Berta Molt-Heldmaier

Molt-Heldmaier, Berta

geb.: Heldmaier

Handarbeitslehrerin.

*14.07.1876, Calw (Deutschland)

✟20.08.1939, Stuttgart (Deutschland)

(anderer Geburtsmonat: 8)

Die Frau des Initiators der ersten Waldorfschule war „von rührend zarter, inniger Schönheit. In ihren tiefen dunklen Augen leuchtete die Sehnsucht nach Geist, glänzte ein warmer Strom von Liebe, die allen Menschen entgegenschlug.‟ (M. Steiner, 1939.)

Berta Heldmaier kam am 14. Juli 1876 in Calw als Tochter eines erfinderischen Handwerksmeisters zur Welt. Sie war die mittlere von drei Schwestern. Die Töchter mussten schon recht früh in der Hutmacherei, die die Mutter neben dem Haushalt betrieb, mitarbeiten. Die Arbeit war so anstrengend, dass Bertas Gesundheit zeitweise in Mitleidenschaft gezogen wurde. Anders als ihre beiden Schwestern, war Berta ein stilles Kind, das gerne träumte und eine Leidenschaft für Bücher hatte. Im Jugend-

alter entwickelten sich, anstelle der kindlichen Frömmigkeit, in der Berta als Kind gelebt hatte, wachsende religiöse Zweifel.

18-jährig begegnete sie auf einem Schützenfest ihrem späteren Gatten Emil Molt. Einige Jahre später, nach der Heirat, zog das Paar nach Stuttgart, wo sich Emil Molt 1906 mit der Gründung der Waldorf Astoria-Zigarettenfabrik selbstständig machte. In der ersten Zeit half Berta Molt bei der Buchhaltung des Betriebs mit und kümmerte sich um den Aufbau sozialer Einrichtungen für die Arbeiterschaft. Im Jahr der Firmengründung wurde der einzige Sohn Walter geboren.

Durch einen Freund waren Berta und Emil Molt auf einen Vortrag Rudolf Steiners in Stuttgart aufmerksam geworden. Die Begegnung mit Steiner wurde für beide zum entscheidenden Lebensereignis. Bis sich einige persönliche Kontakte ergaben, waren Molts von dem merkwürdigen Habitus der Stuttgarter Theosophen abgeschreckt. Doch Berta Molt besuchte die Einführungskurse von Carl Unger und Adolf Arenson sowie die Zweigabende. Im Jahre 1906 wurden beide Mitglieder der Theosophischen Gesellschaft. Es ergab sich, dass Camilla Wandrey, ein langjähriges Mitglied aus Hamburg, für einige Monate bei Molts als Hausgenossin lebte. So wurden allabendlich bis spät in die Nacht die Schriften Rudolf Steiners studiert.

In Stuttgart führten Molts ein gastfreies, offenes Haus, in dem sich viele Menschen aus dem kulturellen sowie dem politischen und wirtschaftlichen Leben zu Austausch und Gespräch trafen.

1919 wurde dieses Haus zum Mittelpunkt der Idee und Realisierung einer neuen anthropologisch orientierten Schule, die Rudolf Steiner auf Bitten Emil Molts für die Arbeiterkinder der Zigarettenfabrik konzipierte und führte.

Berta Molt, der wie selbstverständlich die Rolle einer mittelpunktbildenden „Schulmutter‟ zukam, übernahm schon nach kurzer Zeit einen Teil des Handarbeitsunterrichts. Mit Olga Leinhas zusammen führte sie auf eine Bitte Rudolf Steiners das Buchbinden in der Oberstufe ein und machte eigens dazu noch eine Blitzlehre bei einem Buchbindermeister. Die Werkstatt wurde im Erdgeschoss des Hauses Molt eingerichtet. Darüber hinaus nahm Berta Molt einen besonderen Anteil an den Sonntagshandlungen des Freien christlichen Religionsunterrichts und versah den Einlass in den Handlungsraum.

Zu Hause hatte Berta Molt einen großen und gastlichen Haushalt. Stets kamen zahlreiche anthroposophische Studenten zum vegetarischen Mittagessen, Rudolf und Marie Steiner, Eliza von Moltke, Albert Steffen, Hermann Hesse und andere waren häufig bei ihnen zu Gast. Später stellte Berta Molt Pensionszimmer für auswärtige Schüler der Waldorfschule zur Verfügung.

Bei den Schwierigkeiten, die Emil Molt Ende der 20er-Jahre in seiner Firma zu bewältigen hatte, war Berta Molt von einer wachsenden Sorge um die Gesundheit ihres Mannes bewegt. Emil Molt starb, nachdem er die Firma an einen Trust verloren hatte, kurz nach seinem 60. Geburtstag an einem Herzleiden. Während einer wechselvollen Krankheitszeit hatte sie ihn liebevoll gepflegt. Bis zu ihrem Tod nahm Berta Molt an den politischen Ereignissen regen Anteil und widmete ihre ganze Arbeitskraft der Fertigstellung der unvollendet gebliebenen Lebensbeschreibung ihres Mannes. Sie starb am 20. August 1939 in Stuttgart.

Christiane Haid

Quellen Erwähnungen

N 1936 S. 106
N 1966 S. 111
MaD 1950 Nr. 13 Beilage, S. 14
EK 1976 Nr. 4 Dora Kimmich
Lebensbilder Kräherwald, Band II, Stuttgart 2013, S. 105

Info

Hat mit Olga Leinhas zusammen den allerersten Buchbinde-Unterricht in der
Waldorfschule übertragen bekommen. Verheiratet mit Emil.
Werke: mit Leinhas-Svärdström, O.: Buchbinden, in: Kolisko, E. [Hrsg.]: Bilder
von der Freien Waldorfschule, Stuttgart 1927.
Literatur: Steiner, M.: Frau Berta Molt, in: N 1939, Nr. 35; Götte, F. u.a.: In
memoriam Berta und Emil Molt, in: MaD 1956, Nr. 36; Kimmich, D.: Berta Molt,
in: Husemann, G,; Tautz, J.: Der Lehrerkreis um Rudolf Steiner, Stuttgart 1977;
Schöffler 1987; Lindenberg, Chronik 1988; Plato, B. v. [Hrsg.]:
Anthroposophie im 20. Jahrhundert, Dornach 2003.
Abkürzungen: siehe hier
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