Helene Finckh

Finckh, Helene

geb.: Rall

Stenografin.

*12.11.1883, Stuttgart (Deutschland)

✟20.10.1960, Stuttgart (Deutschland)

Helene war die Zweitgeborene von acht Geschwistern. Sie wuchs in Bietigheim als Tochter des Posthalters Wilhelm Rall auf. Schon bald verloren die Kinder den Vater. Helene musste früh ins Berufsleben einsteigen und Geld verdienen. Die Mutter eröffnete einen vegetarischen Mittagstisch, der vor allem junge Menschen anzog, und es gab interessante Tischgespräche.

Helene wurde Stenografin, nahm an Wettbewerben teil und wurde Lehrerin an der Handelsschule. Sie gewann einige Preise im Stenografieren, aber wenn sie sich nach dem Sinn ihrer Tätigkeit fragte, wollte sich keine Antwort finden. Sie besuchte mit ihrem Freund Erich Finckh, einem Architekten aus Esslingen, die anthroposophischen Einführungskurse von Carl Unger, wurde 1912 Mitglied der Anthroposophischen Gesellschaft und bald Zweigleiterin in Heilbronn.

Helene heiratete 1913. Der Erste Weltkrieg brach aus. Ihr Mann, inzwischen Regierungsbaumeister, musste sofort einrücken. Schon in den ersten Kriegswochen ist er gefallen.

Als sie im Sommer 1915 ihre Schwester in Dornach besuchte, konnte die Stenografin zu einem Vortrag Rudolf Steiners nicht kommen. Das war die Schicksalsstunde für Helene Finckh. Sie sprang ein und machte ihre Sache so gut, dass Rudolf Steiner sie bald darauf als offizielle Stenografin einsetzte. Da saß sie dann, seitlich von Rudolf Steiner an einem Tisch, hinter einem Vorhang, und war so vor den Blicken geschützt und ganz den Lauten hingegeben. So erzählte sie es mir.

Oft hat sie noch in der Nacht das Stenogramm in Maschinenschrift übertragen. Am folgenden Morgen wurde dann der Text noch mal gründlich durchgelesen und das eine oder andere korrigiert. Marie Steiner konnte meisterhaft lange Sätze mit „einem Griff‟ ins rechte Licht rücken. Rudolf Steiner selbst hat die Vorträge dann gewöhnlich nicht mehr durchgelesen. Er hatte keine Zeit und wusste: Marie Steiner und Helene Finckh arbeiteten mit großer Gewissenhaftigkeit.

Helene Finkh hat 2500 Vorträge mitstenografiert und gilt allgemein als die beste Stenografin Rudolf Steiners. Dabei ist zu bedenken, dass Rudolf Steiner manchmal bis zu fünf Vorträge an einem Tag hielt und dass Helene Finckh oft noch als Privatsekretärin zahlreiche Briefe und Versammlungsprotokolle zu schreiben hatte. Es gab auf dem Dornacher Gelände „das Schreibhäusle‟, von dort konnte man die Maschinen klappern hören. Es war in ihren letzten Lebensjahren, als Helene Finkh einmal gefragt wurde, ob sie denn nun alle Vorträge Rudolf Steiners ins Reine geschrieben habe. Ihre Antwort lautete: „Ja, glauben Sie denn, dass ich Ruhe hätte, wenn dies nicht so wäre?‟

Helene Finckh hat nicht alle Reisen Rudolf Steiners mitgemacht. Es gab auch Stenografen an anderen Orten, vor allem im Ausland.

Dort sprach Rudolf Steiner gewöhnlich erst einen Teil in Deutsch und ließ ihn durch einen Dolmetscher in die Landessprache übersetzen. Diese Abschnitte waren größer, als wir es heute gewohnt sind, das erforderte seitens des Übersetzers das intensive Eintauchen in den Stoff des Vortrages.

Nach 1925 blieb Helene Finckh die Sekretärin Marie Steiners bis zu deren Tod im Jahr 1948. Über Jahrzehnte las sie freitags und sonntags abwechselnd mit Günther Schubert Rudolf Steiners Vorträge im Goetheanum. Nach 1948 verwaltete und bearbeitete sie das Nachschriftenarchiv. Ein großer Teil der veröffentlichten Vorträge in der heutigen Gesamtausgabe der Werke Rudolf Steiners beruht auf der Arbeit von Helene Finckh.

Berenike Aisenpreis

Quellen Erwähnungen

N 1934 S. 62
N 1944 S. 8
N 1950 S. 58
N 1961 S. 60
MaD 1963, S. 118
MaD 1977 Nr. 120, S. 158
G 1960 Nr. 47 Todesanzeige
BfA 1960 Nr. 11 Todesanzeige
GA 260 a Personenregister
GA 263 / 1 Hinweis 147, S. 286

Info

Stenographie-Ausbildung, Heirat 1913, zogen nach Gelsenkirchen. Mann
Anfang vom Ersten Weltkrieg gefallen. 1915 besuchte ihre Schwester Ilse
Aisenpreis in Dornach. R. Steiner stellte sie zum Mitschreiben seiner Vorträge
an, machte über 2500 Vortragsnachschriften. Sie hatte viele Rollen in den
Faust- Aufführungen, später Sekretärin Marie Steiners
Literatur: Fels, A.: Ein Wort des Dankes an Helene Finckh, in: N 1960, Nr. 47; Friedenthal, R.: Helene Finckh, Weidmann, M.: Gespräch mit Helene Finckh, in: BfA 1960, Nr. 12; Zbinden, H. W.: Frau Helene Finckh-Rall zum Gedächtnis, in: MaB 1961, Nr. 25; Arenson, H.: Helene Finckh, geborene Rall, in: MaD 1961, Nr. 56; Groddeck 1980; Gloor, B. T.: Rudolf Steiners riesiges Nachlaßwerk dank Kurzschrift, in: BGA 1982, Nr. 78; Wiesberger, H.: Marie Steiner-von Sivers, Dornach 1988; Trapp, U.: Wie „authentisch‟ sind die Nachschriften?, in: G 2002, Nr. 25.
Abkürzungen: siehe hier
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