Franz Löffler

Löffler, Franz

Heilpädagoge.

*22.11.1895, Kreuzstätten in Banat (damals Österreich-Ungarn)

✟05.11.1956, Arlesheim (Schweiz)

Franz Löffler begründete gemeinsam mit Siegfried Pickert und Albrecht Strohschein die anthroposophische Heilpädagogik. In Gerswalde (Uckermark) schuf er ein wegweisendes pädagogisches Modell für Einrichtungen der Sozialtherapie.

Aus einer begüterten deutschen Bauernfamilie im Banat stammend, besuchte er das Bischöfliche Piaristen-Gymnasium in Temesvár (heute Timi¸soara). Er erhielt dort eine außergewöhnlich vielseitige Schulbildung. Nach hervorragend bestandener Maturitätsprüfung entschloss er sich zum Studium der Malerei in Wien.

Beim Ausbruch des Ersten Weltkriegs ging er - ein begeisterter Reiter - als Freiwilliger zu den Honved-Husaren. Bei den verlustreichen Kämpfen in Galizien zeichnete er sich als junger Leutnant durch Mut und Umsicht besonders aus, bis er im Juli 1917 in russische Gefangenschaft geriet. Er kam in ein Lager östlich des Baikal-Sees in Sibirien, wo er nach einem leichtfertigen Fluchtversuch schwer misshandelt, dann aber durch die schwedische Delegierte des Roten Kreuzes, Elsa Brändström, den „Engel von Sibirien‟, aus verzweifelter Lage gerettet wurde. Auf dem mühsamen Heimweg erlebte er im März 1919 beim Ersten Kongress der Kommunistischen Internationale in Moskau das Auftreten Lenins.

In die Heimat zurückgekehrt, wurde er aus politischen Gründen vom neuen rumänischen Regime ausgewiesen und für staatenlos erklärt. Wohl im Herbst 1920 ging er daraufhin nach Jena, um dort Ernst Haeckel aufzusuchen, auf den er durch ein Buch Rudolf Steiners aufmerksam geworden war. Er lernt dort Johannes Trüper kennen, den weithin bekannten Leiter der heilpädagogischen Anstalt „Sophienhöhe‟, dessen Tochter Änne später Löfflers Frau und ein Leben lang seine Mitarbeiterin wird. An der Jenaer Universität studiert Löffler Philosophie, Pädagogik und Psychologie. Zugleich trifft er in Jena Ernst Lehrs und andere anthroposophisch orientierte Freunde. Für einige Zeit reist er nach Stuttgart, um die dort im Aufbau befindliche Waldorfschule zu besuchen. Er lernt Karl Schubert kennen, der dort die Hilfsklasse führt, wie auch Caroline von Heydebrand, Eugen Kolisko, Herbert Hahn, Maria Röschl, Fried Geuter. Vermutlich findet damals auch die erste Begegnung mit Rudolf Steiner statt, dessen esoterischer Schüler er wird. (Girke 1995, S. 53) Änne Trüper, die durch Heinz Müller mit der Anthroposophie bekannt geworden ist, zieht währenddessen nach dem Tode ihres Vaters eine Reihe jüngerer Mitarbeiter auf die „Sophienhöhe‟, die damit auch in den Umkreis Franz Löfflers eintreten: Grete Becker, die später den Arzt Heinrich Hardt heiraten wird, Olga Franke, die sich mit Alois Künstler verbindet, Albrecht Strohschein, Siegfried Pickert. Am 1. November 1923 beginnt Löffler auf der Sophienhöhe als Werklehrer und Erzieher.

Nach der Dornacher Weihnachtstagung 1923/24 holt er sich zusammen mit Pickert und Strohschein Rat für seine heilpädagogische Arbeit bei Rudolf Steiner. (Pickert 1957, S. 3) Er kommt dabei auch mit Ita Wegman in Kontakt und wird zum ersten „Jungmediziner-Kurs‟ (GA 316) eingeladen. Angesichts des wachsenden Widerstands fachärztlicher Kreise gegen ihre neuartigen Methoden entschließen sich die drei Freunde wenige Monate später im Haus „Lauenstein‟, einem heruntergewirtschafteten Vorstadtgasthaus, ein eigenes Heim für seelenpflegebedürftige Kinder aufzubauen. Rudolf Steiner ermuntert sie, den Versuch trotz mangelhafter Vorbildung und weitgehend fehlender Mittel zu wagen. Das Haus wird ab dem 1. Mai 1924 gemietet, in Eigenarbeit notdürftig renoviert und am 18. Juni 1924 - das Datum wird in der anthroposophischen Heilpädagogik seither als „Lauenstein-Tag‟ gefeiert - besucht Rudolf Steiner die unscheinbare Initiative. Er lässt sich die neun Pfleglinge vorstellen und beginnt mit den therapeutischen Erläuterungen, die er eine Woche später in Dornach während des Heilpädagogischen Kurses (GA 317) fortsetzt.

In einem Gespräch nach dem Vortrag vom 6. Juli gibt er Löffler wichtige Ratschläge für eine Psychologie als spirituelle Betätigung, die zu einem neuen Verhältnis zu den Pfleglingen führen könne. Hierbei komme es auf die rhythmischen Prozesse im Tages- und Jahreslauf besonders an. (Girke a.a.O., S. 71f.) Dieses Gespräch wird für Löffler zum Keimpunkt seiner Bemühungen um eine Psychologie der „bildschaffenden Seelenkräfte‟, die er später in einer Reihe von Aufsätzen zu skizzieren versucht. Vom Bildersturm des Intellektualismus spricht er dort, von der notwendigen Pflege der Gefühlskräfte, von Glaube und Begeisterung und der Schlüsselfähigkeit bildhafter Fantasie. (Girke, a.a.O., S. 171ff.)

Im Frühjahr 1925 feiert Löffler seine Hochzeit mit Änne Trüper auf der Wartburg. Auf Bitten von Ita Wegman geht er zusammen mit Werner Pache 1926 nach Arlesheim, um die Umwandlung der Klinik-Dependance „Sonnenhof‟ in ein heilpädagogisches Kinderheim zu realisieren. Dort trifft er Julia Bort, mit der ihn eine lebenslange Freundschaft verbinden wird, sowie Edmund Pracht und Walter Lothar Gärtner, die mit ihm über die Gestaltung ihrer neu entwickelten Leier-Instrumente beraten. Als die Villa des Oberstleutnants Seebohm in Jena-Zwätzen, „Haus Bernhard‟, frei wird, zieht er wieder zurück. Jetzt wohnt er mit seiner jungen Familie - zwei Töchter waren inzwischen geboren - in einem Haus mit Gerbert Grohmann, für dessen Buch „Die Pflanze‟ er den Einband gestaltet. Einen weiteren Freund gewinnt er in dem Wiener Arzt und späteren Begründer der Camphill-Bewegung Karl König.

Zu seiner bedeutendsten Lebensleistung gelangt Franz Löffler mit dem Auszug seiner Kindergruppe nach Gerswalde in der Uckermark im Jahre 1929. Hier schafft er auf dem ehemaligen Besitz der Familie von Arnim, einem idyllischen Landgut mit großzügig ausgestattetem Haupthaus, ausgedehnten Nebengebäuden, die für Wohnungen und Werkstätten genutzt werden konnten, einer romantischen Burgruine aus der Askanier-Zeit, Wiesen, einem See, mit Landwirtschaft und Gärtnerei im Lauf der Jahre mit ihm treu ergebenen Helfern eine „pädagogische Provinz‟ von eindrucksvoller Vielseitigkeit und Prägnanz des Erscheinungsbildes, die viele Besucher beeindruckt und begabte junge Mitarbeiter anzieht: den Maler Frans Copijn, den Heilpädagogen und Musiker Alois Künstler, später die Eurythmistin Helene Reisinger, die Pianistin Alexandra Graatz, den Komponisten Hans Georg Burghardt. Als Ärzte waren Edmund Drebber, Friederike Charlotte Luise Schmidt und Hedwig Zerm in Gerswalde tätig, in der Gärtnerei Erich und Käthe Seifert sowie Nora Hoppe. Häufig zu Gast war Caroline von Heydebrand vom Stuttgarter Waldorf-Kollegium, die 1938 in Gerswalde starb.

Eindrucksvoll schildert Löffler einen Besuch Ita Wegmans, seinen Rundgang mit ihr über das Gelände und ihre prophetischen Vorahnungen der verhängnisvollen Ereignisse, die damals bevorstanden. „Nachdem wir so ziemlich alles, was uns noch bürgerlich gestützt hatte, verloren haben und wir mitten im dialektischen Gefasel gerader und gezielter wahrzunehmen gelernt haben, ist uns jener Funke der Begeisterung, der durch Frau Dr. Wegman wirkte, ein Stück karitativen Vermächtnisses der Anthroposophie geworden, das sich heilend abhebt von jenem Mechanismus dämonisierter Begeisterung, die als Getöse extrem politischer Epidemien uns in die Ohren dröhnt.‟ (Girke, a.a.O., S. 98)

Das Institut Gerswalde wird zunächst als heilpädagogisches Heim geführt, nach 1945 dann als Heim für verwahrloste Kinder, die infolge der Kriegsereignisse versorgt werden mussten. Für sie wird jetzt eine achtklassige Waldorfschule angegliedert, die offiziell nicht als solche erscheinen darf. Als Lehrer dieser Schule sind besonders Walfriede Reinhardt und Hermann Girke zu nennen. Bis zur Auflösung seines Instituts durch den feindlichen Staat im Herbst 1950 kämpft Franz Löffler unausgesetzt mit wirtschaftlichen und politischen Widerständen.

Das kommunistische Regime steckt ihn für zehn Wochen in dasselbe Gefängnis, in welchem er schon bei den Nationalsozialisten inhaftiert war.

Nach seiner Entlassung begründet Löffler mit seinem Schwiegersohn Hermann Girke in Berlin-Zehlendorf das „Caroline-von-Heydebrand-Heim‟. Zusammen mit Friedrich Lorenz und Waldemar Volkmer sucht er die unterschiedlichen anthroposophischen Gruppen Berlins für eine neue Zusammenarbeit zu gewinnen, beginnend 1952 mit einer öffentlichen Pfingst-Tagung, an der u. a. Emil Bock, Bernard Lievegoed, Margarete Kirchner-Bockholt, Fried Geuter und Werner Pache mitwirken. Die Begründung des Arbeitszentrums Berlin Ende 1955 ist wesentlich sein Verdienst. Bei einer Reise nach Arlesheim im Juli 1956 wird Franz Löffler schwer krank. Er stirbt, ungarisch redend, einen Tag nach der Niederschlagung des Budapester Aufstands durch sowjetische Truppen, gemeinsam mit den Freiheitskämpfern des Landes seiner Jugend.

Johannes Kiersch

Quellen Erwähnungen

N 1925 S. 48
N 1928 S. 47
N 1929 S. 79, 109, 113, 184, 203
N 1957 S. 13
N 1961 S. 166
N 1963 S. 171
MaD 1952 Nr. 21, S. 139
AM 1952 Nr. 8-9, S. 3
G 1956 Nr. 48 Todesanzeige
Sam. M.M.: Eurythmie; Dornach 2014, S. 222, 334
GA 260 a Personenregister

Info

Pionier der anthroposophischen Heilpädagogik. Leitete ein
heilpädagogisches Heim in Gerswalde. Vortragender
Werke: Einiges über die künstlerische Betätigung bei seelenpflege-
bedürftigen Kindern, in: Das seelenpflege-bedürftige Kind, Dornach 1930;
Aus der heilpädagogischen Praxis, in: Heil- und Erziehungsinstitute für
seelenpflege-bedürftige Kinder, o. A.; Bildschaffende Seelenkräfte als Mittel
der Seelenpflege von Kindern und Jugendlichen, in: Heilende Erziehung,
Arlesheim 1956; Frau Dr. Wegman in Gerswalde, in: von Grunelius, A.
[Hrsg.]: Ita Wegmans Erdenleben, Arlesheim 1976; Aufsätze, Aphorismen
und Gedanken zu den Vorträgen, aus dem künstlerischen Schaffen, in: Girke
1995, S. 171-314; Übersetzung ins Englische erschienen; Beiträge in MaD,
Msch, Na, Pfa, SbK, WNA.
Literatur: Pache, W.: Franz Löffler, in: MaD 1956, Nr. 38; Pickert, S.: Im
Gedenken an Franz Löffler, in: SbK 1957, Nr. 2; Kelber, W.: Letzte
Begegnungen mit Franz Löffler und Dr. Gerhard Suchantke, in: MaD 1959,
Nr. 47; Krück von Poturzyn, M. J.: Aufbruch der Kinder 1924, Stuttgart 1968;
Schöffler 1987; Lindenberg, Chronik 1988; Girke, H.: Franz Löffler. Ein Leben
für Anthroposophie und heilende Erziehung im Zeitenschicksal, Dornach
1995; Glöckler, M.: Zum 100. Geburtstag, in: N 1995, Nr. 37/38; Uhlenhoff,
W.: Die Kinder des Heilpädagogischen Kurses, Stuttgart 1994, ²1996;
Grimm, R.: Neues kommt nicht von selbst, Dornach 1999.
Abkürzungen: siehe hier
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