Dr. phil. Röschl-Lehrs, Maria
geb.: Röschl
Altphilologin, Pädagogin, Leiterin der Sektion für das Geistesstreben der Jugend am Goetheanum.
*08.12.1890, Lancut/Galizien (damals Österreich-Ungarn)
✟15.01.1969, Eckwälden (Deutschland)
Maria Röschl war zeit ihres Lebens jungen Menschen nah verbunden. Sie bemühte sich durch ihr Wirken auf die im Menschen verborgenen inneren Kräfte und Welten hinzuweisen und die Wahrnehmungsfähigkeit für diesen Bereich zu wecken und zu fördern.
Auf den wenigen erhaltenen Fotos von Maria Röschl fällt zunächst ein ruhiger, ernster und durchdringender Blick auf. Den wohlgeformten Mund konnte ein humorvolles Lächeln umspielen. Die ovale Gesichtsform verwies auf ihre slawische Herkunft mütterlicherseits. Röschl strahlte schon in jungen Jahren etwas Zurückhaltendes, Vornehmes und Würdevolles aus. Ihre äußere Erscheinung konnte Menschen, die sie nicht kannten, dazu verleiten, sie als „tantenhaft‟ zu empfinden. Bei näherem Kennenlernen erwies sich dieser Eindruck allerdings als fataler Irrtum.
Maria Röschl wurde 1890 im polnischen Lancut, das damals zu Österreich gehörte, als Tochter eines Finanzbeamten aus Wien geboren. Röschls Mutter stammte aus polnischem Landadel, sie wuchs von frühester Jugend an mehrsprachig auf. Als Maria fünf Jahre alt war, zog die Familie nach Wien. Zu Hause wurde weiterhin polnisch gesprochen. Die Ferien verbrachte sie oft auf den Landgütern ihrer mütterlichen Verwandten in Polen.
Nach Abschluss der Schule nahm Maria Röschl Malunterricht, erwog zunächst eine künstlerische Laufbahn, entschloss sich aber zum Studium der Germanistik, klassischen Philologie, Kunstgeschichte und Philosophie an der Universität Wien. Sie absolvierte die Staatsprüfungen für das Lehramt. 1914 promovierte sie mit einer Arbeit über den Traum bei Goethe. Die Wahl des Themas sowie seine Darstellung scheinen bezeichnend für ihre Wesensart zu sein. Seit ihrer Jugend beschäftigte sie die Frage, welche Bedeutung Traum und Schlaf für die menschliche Seele haben. Goethes Dichtungen waren nun der Gegenstand, an dem sie in sorgfältiger Weise Phänomene des inneren Lebens beschrieb.
Die Darstellung zeigt, dass die gerade erst 24-Jährige über eine ungewöhnliche Aufmerksamkeit für innerseelische Gegebenheiten verfügte, die eine differenzierte eigene Beobachtungspraxis voraussetzt. Bei den Recherchen für ihre Dissertation setzte sich Röschl auch mit okkulter Literatur auseinander und traf dabei auf „Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten? von Rudolf Steiner. Das Buch hinterließ einen tiefen Eindruck. Nach dem Studium gab Röschl zunächst Privatunterricht und war anschließend fünf Jahre als Lehrerin für Deutsch, Latein und Griechisch an einem Wiener Mädchengymnasium tätig.
Im Hause einer Bekannten traf Röschl vier Jahre später, im November 1918, Karl Schubert, einen Kommilitonen aus der Studienzeit, der sie in die Anthroposophische Gesellschaft in Wien einführte. 1920 wurde sie Mitglied.
Durch seine Vermittlung lernte sie im Frühjahr 1921 die Waldorfschule in Stuttgart kennen und unterrichtete dort seit 1922 Latein, Griechisch und Religion. Mit Herbert Hahn und Karl Schubert hielt sie im März 1923 zum ersten Mal die so genannte „Opferfeier‟ für die Jugendlichen der drei oberen Klassen der Schule, die am freien christlichen Religionsunterricht teilnahmen - es war die dritte von Rudolf Steiner gegebene kultische Feier im Rahmen des freien christlichen Religionsunterrichts, nachdem 1919 die „Sonntagshandlung‟ für die Kinder und 1921 die „Jugendfeier‟ eingeführt worden waren.
Ihre Fragen der inneren Entwicklung fanden durch Rudolf Steiner eine sorgsame Begleitung und Vertiefung, sie wurde seine persönliche Schülerin und sagte später: „Jedes Gespräch war ein Schritt nach vorwärts, eine Bereicherung des inneren Menschen: Man lernte, was Feinheit der Beobachtung war, man wurde beschenkt mit Lebensbelehrung durch Besprechung von Situationen und Erscheinungen, mit denen man zu tun hatte [...].‟ (Röschl 1956, S. 194)
Als im Oktober 1922 junge Menschen innerhalb der Anthroposophischen Gesellschaft in Stuttgart den „Pädagogischen Jugendkurs‟ (GA 217) veranstalteten, nahm Röschl als Vertreterin der Waldorfschule daran teil und wurde, als aus diesen Zusammenhängen im Februar 1923 die „Freie Anthroposophische Gesellschaft‟ gegründet wurde, Mitglied des Leitungskomitees.
Am 8. Juni 1924 berief Rudolf Steiner Maria Röschl als Leiterin für die kurz nach der Weihnachtstagung eingerichtete Sektion für das Geistesstreben der Jugend innerhalb der Freien Hochschule für Geisteswissenschaft; dabei fällt auf, dass Steiners Wahl nicht auf einen feurigen, charismatischen Menschen als Leiter der Jugendsektion fiel, aber auf eine ernste, ja beinahe strenge, eher dem Kontemplativen zugewandte Persönlichkeit.
Die künftige Arbeit innerhalb der Sektion sollte sich vornehmlich auf drei Aufgaben konzentrieren: eine Fortsetzung des Jugendkurses von 1922, die Einrichtung einer Fortbildungsschule für Jugendliche am Goetheanum sowie die Umarbeitung einer der Grundschriften Steiners für Jugendliche im dritten und vierten Lebensjahrsiebt. Diese Pläne konnten durch den unerwartet frühen Tod Steiners nicht mehr in Zusammenarbeit mit ihm realisiert werden. Die Sektionsarbeit entwickelte sich dennoch zunächst positiv und fruchtbar. Röschl versuchte durch ihre Beiträge den Hochschulcharakter der Sektion anzulegen und veranstaltete beispielsweise im Herbst 1925 in Dornach eine Sektionstagung mit 500 Teilnehmern. An verschiedenen Orten in und außerhalb Deutschlands wurden Jugendsektionsgruppen gebildet und ein Rundbrief wurde herausgegeben. In Zusammenarbeit mit Dornacher Naturwissenschaftlern und jungen Ärzten richtete sie 1926 einen zweijährigen Einführungskurs in die Anthroposophie ein. Obwohl Röschl die Sektionsleitung bis 1930 innehatte, zeigte sich doch schon Ende 1926 im Zuge der internen Auseinandersetzungen in der Anthroposophischen Gesellschaft und im Vorstand am Goetheanum, dass die Arbeit mehr und mehr in Mitleidenschaft gezogen wurde. Als durch das Kamp de Stakenberg 1930 eine große Anzahl junger Menschen für die Anthroposophie begeistert werden konnte, die innergesellschaftlichen Verhältnisse aber keine fruchtbare Aufnahme der Jugend ermöglichten, gab Maria Röschl im Frühjahr 1931 die Sektionsleitung an den Vorstand zurück und wurde wieder Lehrerin an der Stuttgarter Waldorfschule. Zudem übernahm sie bis 1935 die Leitung des dortigen Lehrerseminars.
Zwei Jahre nach der Machtergreifung der Nazis emigrierte sie zunächst nach Clent in England, nahm kurze Zeit später eine Hauslehrerstelle in Costa Rica an und kehrte nach einem Zwischenaufenthalt in Arlesheim nach England zurück. 1940 begann sie zusammen mit Ernst Lehrs, mit dem sie seit 1939 verheiratet war, eine anthroposophische Arbeit in Verbindung mit Karl König in Aberdeen. Von 1947 bis 1952 war Maria Röschl als Dozentin für die Lehrerausbildung in Michael Hall, Forest Row und Hawkwood College in Gloucester tätig.
1952 kehrte sie mit Ernst Lehrs nach Deutschland zurück und war bis zu ihrem Tode 1969 Dozentin am heilpädagogischen Seminar in Eckwälden. Die Arbeit mit jungen Menschen setzte sie zusammen mit Ernst Lehrs in zahlreichen Jugendtagungen fort.
Ita Wegman hatte Röschl Anfang der 40er-Jahre mit den Lektorenaufgaben der ersten Klasse der Freien Hochschule für Geisteswissenschaft beauftragt, die sie in England und Schottland, später in Eckwälden und bei Besuchen in verschiedenen Ländern wahrnahm. Seit den 50er-Jahren nahm Röschl an den Zusammenkünften des Arlesheimer Kreises in der Ita Wegman-Klinik teil.
01.01.1925 - 31.12.1925: Interne Tagung über Pfingsten in Hamburg
29.05.1925 - 05.06.1925: Pfingstagung der Jugendsektion: "Ziele und Arbeitsweisen der Jugendsektion"
20.09.1925 - 27.09.1925: Zweite Arbeitswoche der Jugendsektion
01.01.1926 - 31.12.1926: Jugendsektion: Halbjähriger Kurs für junge Menschen
22.05.1926 - 25.05.1926: Halböffentliche Jugendtagung der Freien Anthroposophischen Gesellschaft
21.02.1927 - 21.03.1927: Arbeitskurse der Jugendsektion
03.06.1927 - 06.06.1927: Pfingstveranstaltung am Goetheanum
01.07.1927 - 31.07.1927: Jugendtagung "Mankind at the Threshold"
03.10.1927 - 08.10.1927: Arbeitswoche der Jugendsektion
10.10.1927 - 27.02.1928: Dritter Arbeitskurs der Jugendsektion (Winterhalbjahr)
01.01.1928 - 31.12.1928: Jugendsektion
23.04.1928 - 14.07.1928: Arbeitskurse der Jugendsektion (Sommersemester)
20.07.1928 - 01.08.1928: World Conference on Spiritual Science
29.09.1928 - 07.10.1928: Michaeli-Tagung zur Eröffnung des zweiten Goetheanum
14.10.1928 - 27.10.1928: Arbeitskurs der Jugendsektion "Natur und Individualität"
24.02.1929 - 24.03.1929: Frühjahrskurs der Jugendsektion
30.03.1929 - 05.04.1929: Ostertagung
31.03.1929 - 31.03.1929: Erweiterung des Kommitees der Freien Anthroposophischen Gesellschaft
15.07.1929 - 31.07.1929: Sommerkurs
11.08.1929 - 25.08.1929: Sommertagung
12.08.1929 - 19.08.1929: Summerschool of the Youth-Sektion
28.09.1929 - 06.10.1929: Michaelitagung
07.10.1929 - 02.11.1929: Herbstkurs
01.04.1930 - 12.04.1930: Frühjahrskurs der Jugendsektion
02.08.1930 - 10.08.1930: Kamp de Stakenberg
31.03.1931 - 01.04.1931: Generalversammlung
01.01.1932 - 31.12.1932: "Korrespondenz der Anthroposophischen Arbeitsgemeinschaft"
14.05.1932 - 18.05.1932: Zehnte öffentliche Erziehungstagung
04.07.1932 - 09.07.1932: Studienwoche der Freien Waldorfschule
04.01.1933 - 09.01.1933: Öffentliche Tagung "Weltorientierung durch Anthroposophie"
02.05.1933: Beginn des Sommersemesters der Lehrerbildungskurse
26.11.1933: "Zur Kenntnis des Mitglieder"
22.07.1950 - 27.07.1950: Sommertagung
14.08.1951 - 19.08.1951: Sommerkonferenz
24.08.1953 - 30.08.1953: Öffentliche Internationale Konferenz
01.01.1955 - 31.12.1955: 100. Todestag von Adam Mikiewicz
09.08.1958 - 24.08.1958: Anthroposophical Summer School
19.05.1961 - 23.05.1961: Pfingsttagung der Jugendsektion
01.01.1969 - 31.12.1969: Rudolf Steiner Seminar für Heilpädagogik in Eckwälden
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