Gerhard Suchantke

Dr. med. Suchantke, Gerhard

Arzt.

*31.07.1902, Breslau (damals Deutschland)

✟05.10.1958, Arlesheim (Schweiz)

Gerhard Rudolf Suchantke ist ein bedeutender Vertreter der jungen Ärztegeneration im direkten Umkreis von Rudolf Steiner und Ita Wegman. Er wirkte innerhalb der anthroposophischen Bewegung und in einem größeren Umkreis durch seine ärztliche Tätigkeit und Öffentlichkeitsarbeit.

Die erste Berührung mit der Anthroposophie hatte er mit 18 Jahren, sein aktives Engagement begann mit 20 als junger Medizinstudent: initiativ in der „Freien Anthroposophischen Gesellschaft‟ in Breslau, Teilnahme an den Hochschulkursen und Ärztetagungen mit Rudolf Steiner und an der Weihnachtstagung, aktiv in der Vorbereitung des Jungmedizinerkurses, der auf Bitten der jungen Ärzte und Medizinstudenten im Anschluss an die Weihnachtstagung stattfand (GA 316).

Während des Aufenthaltes Rudolf Steiners in Breslau und während des Koberwitzer Kurses, an dem Suchantke teilnahm, empfängt er entscheidende Motive für sein Leben und Wirken aus Steiners Ansprache an die Jugend vom 9. Juni 1924 (GA 217 a; s. a. 12.6.1924 in GA 239).

Ita Wegman beruft den jungen Arzt im Frühjahr 1926 nach Arlesheim - „er war ihr ganz spezieller Schüler”, wie sich Madeleine van Deventer rückblickend erinnert (1959, S. 41). Seine Patienten lieben ihn, seine herzliche und warme Art, seinen Ernst und seinen Humor. Zentrales Anliegen ist ihm die Ausarbeitung der anthroposophisch fundierten Menschenkunde und Medizin. „Gerhard Suchantke gehörte zu den Seelen, denen die anthroposophischen Forschungsergebnisse intuitiv einleuchteten. Rudolf Steiner als seinen Lehrer anzuerkennen, war für ihn etwas unmittelbar Einleuchtendes. Eine Urbeziehung zu ihm und seiner Ideenwelt war in der Seele dieses jungen Erkenntnis-Suchers vorhanden. Auf der anderen Seite war jedoch in ihm jenes Erkenntnis-Gewissen lebendig, das nicht Ruhe findet, ehe nicht die Brücke zwischen der Universitätswissenschaft und der spirituellen Forschung geschlagen ist oder sich doch die Wege zeigen, auf denen die Durchdringung der äußeren Wissenschaft mit der esoterischen Erkenntnis vollzogen werden könne‟ (sein Jugendfreund Rudolf Meyer am 5. Oktober 1958, unveröffentlicht).

Eigene forscherische Arbeit ist Suchantke ein Anliegen. Besonders eindrücklich und überzeugend - so weit wenigstens, wie es die beschränkten Möglichkeiten seiner Zeit erlaubten - ist das Ergebnis einer Versuchsanordnung, die auf einer Anregung Steiners basiert: Man solle die Auswirkungen unterschiedlicher Bewusstseins-(Denk-)Aktivitäten auf die Ausscheidung von Harnstoff und Harnsäure untersuchen („Natura‟ 4, 1929/30: 181-207). Diese und eine Reihe weiterer Arbeiten zu medizinischen, hygienischen und Ernährungsfragen erscheinen in „Natura‟, Zeitschrift der Medizinischen Sektion am Goetheanum. Unter ihnen verdient vor allem „Das Problem der Krebspsyche‟ („Natura‟ 4, 1929/30: 365-368) hervorgehoben zu werden, da hier erstmalig auf den Zusammenhang von Geschwulstbildung und psychischer Disposition hingewiesen wird.

Schon bald wirkt der junge Arzt auf Tagungen, Kongressen und in öffentlichen Vorträgen im In-und Ausland.

1932 heiratet er die Medizinstudentin Christel Blume (Christel Suchantke), 1933 Geburt des ersten Kindes. 1934 Übersiedlung nach Berlin, Übernahme und Ausbau einer vakanten anthroposophischen Praxis in Absprache mit Ita Wegman. Die Praxis wächst rasch und wird schnell bekannt, Suchantke wird in gefährlicher Weise vom NS-Regime zuerst umworben - er bekam eine Stelle an der Universitätsklinik für naturgemäßes Heilwesen, hielt Vorlesungen und poliklinische Sprechstunden als Dozent und Oberarzt - und dann fallen gelassen, als er sich weigerte, in Vorlesungen über „Naturheilkunde‟ den Namen Steiners nicht mehr zu erwähnen. Im Sprechzimmer sitzen Gestapospitzel neben Juden und Regimekritikern wie dem Kabarettisten Werner Finck und dem späteren Widerstandskämpfer von Witzleben.

Die zunehmend gefährliche Situation endet 1940 mit der Einberufung Suchantkes zum Militär und der Übersiedlung der Familie - zu der 1939 ein zweites Kind hinzugekommen war - nach Tirol und anschließend, für den Rest des Krieges, nach Bayern.

Als „Unterarzt‟, niedrigster Rang, über den er den ganzen Krieg nicht hinauskommen sollte, Verlegung nach Frankreich, bald ins Roussillon in den Umkreis der Katharerkultur, auf die Steiner die jungen Ärzte seinerzeit besonders hingewiesen hatte. Es kommt zu wiederholten Besuchen der alten Zentren, etwa des Montségur, und zu Begegnungen mit dem Katharerforscher Déodat Roché. Nach der Invasion der Alliierten 1944 wird Suchantke in die schlimmsten Materialschlachten des Zweiten Weltkrieges in der Normandie geworfen, es kommt zu Erlebnissen, über die er später nie sprach, und zur Kriegsgefangenschaft als Lagerarzt.

Nach der Entlassung 1946 wurde er kurzfristig Mitarbeiter der Weleda in Stuttgart, 1947 dann wurde er an das Sanatorium Wiesneck (heute: Friedrich Husemann-Klinik) im Südschwarzwald berufen. Der ursprüngliche Plan, eine eigene Praxis im Ruhrgebiet zu gründen, musste aufgegeben werden. Auch in diesem Rahmen entwickelte er Aktivitäten: in Tagungen und Vorträgen, in der Mitarbeit am Sammelwerk „Das Bild des Menschen als Grundlage der Heilkunst‟ (Hrsg. Friedrich Husemann).

Nach sieben Jahren kehrte er an das Klinisch-therapeutische Institut (heute: Ita Wegman-Klinik) in Arlesheim zurück. Die ihm verbleibenden vier Jahre bringen intensive Patientenbetreuungen, bei denen sich Suchantke nicht schonte und Tag und Nacht abrufbar war.

1956 erfolgte ein erstes Kreislaufversagen, das noch überwunden werden konnte, nach kurzer Zeit neuerlicher Tätigkeit dann eine zweite Attacke, nach der es zu keiner Erholung mehr kam.

Andreas Suchantke

Ereignisse

10.10.1927 - 27.02.1928: Dritter Arbeitskurs der Jugendsektion (Winterhalbjahr)

28.12.1927 - 01.01.1928: Ärztetagung

09.07.1928 - 17.07.1928: Tagung der Freien Anthroposophischen Gesellschaft und der Jugendsektion

12.11.1928 - 01.12.1928: Vortragsreihe der mathematisch-astronomischen Sektion

25.11.1928 - 22.12.1928: Arbeitskurs der Jugendsektion "Völkerleben und Ich- Entwicklung" "Völkerleben und Ich-Entwicklung"

24.01.1929 - 27.01.1929: Landwirtschaftliche Tagung

24.02.1929 - 24.03.1929: Frühjahrskurs der Jugendsektion

15.07.1929 - 31.07.1929: Sommerkurs

11.08.1929 - 25.08.1929: Sommertagung

12.08.1929 - 19.08.1929: Summerschool of the Youth-Sektion

07.10.1929 - 02.11.1929: Herbstkurs

27.01.1930 - 02.02.1930: Landwirtschaftliche Tagung

01.04.1930 - 12.04.1930: Frühjahrskurs der Jugendsektion

19.04.1930 - 27.04.1930: Medizinische Tagung

16.08.1930 - 31.08.1930: Öffentliche Sommertagung am Goetheanum " Anthroposophie und Zeitgeist" "Anthroposophie und Zeitgeist"

07.09.1930 - 14.09.1930: Anthroposophischer Kursus für Tätige in sozialen Berufen

25.10.1930 - 28.10.1930: Vortragsreihe der medizinischen Sektion über "Medizinische Strömungen der Gegenwart im Lichte der Anthroposophie"

29.05.1931 - 31.05.1931: Erster Arbeitszyklus einer Gesamtreihe der medizinischen Sektion "Über die Anwendung von metallisch-mineralischen, pflanzlichen und tierischen Heilmitteln"

25.07.1931 - 30.07.1931: Geplante öffentliche Medizinertagung am Goetheanum

14.08.1931 - 25.08.1931: Öffentliche Sommertagung am Goetheanum

07.10.1931 - 11.10.1931: Öffentliche medizinische Tagung am Goetheanum (ursprünglich für den 25.-30.7. geplant)

14.11.1931 - 15.11.1931: Zusammenkunft "mit an der geisteswissenschaftlich Medizin interessierten Ärzten"

24.12.1931 - 03.01.1932: Weihnachtstagung am Goetheanum

22.01.1932 - 29.01.1932: Landwirtschaftliche und botanische Tagung am Goetheanum

13.02.1932 - 14.02.1932: Zusammenkunft anthroposophischer Ärzte

20.02.1932 - 21.02.1932: Eröffnung des Krebsuntersuchungslaboratoriums

24.03.1932 - 27.03.1932: Tagung der Christengemeinschaft

25.06.1932 - 26.06.1932: Vierte Arbeitszusammenkunft anthroposophischer Ärzte Südwestdeutschlands

26.09.1932 - 28.09.1932: Medizinische Arbeitszusammenkunft und öffentliche Vorträge über medizinische Fragen für Mitglieder und Interessenten im Goetheanum

27.11.1932 - 29.11.1932: Medizinische Tagung

24.12.1932 - 01.01.1933: Weihnachtstagung am Goetheanum

13.02.1933 - 11.03.1933: Anthroposophische Arbeitswochen am Goetheanum

02.03.1933 - 10.03.1933: Arbeitswoche für Medizinstudenten,

08.08.1933 - 16.08.1933: Öffentliche Sommertagung am Goetheanum "Grundimulse des XX. Jahrhunderts"

04.10.1933 - 08.10.1933: Medizinische Tagung am Goetheanum

21.09.1946 - 25.09.1946: Ärztetagung in Stuttgart

09.04.1947 - 14.04.1947: Ärztetagung

07.09.1947 - 13.09.1947: Ärztetagung in Stuttgart

01.01.1948 - 31.12.1948

07.04.1948 - 13.04.1948: Ärztetagung

19.08.1949 - 22.08.1949: Ärztetagung

01.01.1950 - 31.12.1950: Beiträge zu einer Erweiterung der Heilkunst

10.04.1950 - 16.04.1950: Tagung

12.10.1951 - 14.10.1951: Tagung zur Methode und Anwendung der empfindlichen Kristallisationen

24.10.1951 - 31.10.1951: Medizinische Arbeitswoche

07.09.1954 - 14.09.1954: Medizinische Arbeitswoche

25.10.1954 - 25.11.1954: Ausbildungskurs für junge Ärzte

01.01.1955 - 31.12.1955: Ausbildungskurse für junge Ärzte

16.04.1955 - 24.04.1955: Ärztetagung

05.09.1955 - 11.09.1955: Medizinische Arbeitswoche

24.09.1955 - 02.10.1955: Michaeli-Tagung

07.04.1956 - 14.04.1956: Ostertagung

30.04.1956 - 26.05.1956: Klinisch-Therapeutische Fortbildungsschule für Ärzte

12.11.1956 - 08.12.1956: Klinisch Therapeutische Fortbildungsschule für Ärzte am Goetheanum

01.01.1972 - 01.01.1972: Namen für die Personenliste

Quellen Erwähnungen

N 1927 S. 119, 156
N 1928 S. 8, 20, 143, 172, 180, 194
N 1929 S. 8, 87, 91, 100, 108, 112, 114f, 152
N 1930 S. 12, 28, 36, 39, 44, 51, 60, 74, 88, 96, 104, 107, 155, 178, 188, 192, 196, 199
N 1931 S. 8, 12, 20, 28, 32, 92, 96, 135, 152, 174, 184, 196, 208
N 1932 S. 20, 32, 40, 59, 71, 104, 148, 152, 179f, 192
N 1933 S. 4, 56, 156, 176, 192
N 1934 S. 65
N 1946 S. 167
N 1947 S. 84
N 1948 S. 99, 123, 140
N 1949 S. 151
N 1951 S. 174, 195
N 1954 S. 97
N 1955 S. 168, 182
N 1956 S. 53, 57, 121
N 1957 S. 37
N 1958 S. 200
N 1965 S. 120
N 1966 S. 6
N 1967 S. 155
N 1968 S. 153
N 1969 S. 119
N 1970 S. 51
MaD 1948 Nr. 4, S. 19
MaD 1950 Nr.12, S. 45
MaD 1951 Nr. 18, S. 53
MaD 1955, Nr. 32, S. 94
MaD 1958 Nr. 46 S. 224
MaD 1977 Nr. 122, S. 297
G 1958 Nr. 41 Todesanzeige

Info

Arbeitete 1934-43 im Therapeutikunm in der Schillstrasse, Berlin mit Ida
Behre - ein Impuls von Ita Wegman. Machte kapillardynamische Blut-
Untersuchungen nach Kaelin, Vortragender
Werke: Das Verhalten von Cholesterin und Cholesterinestern im Blutserum
bei gestörter Leberfunktion, Dissertation, Breslau 1926; Ernährungsprobleme
von heute und ihre Lösung in der Landwirtschaft der Zukunft, in: Gäa Sophia,
Bd. IV, Stuttgart 1929; Herz- und Kreislauferkrankungen, Grundbehandlung
des Asthmas, in: Husemann, F. [Hrsg.]: Das Bild des Menschen als Grundlage
der Heilkunst, Bd. II, Stuttgart 1956; Beiträge in ÄR, BeH, Na und Beiblättern,
EK, G, Ka, LN, N, Pfa, WKÄ, WNA.
Literatur: Schickler, E.: Ein Festestag unserer medizinischen Bewegung, in:
MaD 1954, Nr. 27; Schmidt, G.: Dr. med. Gerhard Suchantke, in: N 1958, Nr.
42; Husemann, F.: Zum Tode von Gerhard Suchantke, in: BeH 1958, Nr.
11/12; van Deventer, M. P., Meyer, R., Kelber, W.: Gerhard Suchantke, in:
MaD 1959, Nr. 47; Schmidt-Brabant, M.: Aus der Geschichte der
anthroposophischen Bewegung und Gesellschaft in Berlin, in: MaD 1965, Nr.
72; Behre, I.: Zum Bericht von Manfred Schmidt-Brabant, in: MaD 1966, Nr.
75; Leroi, A.: Über die Entwicklung der Krebsbehandlung von Rudolf Steiner,
in: MaD 1967, Nr. 81; van Deventer, M. P.: Gerhard Suchantke - Zum 10.
Todestag, in: MaD 1968, Nr. 85; Kaelin, W., Hablützel, L.: Erinnerungen an
Gerhard Suchantke, in: BeH 1969, Nr. 1; Hagemann, E.: Bibliographie der
Arbeiten der Schüler Rudolf Steiners, o. O. 1970; Schöffler 1987; Die beiden
Aufsätze von van Deventer, M. P., auch in: Selg, P. [Hrsg.]:
Anthroposophische Ärzte 2000.
Abkürzungen: siehe hier
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