Elya Nevar-Gümbel-Seiling-Dziuballe

Nevar-Gümbel-Seiling-Dziuballe, Elya Maria Else

geb.: Hotop

Schauspielerin.

*03.10.1894, Hannover (Deutschland)

✟13.07.1976, Sipplingen/Bodensee (Deutschland)

Elya Maria Nevar wirkte nach Anfängen in München und in der Pfalz etwa 40 Jahre lang als Schauspielerin und Regisseurin, Sprachgestalterin und Dozentin am Goetheanum.

Else Maria Hotop wurde als Tochter des Generalmajors Franz Josef Hotop und seiner Ehefrau Olga, geb. von Raven, in Hannover geboren. Nach dem Abitur studierte sie in München Kunstgeschichte bei Heinrich Wölfflin. Daneben ließ sie sich zur Schauspielerin ausbilden, was zu großen Spannungen mit den Eltern führte und zu ihrem Verzicht auf jegliche Unterstützung. Den Bruch besiegelte sie mit einer Namensänderung durch Umkehrung der Buchstaben „Raven‟ in „Nevar‟. In dieser schweren Zeit lernte sie Rainer Maria Rilke kennen, aus dessen Werken sie schon rezitiert hatte. Rilke hatte sie öfter als Darstellerin der Königstochter in einem alten St. Georgsspiel bewundert. Aus einer ersten persönlichen Begegnung entstand eine rege Freundschaft mit regelmäßigen Besuchen und Briefen (s. Nevar 1934). Gleichzeitig mit dieser innigen Freundschaft entwickelte sich ihre Liebe zu dem Lehrer an der Schauspielschule des Münchner Hof- und Nationaltheaters Max Gümbel-Seiling. Im Herbst 1920 heirateten sie und sie schenkte ihm zwei Söhne. Bald übersiedelten sie über Speyer nach Kaiserslautern und Saarbrücken.

Gümbel-Seiling vermittelte Elya Maria Nevar die Anthroposophie. 1910-13 hatte er bei den Uraufführungen der Mysteriendramen die Rolle des Dr. Strader gespielt. Im Sommer 1921 reiste er mit seiner Frau Elya nach Dornach, wo sie mehrere Gespräche mit Steiner führen konnte und den ersten Goetheanum-Bau mit ihrem geschulten Kunstsinn erlebte. 1924 nahmen beide am „Dramatischen Kurs‟ (GA 282) teil und entschlossen sich - auf Anfrage von Marie Steiner -, zum Aufbau einer ständigen Bühnenarbeit noch im Herbst des Jahres ans Goetheanum zu kommen. So wurde die Familie in Dornach ansässig. Während Nevar unter der strengen Regie Marie Steiners ihre Lebensaufgabe fand, konnte sich der viel erfahrene Regisseur Gümbel-Seiling nicht ganz einbinden und suchte nach einigen Jahren wieder eigenständige Wirkensfelder. Elya Maria Nevar heiratete später den Schauspieler Gerhard Dziuballe, beide wirkten viele Jahre zusammen an der Goetheanum-Bühne, bis Dziuballe 1957 Dornach verließ.

Elya Maria Nevar, mit dem unvergesslichen Timbre ihrer herrlichen Stimme und ihrer königlichen Gestalt, hatte das Talent zur großen Tragödin auf einer Weltbühne, zog aber die Mitwirkung an der spirituellen Aufgabenstellung des Goetheanum im Bereich der Schauspielkunst und Sprache vor. Sie lebte sehr bescheiden, wirkte aber immer als Grande Dame. Ihre großzügig geführten Bewegungen, ihre auch im Alltag artikulierte, wohlklingende Sprache offenbarten eine Persönlichkeit, die in strenger Selbstdisziplin die Register ihrer reichen Gefühlspalette zu bedienen wusste, im Leben wie auf der Bühne.

In ihren großen Rollen wirkte sie erschütternd im Sinne der aristotelischen Katharsis - der Schauer altgriechischer Tragödien umwehte sie 1946 als Donna Isabella in Marie Steiners Inszenierung von Schillers „Braut von Messina‟, die u. a. am Staatstheater Stuttgart einen unerhörten Erfolg hatte; unübertrefflich verkörperte sie als Helena im „Faust‟ das griechische Idol der Schönheit, wenn sie mit strahlenden Gesten auf ihrem weiten Atemstrom die sechsfüßigen Jamben des antiken „Trimeters‟ in den Raum sandte. Ihre bedeutendste Leistung war die Rolle des Luzifer, den sie in den Mysteriendramen als erhabene Geistgestalt zur Darstellung brachte. Eine besondere Kostbarkeit sind ihre direkten Mitschriften aus den Mysteriendramenproben mit Marie Steiner, die Edwin Froböse zusammen mit anderen Aufzeichnungen veröffentlichte (Froböse 1978). Es sind die einzigen in dieser Art überlieferten Texte, die ein lebendiges Bild von der intensiven, den ganzen Menschen fordernden Probenarbeit vermitteln.

Nicht Begabung allein, sondern unermüdliche Arbeit war das Geheimnis solchen Erfolgs. So war sie eine strenge Lehrerin, deren Kollegialität aber beim Proben und deren liebenswürdige Konzilianz als Regisseurin von jüngeren Schauspielern immer gerühmt wurden.

In ihrer letzten Arbeitszeit kam noch ein neuer Impuls hinzu: der therapeutische. In freundschaftlicher Beziehung zu Gotthard Starke wirkte sie bei der Entstehung und Gestaltung der „Bingenheimer Pfingsttage‟ von 1952 bis 1970 mit und blieb dann öfter zur therapeutischen Arbeit mit Betreuten. So rundete sich dieses Leben, das neben der Arbeit von vielen Freundschaften geprägt war, beispielsweise zu Karl von Baltz, der Eiskünstlerin Annemarie Wild, dem Verfasser des Nachworts zum Rilkebriefwechsel Marcel Pobè, zu Albert Steffen, Guenther Wachsmuth, Friedrich Hiebel u. a. Die letzten Lebensjahre, als ihre Kräfte dahinschwanden, verbrachte sie in einem Altenheim in Sipplingen am Bodensee.

Erika von Baravalle

Quellen Erwähnungen

N 1926 S. 150, 213
N 1927 S. 84, 88, 104, 188
N 1929 S. 70
N 1931 S. 24, 36, 56, 112, 135
N 1932 S. 4, 8, 15, 56
N 1933 S. 96, 176
N 1934 S. 92, 96
N 1935 S. 190
N 1936 S. 184, 192, 196, 200
N 1937 S. 188
N1939 S. 168
N 1940 S. 188, 192
N 1941 S. 4, 132, 136, 176
N 1942 S. 24, 44, 48, 52, 56, 136, 140, 148, 152
N 1943 S. 16, 28, 32, 44, 64, 88, 92, 96, 120, 136, 140, 160, 184, 188
N 1944 S. 47f, 68, 72, 80, 88, 92, 132, 148, 152, 160
N 1945 S. 20, 104, 116, 140
N 1946 S. 12, 16, 28, 147, 188, 192, 196
N 1947 S. 79, 84, 88, 96, 104, 108, 196, 208
N 1948 S. 48, 60, 124
N 1949 S. 4, 7f, 28, 32, 115, 119, 156, 160, 191
N 1950 S. 110, 114, 146, 179, 218, 222
N 1951 S. 8, 23, 60, 64, 95, 136, 160, 164, 171, 186
N 1952 S. 11, 54, 66, 70, 78, 89f, 94, 106, 110, 166, 190, 193f
N 1953 S. 12, 28, 115f, 131, 178, 195f, 199
N 1954 S. 45, 49, 57, 69, 86, 105, 110, 114, 153, 204, 208
N 1955 S. 12, 16, 18, 37, 46, 48, 88, 92, 188, 192, 218
N 1956 S. 70, 106
N 1957 S. 171, 183, 189
N 1958 S. 63, 67, 136, 216
N 1959 S. 10, 14
N 1960 S. 87, 110, 114, 130
N 1961 S. 140
N 1962 S. 188
N 1963 S. 5, 107, 218
N 1964 S. 187, 221, 228
N 1966 S. 123, 129, 134
N 1968 S. 189
N 1969 S. 8, 12
N 1974 Nr. 41 Zum 80. Geburtstag
MaD 1954 Nr. 28, S. 93
Froböse: Mein Weg, S. 41

Info

Wurde 1919 Schulerin von Rudolf Steiner. 1924 mit ihrem Mann Max Gümbel-Seiling
in Dornach an R. Steiners Drama Kurs. Sprachgestalterin
Werke: Jahre der Entscheidung. Weg-Geschichte eines Freundeskreises, o. O. 1934; Freundschaft mit Rainer Maria Rilke. Begegnungen, Gespräche, Briefe und Aufzeichnungen, Bern 1946; Max Gümbel-Seiling als Leiter, in: Max Gümbel-Seiling in memoriam, Den Haag 1966; Während der Mysterienspiel-Proben, in: Froböse, E. [Hrsg.]: Aus der Probenarbeit mit Marie Steiner, Dornach 1978; Beiträge in G, N, Msch.
Literatur: von Baltz, K.: Gedenkworte an Elya-Maria Nevar, in: N 1976, Nr. 42; Jaerschky, L.: Erinnerungen an Elya-Maria Nevar, in: N 1976, Nr. 47, auch in: RRM 1977, Nr. 7; Schöffler 1987.
Albrecht, Beatrice: "Wegbereiter. Anfänge und Verbreitung des Sprachimpulses von Marie Steiner in 48 Kurzbiografien", Zürich
Abkürzungen: siehe hier
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