Konrad Sandkühler

Dr. phil. Sandkühler, Konrad

Philologe, Waldorflehrer.

*15.02.1886, Würzburg (Deutschland)

✟31.05.1976, Filderstadt-Bonlanden (Deutschland)

Drei wesentliche Komponenten charakterisieren den Lebensweg Konrad Sandkühlers. Da ist zunächst die vom Elternhaus angeregte Liebe zur Musik und zur Sprache. Zum anderen führte und prägte ihn zeit seines Lebens das Streben nach einem freiheitlichen Christentum, wie es ihm vorwiegend im keltischen Raum begegnete, wo Christus nicht so sehr als der Gekreuzigte, Leidende, sondern als alldurchdringender Sonnengeist und Herr der Elemente erlebt wurde. Das dritte aber war seine große Begabung, auf Menschen aller Altersstufen einzugehen, die sich schon früh beim Märchenerzählen für seine Geschwister und die Kinder seines Umfeldes zeigte, erst recht aber danach, sein ganzes, erfülltes Lehrerdasein hindurch - wie letztlich auch bei seinen vielen Vorträgen. Das alles schuf die zahlreichen Menschenverbindungen und Freundschaften, die seinen Umkreis bereicherten, so wie es aus einem seiner Verse herausscheint:

 

„Und unser Zwiegespräch ist wie ein Quell,

Der nach zwei Seiten labend sich ergießt.

Als Lebensblut durch unsere Adern fließt

Und beider Augen leuchten festlich hell [...].‟

 

In Würzburg wuchs er mit sechs Geschwistern in einem weitläufigen Haus und Grundstück am Stadtrand auf. Sein bevorzugter Platz war dabei ein Spielgrund, wo der Sage nach ein irischer Mönch namens Alan gelebt haben sollte - eine der ersten Berührungen mit dem christlichen Keltentum. Aber auch der Zimmerplatz, der Bahndamm mit den daherbrausenden Zügen und insbesondere ein alter Schuster im Parterre des Elternhauses, von dem etwas Ehrfurcht Gebietendes ausging, erweiterten seinen Horizont, vermittelten Dinge, die seinen Weg bereicherten.

Sein sprachgewandter Vater war unternehmerisch tätig, teils mit eigener Fabrik. Er brachte aus seiner westfälischen Heimat den freien Charakter der dortigen Vorfahren mit. Die liebevolle, fromme Mutter vertraute in allen Lebenslagen auf eine geheime höhere Fügung und ihre hingebende Haltung verband den Jungen in inniger Liebe mit ihr.

Während der ersten 15 Jahre seines Lebens wohnte die Familie in Würzburg, dann siedelte sie nach München über. Dort machte Konrad Sandkühler am Wilhelms-Gymnasium sein Abitur, studierte und promovierte bei Karl Vossler mit einer Dissertation über den „Drachenkampf des heiligen Georg‟. Auf dem Gymnasium hatte er sich mit dem drei Jahre älteren Fritz Graf von Bothmer angefreundet, dem er dann Jahre später als Kollegen in der Waldorfschule Stuttgart wieder begegnete.

Seine erste berufliche Aufgabe war 1908 eine Hauslehrerstelle bei einer gräflichen Familie in Belgien. Danach sollte er als Hauslehrer in den Sultanspalast in Istanbul kommen. Der Balkankrieg 1912 verhinderte dies jedoch und so kam er 1913 als Lehrer an die Domschule in Reval/Estland. Einer seiner Schüler dort war Kurt von Wistinghausen, auch ihn traf er später in Stuttgart, in der Christengemeinschaft, wieder.

Für die Domschule musste er noch eine Zusatzprüfung für Französisch ablegen. So war er im Juni/Juli 1914 in Paris, als der Erste Weltkrieg ausbrach. Er wurde interniert und in ein französisches Lager an der Bucht von Brest gesteckt. Durch Buchspenden, die das Rote Kreuz vermittelte, lernte er Romain Rolland brieflich kennen, der aus der Schweiz aktiv war, das Los der Gefangenen und Internierten zu mildern.

Nach seiner Rückkehr 1918 nahm Konrad Sandkühler seine musikalischen Studien bei Hans Neumeyer in München wieder auf. Dabei lernte er seine Frau, Jutta Kronecker, Tochter eines Berliner Juristen, kennen, die mit ihm nach Nürnberg zog, wo er eine Stelle an einem Gymnasium antreten konnte. Dort hatte er auch eine erste flüchtige Begegnung mit seinem späteren Kollegen und Freund Hans Rutz. Während einer Veranstaltung der Hamburger Lichtwarkschule wohnte einer der Schüler bei Sandkühlers, es war der später in Hamburg anthroposophisch aktive Hans Börnsen. Art und Methoden der Lichtwarkschule schienen wohl interessant, doch entscheidend wurden für ihn erst die 1924 während einer in Nürnberg stattfindenden „pädagogischen Woche‟ von Caroline von Heydebrand, Eugen Kolisko, Robert Killian und Karl Schubert dargestellten Methoden und Ziele der Waldorfschule. Das vermittelte Menschenbild war genau das, wonach er suchte, was all seinen Bestrebungen entgegenkam. So reiste er 1925, kurz nach dem Tode Rudolf Steiners, zur „Pädagogischen Ostertagung‟ nach Stuttgart, wo ihn dann Erich Schwebsch zur Mitarbeit an der Waldorfschule - und als Freund - gewann.

Seitdem war seine Arbeit, mit Ausnahme der Verbotsjahre im „Dritten Reich‟, im weitesten Sinne dieser pädagogischen Aufgabe gewidmet. Nach Schließung der Stuttgarter Mutterschule 1938 ging er nach Dresden, wo die Schule erst 1941, nach dem Englandflug von Rudolf Heß, schließen musste. Er unterrichtete dann zunächst noch an der städtischen Oberschule für Jungen, bis er 1944 absolutes Lehrverbot bekam. Bis September 1944 konnte er als Bratschist bei den Dresdener Philharmonikern unterschlüpfen. Die letzten Kriegsmonate verbrachte er dann gezwungenermaßen in einem Arbeitslager der OT (Organisation Todt) im Harz. Mit zwei ebenfalls inhaftierten Waldorfschülern, Johannes und Josef Kraus, gelang die Gestaltung einer bemerkenswerten Weihnachtsfeier, die Aufsehern und Lagerinsassen einige lichtvolle Stunden in ihrem trüben Dasein gab.

Im August 1945 kam er von Bayern zur Vorbereitung der Neueröffnung der Waldorfschule wieder nach Stuttgart. Was er dort geleistet hat, lässt sich nur in Stichworten schildern. Er unterrichtete in der Oberstufe Französisch und Englisch, bereitete viele Klassen auf das Abitur vor, betreute englische Austauschschüler, gab außerdem Kurse im Waldorflehrer-Seminar und verwaltete die Lehrer-Bibliothek. Daneben entstanden zahlreiche Aufsätze und Übersetzungen aus dem Englischen und Französischen, vor allem die Gralsgeschichte des Chrestien de Troyes und deren Fortsetzungen. Aus der Bibliographie wird die ganze Fülle seines literarischen Schaffens sichtbar. Viele Vorträge, hauptsächlich zu den Gralsthemen, dann über Keltentum, Katharer, Bogumilen und Märchen, gaben seinen Bemühungen Ausdruck. Die Nachworte seiner Übersetzungen aber sind Kunstwerke für sich, in ihnen wird die geistige Dimension sowohl des übersetzten Werkes als auch des Übersetzers offenbar.

Damit ist der Umfang seiner vielfältigen Tätigkeit auf dem Hintergrund der Anthroposophie, die auf alles befruchtend wirkte, nur angedeutet. Auf vielen Reisen in Europa (u. a. in Südfrankreich bei Déodat Roché), im Orient und durch die USA hat er sich dafür immer neues Wissen und Anregungen geholt. In Anerkennung seiner menschenverbindenden Übersetzertätigkeit wurde ihm posthum der „Schongaupreis der elsässischen Akademie für Kunst und Wissenschaft‟ in Colmar zugesprochen.

In der Nacht vor seinem Tode aber führte er mit einem jungen Pfleger noch ein Gespräch, welches wie ein Symbol das zusammenfasste, was den wesentlichen Inhalt seines Strebens ausmachte: die Suche nach dem Mysterium des heiligen Gral.

Martin Sandkühler

Quellen Erwähnungen

N 1930 S. 51
N 1931 S. 96
N 1932 S. 104
N 1933 S. 108
N 1938 S. 134
N 1960 S. 36, 200f
MaD 1948 Nr. 6, S. 37
MaD 1956 Nr. 36, S. 95 F.Schwebsch: Zum 70. Geburtstag
MaD 1966 Nr. 75, S. 72 Zum 80. Geburtstag
MaD 1971 Nr. 95, S. 86 Zum 85. Geburtstag
MaD 1977 Nr. 121, S. 267
G 1977 Nr. 28 Camille Schneider
EK 1961 Nr. 5 Zum 75. Geburtstag
EK 1966 Nr. 1/2 Zum 80. Geburtstag
EK 1976 Nr. 2 Zum 90. Geburtstag
Sam, M.M.: Eurythmie, Dornach 2014, S. 224, 319, 327, 335

Info

Unterlage im Archiv der Nachlaßverwaltung
Begegnete Anfang des 20. Jh. als Lehrer in Reval/Estland Kurt v.
Wistinghausen. War später Waldorflehrer in Stuttgart-Uhlandshöhe,
unterrichtete Französisch. Autor, Übersetzer
Söhne Dr. Bruno in Stuttgart, Martin in Warngau
Werke: Der Drachenkampf des Heiligen Georg in der englischen Sage und
Geschichte. München (Pasing) 1912 (Dissertation); Das Gralsmahl bei Robert
de Boron, in: Programmheft zu „Parsifal‟, Bayreuth 1959; Nachwort, in:
Gebrüder Grimm: Irische Elfenmärchen, Stuttgart 1962, 71993; Elly Wilke, in:
Husemann, G., Tautz, J. [Hrsg.]: Der Lehrerkreis, Stuttgart 1977; Gedichte
(teilweise unveröffentlicht); Wirken durch Worte und Klänge. Autobiografie
eines Waldorflehrers, Stuttgart 1986; Über Volkslegenden, in: Singrün-Zorn,
Edda [Hrsg.]: Das Ogham-Buch der Legenden, Dornach 1995.
Übersetzungen: Chrestien de Troyes: Perceval oder die Geschichte vom Gral,
Stuttgart 1929, 71991; Gauwain sucht den Gral, Stuttgart 1959, 41986;
Irrfahrt und Prüfung des Ritters Perceval, Stuttgart 1960, 41990; Perceval
der Gralskönig, Stuttgart 1964, ³1983; Souvestre, E.: Peronnik der Einfältige.
Kuppenheim 1946, ²1947; Souvestre, E.: Die Steine von Plouhinec,
Kuppenheim 1948 (bearbeitet); Bascan, L.: Sagen und Legenden aus der
Normandie, Kuppenheim 1948; Bladé, J. F.: Märchen aus der Gascogne,
3 Bde.: Der Mann in allen Farben, [1954], 5. Aufl. 2000; Der Davidswagen,
1954, 5. Aufl. 2000; Von Gott und seinen Welten, 2000; Carlson, E. R.: So
geboren, Stuttgart 1960, 6. Aufl. 1993; Colum, P.: Die Barden und der Prinz
(1. u. 2. Aufl.: Prinz Suivné), N.Y. 1943, Stuttgart ³1981; Colum, P.: Der
Königssohn von Irland, Stuttgart 1956, 8. Aufl. 1995; Das Weltenpferd.
Keltische Märchen, Stuttgart 1988; de Boron, R.: Die Geschichte des
Heiligen Gral, Stuttgart 1958, 5. Aufl. 1998; Merlin, der Künder des Grals,
Stuttgart 1975, ³2000; Roché, D.: Die Katharerbewegung, (zus. m. Erich v.
Houwald), Stuttgart 1992; zahlreiche Beiträge in EK, weitere in DD, G, Leh,
Msch.
Als Herausgeber: Lesehefte der Freien Waldorfschulen, Englische und
Französische Reihe (6 u. 4 Hefte), Stuttgart o. J. u. 1952.
Literatur: Borne, G. v.d.: Über d. Lebenswerk v. Konrad Sandkühler in: DD
1966, Nr. 3; Maier, M.: Dr. Konrad Sandkühler, in: MaD 1976, Nr. 115; Rutz,
M.: Konrad Sandkühler, in: Leh 1976, Nr. 13 und in: MaD 1976, Nr. 117; Rau,
H.: Zum Geleit, in: Wirken durch Worte u. Klänge, Stuttgart 1986;
Sandkühler, M.: Zum 100. Geburtstag von Konrad Sandkühler, in: MaD 1986,
Nr. 156; auch in: N 1986, Nr. 9; Lenz, J.: Konrad Sandkühler, in: CH 1986,
Nr. 5; ders.: „Wirken durch Worte und Klänge‟, in: CH 1987, Nr. 4; Schöffler
1987.
Abkürzungen: siehe hier
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