Margareta Morgenstern-Gosebruch von Liechtenstern

Morgenstern-Gosebruch von Liechtenstern, Margareta

geb.: Gosebruch von Liechtenstern

Herausgeberin des Werkes von Christian Morgenstern.

*29.03.1879, Berlin (Deutschland)

✟21.08.1968, Breitbrunn am Ammersee (Deutschland)

Mit ihrem Ehemann Christian Morgenstern und dem gemeinsamen Freund Michael Bauer zusammen bildete sie ein Dreigestirn christlich-anthroposophischer Esoterik, das eine starke Ausstrahlung hatte und bis heute wirksam ist. Beide Männer haben in die Öffentlichkeit gewirkt: Morgenstern als Lyriker, Bauer als Okkultist und anthroposophischer Vortragsredner. Sie hingegen blieb ganz im Hintergrund. Was hat sie als ihren ganz persönlichen Ton in diesen Dreiklang eingebracht

Margareta Gosebruch von Liechtenstern war eine Generalstochter, im preußischen Berlin geboren und dort auch bis zu ihrer Heirat wohnhaft. Sie bekam die übliche Bildung höherer Töchter, wozu auch das Klavierspiel gehörte, das sie lebenslang gerne ausübte. Sie war musikalisch, besuchte oft Konzerte und Opern, auch die damals viel diskutierten Wagner-Opern. Das Lebensziel einer solchen jungen Dame war eine standesgemäße Eheschließung. Aus der Tatsache, dass bis in ihr 30. Lebensjahr eine solche noch nicht stattgefunden hatte, kann man schließen, dass sie anspruchsvoll war.

Christian Morgenstern lernte sie in ihrem 30. Lebensjahr kennen. Beide erkannten auf den ersten Blick, dass sie zueinander gehörten. Von der Seite des einsamen Dichters ist dies durch herrliche Gedichte und auch durch seine veröffentlichten Briefe vielfach belegt. Vor der Lebenskonsequenz einer Eheschließung aber stand er wegen seiner Krankheit und unsicheren Lebenssituation zögernd. Auch die beiderseitigen Familien zeigten sich ablehnend, besonders Margaretas Mutter, eine dem gesellschaftlichen Kodex streng ergebene Dame. Hier zeigte die willenskräftige Generalstochter, dass sie einen sicheren Instinkt und eine große Wachheit für spirituell bedeutsame Schicksalssituationen hatte und, wenn solche vorlagen, entschlossen zu handeln wusste. Im März 1910 wurde die Ehe geschlossen.

Unmittelbar nach dem ersten Kennenlernen begann der gemeinsame Weg in die Anthroposophie hinein. Auch hier war sie diejenige, die voranging. Im Januar 1909 hat sie Rudolf Steiner im Architektenhaus in Berlin gehört, im April war sie bereits Mitglied der Gesellschaft. Morgenstern schrieb ihr am 18. Mai 1909 von „dem großen Neuen, in das du mich [...] mit hineingeführt hast‟. (Morgenstern 1952, S. 369)

Die vier Jahre ihrer Ehe verbrachten sie an ständig wechselnden Orten, immer auf der Suche nach dem für Morgenstern günstigsten Klima, zunächst in einer kleinen Wohnung in Meran, später in Arosa, häufig in Hotelzimmern oder Pensionen. Für sie bedeutete das Haushalts- und Pflegeaufgaben, Beratungen mit Ärzten und das Organisieren von Reisen. Sie musste aber schmerzlich erleben, dass es trotz aller Bemühungen und vorübergehender Besserungen gesundheitlich ständig mit ihm bergab ging.

Neben den praktischen Anforderungen des Lebens lief immer das gemeinsame Erarbeiten der Anthroposophie. Bereits im Juli 1909 waren sie beide Rudolf Steiners persönliche Schüler geworden. Immer, wenn Margareta abkömmlich war, d.h., wenn ihr Mann wohl versorgt zur Kur in einem Sanatorium weilte, nahm sie an Rudolf Steiners Vortragszyklen teil. Sie war dann die Botin, die dem in der Einsamkeit Zurückbleibenden das Gehörte und Erlebte vermittelte. Die fünf Jahre, die Christian und Margareta Morgenstern das Wirken Rudolf Steiners unermüdlich begleitet haben, sind genau die Jahre, in denen Steiner seine christologische und künstlerische Tätigkeit entfaltete. 1910 begann er über die Wiederkunft des Christus im Ätherischen zu sprechen. Es gab Zyklen über die Evangelien und die Apokalypse. Die Mysteriendramen entstanden und wurden in München aufgeführt.

Im Frühjahr 1913 verbrachte das Ehepaar einige Monate in Portorose an der Adria, gemeinsam mit dem ebenfalls Erholung suchenden Michael Bauer. Dieser hatte auf okkultem Gebiet schon reiche Erfahrung. Es entstand eine Freundschaft in einem wunderbar reinen und schönen geistigen und seelischen Zusammenklingen. Früher hatte Morgenstern einmal an Margareta geschrieben (17. Oktober 1908), dass solche Menschen wie er von Zeit zu Zeit nötig seien, „sonst würde der mystische Charakter der Erde, der Welt, des Lebens vergessen werden‟ (ebd., S. 341). Man könnte dies erweitern auf die drei Menschen, die sich da trafen, und ihr Zusammensein als eine „mystische Sternstunde‟ der Menschheit bezeichnen. Im vierten Mysteriendrama, das Rudolf Steiner gerade um diese Zeit schrieb, wird die Bedeutung des spirituellen Zusammenwirkens der Menschen „nach Maß und Zahl‟ hervorgehoben.

Mir scheint, Margaretas Bedeutung für den Bund dieser drei Menschen war im Wesentlichen die Anbindung an die Erdenverhältnisse. In einem Brief Morgensterns an Margareta (12. August 1912) können wir lesen: „Ohne dich würde ich mich wohl nur noch aufs künftige Leben, auf das nächste Dasein und was dazwischen liegt, richten.‟ (Ebd., S. 437)

Als etwa ein Jahr später Morgensterns Leben sich dem Ende zuneigte, brach Michael Bauer eine Vortragsreise ab, es kam noch einmal zu einem sehr warmen und innigen Zusammensein, ehe Morgenstern am 31. März 1914, kurz nach Margaretas 35. Geburtstag, über die Todesschwelle ging.

Es war, als wenn es so sein müsste, dass sie fortan Michael Bauers Leben teilte, denn bereits zwei Monate nach Morgensterns Tod, als er Vorträge in Oslo hielt, bekam er eine Lungenblutung und sie wurde zur Pflege zugezogen. Ab 1915 nahmen sie in Arlesheim eine gemeinsame Wohnung, wiederum ein ungewöhnlicher Schritt für die adlige Generalstochter. Es ist aber gut möglich, dass sie damit sogar einem Wunsch Christian Morgensterns nachkamen, und ganz gewiss blieb er in dieser Lebensgemeinschaft immer der Dritte. 1917 bauten sie ein Haus in Breitbrunn am Ammersee, in dem sie von 1919 an wohnten.

Margaretas Haupttätigkeit war nun das Sammeln, Ordnen und Herausgeben des Nachlasses von Christian Morgenstern. Michael Bauer, der seit 1913 krankheitshalber frühpensioniert war, half ihr dabei. Außerdem schrieb er eine Morgenstern-Biografie, die später von Rudolf Meyer vollendet wurde.

Das Haus in Breitbrunn wurde ein spirituelles Zentrum. Es gab immer viele Gäste und für alle waren die Gespräche mit Michael Bauer ein besonderes Erlebnis. Ein wesentliches Ereignis war es, als Margareta Morgenstern im August 1922 die zukünftige Priesterschaft der Christengemeinschaft zu einer letzten Zusammenkunft vor der Gründungsveranstaltung in Dornach einlud. Ein gemieteter Kuhstall war der Tagungsort. So wurden die beiden sozusagen die geistigen Paten der entstehenden Bewegung. Viele der Priester kamen in späteren Zeiten regelmäßig zu ihnen zurück und fanden immer Rat und Hilfe.

Unter den Gästen des Hauses waren auch viele russische Freunde, zu denen sie eine besondere Beziehung hatten. Der lungenkranke Kunsthistoriker Trifon Trapeznikow, der schon in Arlesheim im gleichen Haus gewohnt hatte, verbrachte seine letzte Lebenszeit bis zu seinem Tod im Jahre 1926 dort, von Margareta liebevoll gepflegt. Und der russische Schauspieler Michail A. Cechov war bei ihr gerade in der Zeit, als Michael Bauer am 18. Juni 1929 starb. Offensichtlich gehörte es zu ihrem Schicksal, Menschen auf dem Weg zum Sterben zu begleiten.

Margareta Morgenstern hat ein hohes Alter erreicht. Sie schrieb noch eine Biografie von Michael Bauer und brachte immer wieder neue Bände mit Gedichten, Aphorismen und Briefen Christian Morgensterns heraus, wobei ihr Streben nicht auf eine „wissenschaftliche Gesamtausgabe‟ hinzielte, zu der sie sich nicht kompetent gefühlt hätte. Die von ihr redigierten Bändchen sind Liebhaberausgaben, für die sie auch manchmal Morgensterns Worte nach ihrem Gutdünken „verbessert‟ hat. Sie hat aber gewiss viel dazu beigetragen, dass Morgenstern heute zu den anerkannten Dichtern des beginnenden 20. Jahrhunderts gehört. Nach wie vor hatte sie viele gesellschaftliche Kontakte, ging in München in die Christengemeinschaft und oft mehrmals wöchentlich in die Oper.

Besonders hervorzuheben sind der Ernst und die Konsequenz, mit denen sie ein meditatives Leben pflegte und die inneren Wege geistiger Schulung ging. Dass sie mit zwei so bedeutenden Männern zusammengelebt hat, bewirkte, dass sie sich selbst ganz zurücknahm, zuhörend und aufnehmend, ein typisches, heute vielfach nicht gewürdigtes Frauenschicksal. Sie teilte das zurückgezogene Leben, das ihre Lebensgefährten zu führen gezwungen waren. Sicher war sie für beide eine gleichberechtigte und anregende Gesprächspartnerin. Ihre okkulten Erfahrungen zeigten sich in oft bedeutsamen Träumen, von denen sie eine ganze Reihe aufgeschrieben hat. Schon ehe sie Anthroposophin wurde, kurz nach ihrer Bekanntschaft mit Christian Morgenstern, träumte sie von einer dreistufigen Pyramide, auf deren unterster Stufe sie stand. Ein Lichtwesen kam zu ihr und sprach: So weit hast du dich durchgerungen, aber wird deine Kraft noch höher hinauf reichen? Auf dem Gipfel, ganz im Lichte, stand eine hehre Gestalt und winkte ihr liebreich zu. Mit aller Kraft strebte sie vorwärts - und erwachte. - „Nehmen Sie mich mit auf diese Stufen. Nimm mich mit, meine - Seele [...]‟, so schrieb ihr Christian Morgenstern am 20.9.1908, als sie ihm davon erzählte. (Ebd., S. 329)

Vielleicht kann man diesen Traum als ein Symbol ihres Lebens ansehen.

Almut Bockemühl

Quellen Erwähnungen

N 1925 S. 155
N 1929 S. 207
N 1932 S. 74
N 1935 S. 140
N 1941 A. 114
N 1943 S. 95, 179
N 1945 S. 171
N 1946 S, 75
N 1947 S. 32
N 1951 S. 115
N 1955 S. 208, 212
N 1958 S. 106
N 1959 S. 192
N 1962 S. 87
N 1968 S. 153, 176 b
G 1971 Nr. 24 D. Rapp
MAVN 1969 Nr. 1, S. 19
Werke: Michael Bauer, ein Bürger beider Welten, München 1950, Stuttgart ²1965; als Herausgeberin zahlreicher Werke Christian Morgensterns schrieb sie auch Vorworte zu manchen Ausgaben; Beiträge in CH, G, MaD.
Literatur: Bock, E.: Breitbrunn, in: CH 1938/39, Nr. 12; Morgenstern, C.: Ein Leben in Briefen, Wiesbaden 1952; Bock, E.: Briefe, Stuttgart 1968; Meyer, R.: Margareta Morgenstern, geborene Gosebuch von Liechtenstern, in: MaD 1968, Nr. 86; Frieling, R., Husemann, G., Wistinghausen, K. v.: Margareta Morgenstern, in: CH 1968, Nr. 10; Hiebel, F.: Gedenkblatt für Margareta Morgenstern, in: G 1968, Nr. 43; Götte, F., Kayser, H., Bessenich, J.: Margareta Morgenstern, geborene Gosebruch von Liechtenstern, in: DD 1968, Nr. 6; Schöffler 1987.
Abkürzungen: siehe hier
Copyright: Text und Bild sind urheberrechtlich geschützt. Reproduktion in jeglicher Form nur nach schriftlicher Genehmigung der Forschungsstelle Stiftung Kulturimpuls, Heidelberg

Forschungsstelle Kulturimpuls Biografien Dokumentation kulturimpuls.org