Franz Lippert

Lippert, Franz

Gärtner.

*09.04.1901, Wiesentheid bei Aschaffenburg (Deutschland)

✟26.08.1949, Traunstein (Deutschland)

Franz Lippert war Gärtner und Forscher für Heil- und Gewürzkräuter, ein Kompostierungsspezialist. Er entwickelte Gewürzkräuterbeigaben zum Viehfutter und zur Düngung auf biologisch-dynamischer Grundlage. Seine Haltung während der NS-Zeit hat in gewisser Hinsicht symptomatischen Charakter.

Er war viertes und letztes Kind. Seine Mutter verstarb, als er noch nicht zweijährig war. Früh der Natur zugewandt schloß er sich mit 13 Jahren einer Wandervogelgruppe an, in der er mit Adolf Ammerschläger, Hans Kuhn und Eduard Lenz, alle später Anthroposophen, zusammenkam. Zunächst besuchte er eine Forstschule, machte dann aber schließlich eine Ausbildung zum Gärtner.

Sein berufliches Tätigkeitsfeld war zunächst in einer aus Kreisen der Jugendbewegung gegründeten Gemeinnützigen Siedlungsgesellschaft auf dem Frankenfeld bei Darmstadt, wo er auch seine spätere Frau Agnes Stickelmann kennen lernte. Es folgte die Betreuung der Gartenanlagen des Schriftstellers Karl Wolfskehl auf Schloß Kiechlingsbergen im Kaiserstuhl. 1920 begegnete Lippert der Anthroposophie, gehörte dann zu dem Kreis von jungen Menschen um Rudolf Steiner, die sich für die Anthroposophie interessierten und nahm im Oktober 1922 in Stuttgart am „Pädagogischen Jugendkurs‟ Rudolf Steiners teil. 1922 wurde er Mitglied der Anthroposophischen Gesellschaft.

Im August 1923 nahm er eine Stellung als Laborant und Heilpflanzengärtner beim Forschungsinstitut der „Der Kommende Tag AG‟ an. Von dort aus fuhr Lippert als einer der jüngsten Teilnehmer zum landwirtschaftlichen Kursus Steiners im Juni 1924 in Koberwitz. (GA 327) Dieser wurde ihm zur entscheidenden Anregung für seine Lebensarbeit. Es ging ihm sogleich weniger um eine theoretische Ausarbeitung als um das praktische Erproben dieser Anregungen. 16 Jahre, vom Herbst 1924 bis zum Frühjahr 1940, verantwortete er die Heilpflanzengärtnerei der Weleda Betriebe in Schwäbisch-Gmünd. Dabei legte er dort nicht nur den Heilpflanzenanbau und deren Laborverarbeitung an, sondern sammelte auch auf ausgedehnten Wanderungen im Schwarzwald und anderen Gegenden Heilpflanzen, die er im Labor verarbeitete.

Rudolf Steiners Hinweis, daß Heilpflanzen nicht nur für medizinische Heilmittel von Bedeutung seien, sondern auch für die Belebung des Mutterbodens in der Landwirtschaft Beachtung verdienten, veranlaßte Lippert, an der Verwendung von Heilpflanzenzusätzen in der Düngung und im Viehfutter zu arbeiten. In diesem Zusammenhang wurde er bald Mitarbeiter in gärtnerisch-landwirtschaftlichen Arbeitsgemeinschaften und im „Versuchsring anthroposophischer Landwirte‟, wo er als Kompostierungsspezialist und als vielseitiger Berater und Vortragender in landwirtschaftlichen Betrieben und Gärtnereien wirkte. Eine nähere Zusammenarbeit entstand mit Erhardt Bartsch und dessen Kreis von Mitarbeitern in Marienhöhe.

Neben den Anbau von Heilkräutern für die Herstellung der Heilmittel, neben die weitere forscherische Arbeit und die Verbreitung seiner Kenntnisse trat mit dem Beginn der Naziherrschaft eine neue Herausforderung an ihn heran. War die biologisch-dynamische Landwirtschaft schon vor 1933 Angriffen der Düngemittelindustrie ausgesetzt gewesen, so erwiesen sich auch die neuen Machthaber vielfach als Gegner der biologisch-dynamischen Arbeit. Schon im November 1933 wurde die öffentliche Verbreitung biologisch-dynamischer Produkte in Thüringen verboten. Bei Rudolf Hess fanden die Vertreter der biologisch-dynamischen Landwirtschaft ein offenes Ohr. Er veranlaßte Vergleichsversuche zwischen biologisch-dynamischem und schulwissenschaftlichem Anbau. Lippert wurde gebeten, diese durchzuführen. Er galt als sachverständig und gewissenhaft. Lipperts Vergleichsversuche für den Nachweis der Wirkungen biologisch-dynamischer Präparate gehörten damals zu den besten.

In diesen Jahren wuchs aber auch das Bestreben Lipperts, an dem Ratschlag Rudolf Steiners zu arbeiten, in der Landwirtschaft „geschlossene Betriebsorganismen‟ zu bilden. Das war bei der Weleda nicht möglich. Als sich im Laufe des Jahres 1940 für ihn eine Gelegenheit dazu ergab, verließ er seine Arbeit bei der Weleda und übernahm den Heil- und Gewürzkräuteranbau des Wigo-Werkes in Trittau. Hier arbeitete er von September 1940 bis August 1941. Dies war kürzer als geplant.

Denn es blieb nicht bei dem Verbot der Anthroposophischen Gesellschaft in Deutschland im November 1935. Am 9. Juni 1941 kam es zu einer groß angelegten Gestapo-Aktion, u. a. gegen Anthroposophen, gegen Pfarrer der Christengemeinschaft und gegen die Vertreter der biologisch-dynamischen Landwirtschaft, deren Verband aufgelöst wurde. Auch Erhard Bartsch wurde verhaftet. Inzwischen aber plante Himmler selbst, ausgedehnte Versuchsanlagen für Heil- und Gewürzkräuter auf biologisch-dynamischer Grundlage den Konzentrationslagern anzugliedern. In Dachau realisierte er dieses Vorhaben. Lippert wurde vor die Wahl gestellt, die Verantwortung dieser Versuchsanlage zu übernehmen, oder an die Front geschickt zu werden. Lippert akzeptierte die Verantwortung. In Absprache mit Erhard Bartsch ging es ihm darum, daß biologisch-dynamische Versuche, wenn sie sich schon unter den gegebenen Umständen nicht vermeiden ließen, möglichst von qualifizierten Mitarbeitern der biologisch-dynamischen Bewegung verantwortet werden sollten.

Da die Gestapoaktion gegen die Anthroposophen relativ unkoordiniert ablief, und sich über Monate hinzog, wurde Lippert im September 1941 in Trittau gesucht, war aber zu diesem Zeitpunkt schon Versuchsleiter in den Anlagen beim Konzentrationslager Dachau, die er bis zum Kriegsende im April 1945 betreute.

In der Tagespresse der 80er-Jahre vermutete man, daß Lippert den dort üblichen menschenunwürdigen Umgang mit den Häftlingen gehabt hätte. Als aber in den neunziger Jahren der Nachlaß Lipperts zugänglich wurde, zeigte sich das Gegenteil: Aus persönlichen Briefen von früheren Häftlingen an Lippert, wie auch aus deren Zeugnissen in seiner Spruchkammerakte in den Jahren unmittelbar nach dem Kriege geht hervor, daß Lippert von den Häftlingen vielfach als Helfer in der Not betrachtet wurde. Er sorgte z.B. dafür, daß die ihm unterstellten Häftlinge Wintermäntel erhielten, vermittelte Nachrichten und Nahrungshilfe von außen, kurz, diese Zeugnisse belegen, daß Lippert, wo er nur konnte, auch mit eigenem Überlebens-Risiko, sich für Menschlichkeit in unmenschlichen Verhältnissen einsetzte.

Nach dem Kriege konnte sich Lippert nur kurz für die Aufbauarbeit der biologisch-dynamischen Bewegung engagieren. Er verbrachte diese Jahre in Gollenshausen am Chiemsee und starb am 26. August 1949 nach längerem schmerzvollen Leiden in Traunstein.

Uwe Werner

Quellen Erwähnungen

N 1929 S. 188
N 1931 S. 208
N 1932 S. 7, 40, 184
N 1933 S. 172
N 1934 S. 4, 210
N 1935 S. 2
N 1936 S. 4
MaD 1948, Nr. 6, S. 46
Werke: Heilpflanzenanbau, Stuttgart 1932; Heilpflanzen-Präparate zur Pflege der Dauerfruchtbarkeit der Böden, Darmstadt o. J.; Zur Praxis des Heilpflanzenbaus, Dresden 1939; Unsere Küchenkräuter, Ludwigsburg 1940; Wirtschaftseigenes Würzfutter, Stuttgart 1951; Vom Nutzen der Kräuter für den Landbau, Stuttgart 1953, ³1981; Beiträge in Sammelwerken; Übersetzung ins Italienische erschienen; Beiträge in D, LE, MBD, MFw, N, WJ, WNA.
Literatur: Krüger, H.: Franz Lippert, in: MaD 1949, Nr. 9; Dreidax, F.: Dienst am Heilpflanzenwesen, in: N 1950, Nr. 2; Hagemann, E.: Bibliographie der Arbeiten der Schüler Dr. Steiners, o. O. 1970; Wistinghausen, A. v.: Erinnerungen an den Anfang, Darmstadt 1982; Schöffler 1987; Werner, U.: Anthroposophen in der Zeit des Nationalsozialismus, 1933-1945, München 1999; Plato, B. v. [Hrsg.]: Anthroposophie im 20. Jahrhundert, Dornach 2003.
Abkürzungen: siehe hier
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