würfel unter dem Titel „Das Unbekannte‟. Die Fotos dazu stammten von Werner Bischof.

Die Entwicklung der Turbula zu einer auch bei großen Chargen und im Dauerlauf funktionstüchtigen Maschine benötigte Jahre. So war Paul Schatz immer auf der Suche, wie er neben seiner wissenschaftlichen Tätigkeit den Lebensunterhalt für sich und seine Familie finden konnte. U. a. baute er geometrische Modelle für den Unterricht. Durch einen befreundeten Grafiker erhielt er Aufträge, solche Modelle in großen Formaten als Blickfang an Uhrenmessen herzustellen. Dabei entstand vor allem Keplers Planetarium in einem Durchmesser von zwei Metern. Der Bildhauer Günther Oling half beim Zustandekommen dieser Modelle.

Durch die Verbindung mit dem Fabrikanten Willy A. Bachofen in Basel gelang 1960 der Durchbruch mit dem Schüttelmischer Turbula. In der Folge konnte diese Maschine vom Zwei-Liter-Laborgerät bis zu der Größe von 500 Litern Inhalt gebaut werden. Die Turbula wurde und wird heute in alle Welt verkauft zu vielfältigsten Anwendungen, u. a. in der chemischen und pharmazeutischen Industrie dank ihrer intensiven und schonenden Mischweise. Daraus ergab sich für Paul Schatz zum ersten Mal in seinem Leben ein geregeltes Einkommen. Es ermöglichte ihm, seine Forschungsarbeit weiterzuführen. Nun wurde das Oloid, die Form eines Körpers, die aus der Bewegung der Umstülpung des Würfelgürtels entsteht, als Rührmaschine, Schiffsantrieb und zum Sauerstoffeintrag in Gewässer weiterentwickelt. Da die Firma Bachofen inzwischen keine Lizenzen mehr entrichtete und obwohl immer wieder Menschen seine Arbeit großzügig förderten, stand Paul Schatz in fortgeschrittenen Jahren wieder vor der Frage, wie er den Lebensunterhalt und seine Forschung finanzieren konnte. 1968 erhielt das Oloid das Schweizer Patent Nr. 500.000, was in der Presse und durch einen Fernsehfilm des WDR gewürdigt wurde. Vor allem in Künstlerkreisen der Schweiz genoss Paul Schatz ein gewisses Ansehen.

Eine besondere Freude war es ihm, wenn Menschen durch die Beziehung zu seinen Arbeiten den Ursprung derselben in der Anthroposophie erkannten und so durch ihn zum ersten Mal nach Dornach und ins Goetheanum kamen. Zu seinem großen Kummer allerdings fand er kaum ein Echo bei den in Frage kommenden Sektionen des Goetheanum. Hier musste er eine große Einsamkeit erleben. Hingegen hatte er gute Kontakte zu Albert Steffen und Friedrich Hiebel. So publizierte er regelmäßig in der Wochenschrift „Das Goetheanum‟ oder durch Felix Durach in der Architekturzeitschrift „Mensch und Baukunst‟. Am Ende seines Lebens konnte er trotz seiner Erkrankung noch sein Buch „Rhythmusforschung und Technik‟ beim Verlag Freies Geistesleben herausbringen. Viel Freude erlebte er mit seinen beiden Enkeln Tobias und Christoph Langscheid. Am 7. März 1979 starb er in der Ita Wegman-Klinik in Arlesheim. Die Paul Schatz-Stiftung Basel kümmert sich heute um die Archivierung seines Nachlasses und gelangt mit regelmäßigen Symposien und Ausstellungen an die Öffentlichkeit.

Eva-Maria Blank-Schatz

Ereignisse

10.10.1927 - 27.02.1928: Dritter Arbeitskurs der Jugendsektion (Winterhalbjahr)

04.04.1928 - 06.04.1928: Tagung für Mathematiker

12.11.1928 - 01.12.1928: Vortragsreihe der mathematisch-astronomischen Sektion

01.08.1930 - 09.08.1930: Sozialwissenschaftliche Arbeitswoche "Die soziale Wirklichkeit 1930"

01.01.1933 - 31.12.1933: Einrichtung von Freien Mittelschulkursen an der Rudolf Steiner Schule Basel

21.04.1933 - 25.04.1933: Tagung "Technik und soziale Frage"

15.10.1934 - 31.03.1935: Wintersemester am Goetheanum

29.04.1935 - 25.05.1935: Erste Blockveranstaltung des Sommersemesters am Goetheanum "Rudolf Steiners Theosophie als Ausgangspunkt Anthroposophischer Arbeit"

01.07.1935 - 28.07.1935: Zweite Blockveranstaltung des Sommersemesters am Goetheanum "Rudolf Steiners Philosophie der Freiheit als Grundlage anthroposophischer Arbeit"

26.07.1936 - 02.08.1936: Öffentliche Tagung

24.09.1939 - 01.10.1939: Michaelitagung am Goetheanum

07.04.1941 - 14.04.1941: Ostertagung am Goetheanum

24.12.1941 - 01.01.1942: Öffentliche Weihnachtstagung am Goetheanum "Das Erwachen des Geistes in der Bewußtseinsentwicklung der modernen Menschheit"

06.08.1949 - 11.08.1949: Englisch speaking conference with a following tour through schools in Switzerland

10.10.1949 - 16.10.1949: Pädagogische Arbeitswoche

Quellen Erwähnungen

N 1927 S. 156, 184
N 1928 S. 47, 80, 172
N 1929 S. 7, 66
N 1930 S. 56, 138
N 1933 S. 36, 49ff, 84, 176
N 1934 S, 124, 174, 178, 182
N 1935 S. 56, 93, 151
N 1936 S. 4, 8, 99f, 130, 141, 145
N 1937 S. 64, 68
N 1938 S. 196, 200
N 1939 S. 140, 166
N 1941 S. 40, 56, 90, 208
N 1942 S. 12, 15
N 1948 S. 87, 164
N 1950 S. 92
N 1951 S. 108
N 1953 S. 28
N 1956 S. 108
N 1961 S. 183, 188, 192
N 1964 S. 152
N 1966 S. 185f
N 1968 S. 126, 182, 186, 204
N 1969 S. 20, 36, 40, 167, 198
N 1970 S. 7, 185
N 1978 Nr. 51 Zum 80. Geburtstag
N 1989 Nr. 22, S. 110
N 1998 S. 188, 372 Ausstellung " 100. "
N 2005 Nr. 18, S. 12
MaD 1985 Nr. 152, S. 144 f
G 1971 Nr. 22
ANS 1983 Nr. 2, S. 4
projekt.zeitung April 2014

Info

Unterlagen im Archiv der Paul Schatz Vereinigung
Werke : Der Weg zur künstlerischen Gestaltung in der Kraft des Bewusstseins,
Konstanz 1927; Keplers Stella octangula, Dornach o. J.; Strukturen und
Bewegungsgestalten aus dem Würfel, München o. J.; Der umstülpbare Würfel,
Dornach o. J., 6 1965; Rhythmusforschung und Technik, Stuttgart 1975,
²1998; Beiträge in: Paul Schatz. Ein Konstanzer Künstler, Erfinder, Techniker.
Ausstellung zum 100. Geburtstag, Dornach 1998; Beiträge in Sammelwerken
und Ausstellungskatalogen; Übersetzung ins Englische erschienen;
39 Aufsätze in G, 15 in MuB, weitere in I, LE, Msch, N, Pfa.
Literatur : Hiebel, F.: Paul Schatz (Zur Würdigung eines Erfinder-Ingeniums)
in: G 1968, Nr. 50; Hagemann, E.: Bibliographie der Arbeiten der Schüler Dr.
Steiners, o. O. 1970; Hiebel, F . : Paul Schatz als Empfänger des 500.000.
Schweizer Patents, in: G 1971, Nr. 22; ders.: Anthroposophie entbindet
neuen Erfindergeist, in: G 1979, Nr. 17; Kiefer, H.: Paul-Schatz-Vereinigung,
in: MaD 1985, Nr. 152; Schöffler 1987; Langscheid, T.: Zur Biografie von
Paul Schatz, in: Eä 1998/99, Nr. 2/3; Unger, G.: Pionier einer rhythmischen
Technik; ders.: Dokumentation der Erfindungen, in: G 1998, Nr. 42; Heinzer,
E.: Der Künstler und Techniker Paul Schatz, Kühl, J.: Zum 100. Geburtstag
von Paul Schatz, in: N 1998, Nr. 51/52.
Abkürzungen: siehe hier
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