Dr. phil. Lehrs, Ernst
Waldorflehrer.
*30.07.1894, Berlin (Deutschland)
✟31.12.1979, Eckwälden (Deutschland)
Ernst Lehrs war Oberstufenlehrer in Stuttgart, Den Haag und London, nach 1948 Dozent an verschiedenen Seminaren.
Der Erste Weltkrieg hatte eine Generation junger Menschen entlassen, die sich ungemein von der Generation, die seinerzeit in den Krieg gezogen war, unterschied. Die meisten von ihnen waren überzeugt - und traten dafür ein -, dass die Gesellschaft, die sich in den Krieg führen ließ, von Grund auf geändert werden müsse.
Eine Gruppe dieser jungen Menschen entdeckte um 1920 die Anthroposophie und Rudolf Steiner. Sie fanden bei ihm ein offenes Ohr und Herz für ihre Gedanken. Die Geisteswissenschaft vertiefte ihre Anschauungen, verwandelte und formte sie neu. Ernst Lehrs war einer aus dieser Gruppe. Er hatte mehrere persönliche Begegnungen mit Rudolf Steiner und wurde damit auf den Weg gewiesen, der sein künftiges Leben bestimmte. Ernst Lehrs war mit ganzem Herzen Anthroposoph und vertrat dies mit voller Überzeugung.
Er hatte bereits ein volles Studium abgeschlossen. Er war Naturwissenschaftler mit der Hauptrichtung Elektrizität. Sein Denken war durch das Studium geschult, nun wurde es durch geistiges Streben, das ihn als Denker mit Goethe verband, vertieft. Er hat ohne Unterlass goetheanistische Studien betrieben.
Er wurde zu einem der ersten Waldorflehrer berufen. Ernst Lehrs wurde nicht zum stillen Forscher, er war stets von Menschen umgeben. Er wurde zum Lehrer, der Schüler unterrichtete und Erwachsene in Berufs- und Lebensfragen beriet. Man hat das Gefühl, dass die meisten seiner Gedanken durch das Gespräch ins Leben traten. Er war Naturwissenschaftler, Lehrer, Anthroposoph. Alles wird vom Suchen und Streben nach Wesenserkennen getragen.
Die erwähnte Gruppe junger Menschen veränderte das Bild der Menschen, die sich um Rudolf Steiner gefunden hatten. Ernst Lehrs ragte aus ihnen durch unbedingtes Streben und durch klares, offenes Eintreten für seine Überzeugung heraus. Er war ein Feuergeist, der Gedankenklarheit mit Herzenswärme und Enthusiasmus verband. Diese gradlinige Art trug ihm von Rudolf Steiner herzliche Anerkennung ein. Er unterstützte und förderte ihn ungemein. Er fügte diese Gruppe als belebendes Element in den Strom der anthroposophischen Bewegung.
Mancher Ältere nahm Anstoß. Junge Menschen hatten zu lernen und zu schweigen, so war das damals. Ernst Lehrs sah das anders. Damit waren Auseinandersetzung und Streit gegeben. Rudolf Steiner antwortete darauf mit einer Gründung, die den jungen Menschen dienen sollte. Das war die Freie Anthroposophische Gesellschaft, die bis 1931 existierte.
Ernst Lehrs bekam von Rudolf Steiner mehrere Hinweise für die esoterische Arbeit. Die Entstehung des esoterischen Jugendkreises 1922 ging wesentlich auf seine Initiative zurück.
Ernst Lehrs war Vortragender, hat aber auch viel geschrieben. Der Schreibstil ist ungemein bildhaft - flüssig, in einem schönen Deutsch. Hinzu kommen Gedankenklarheit und Bau des Ganzen im Referat, im Buch. Hier bemerkt man die naturwissenschaftliche Denkschulung, die Ernst Lehrs zum goetheanistischen Schauen erweiterte.
„Mensch und Materie ist ein Werk, das Ernst Lehrs selbst als sein liebstes Kind betrachtete. Dazu schrieb er einen Kommentar: „Vor dem Beginn der eigentlichen Besprechung optischer Phänomene im Lichtkurs werden wir auf die Notwendigkeit gewiesen, zu der Erforschung rein zentrisch orientierter Kraftfelder, wie sie die Wissenschaft bisher einseitig betrieben hat, diejenige von Kraftfeldern peripherischer Ordnung hinzuzufügen, das heißt von Kräften, deren Dynamik polar entgegengesetzt ist derjenigen der Schwerkraft. Im Hinblick auf die zurzeit noch bestehende Ablehnung der Goetheschen Farbenlehre heißt es bei Rudolf Steiner: Man wird vielleicht über die Farben im Sinne Goethes sprechen, wenn eine andere Burg erstürmt sein wird, die als noch fester gilt und die eigentlich heute auch schon ins Wanken gekommen ist. Das ist die Burg der Gravitation. Dieser Hinweis hat mich veranlasst, streng auf den Bahnen reiner Beobachtung eine Lehre von der Leichte auszubilden, die die Entwicklung des Begriffes des Magischen im Unterschied zur mechanischen Verursachung von Vorgängen in der Natur notwendig macht, sowie des Begriffes der Regheit als einer autonomen Eigenschaft der Materie gegenüber ihrer heute einseitig betrachteten Eigenschaft der Trägheit, und die in ihrer weiteren Ausführung unter anderem auch eine Neuorientierung des Raumbegriffes auf der Grundlage des von George Adams Kaufmann auf geometrischem Felde zuerst Erarbeiteten forderte.
Ernst Lehrs hat im Verlaufe seines Lebens mitteleuropäisches Schicksal seiner Zeit tragen müssen, aber er blieb in allen Bewegungen dem eingeschlagenen Wege treu. Er war in ein jüdisch-protestantisches Elternhaus in Berlin geboren. Die Familie erlebte sich uneingeschränkt als Deutsche. Ernst Lehrs meldete sich als Kriegsfreiwilliger zum Beginn der großen Auseinandersetzung 1914 und machte den Krieg vollständig mit.
1923, direkt nach der Promotion, wurde er Oberstufenlehrer an der ersten Waldorfschule in Stuttgart und im selben Jahr war er Teilnehmer an der Weihnachtstagung, die für die Anthroposophische Gesellschaft bestimmend wurde. 1935 verließ Ernst Lehrs Deutschland, unterrichtete zunächst an der Waldorfschule in Holland, später in England. 1940 wurde er in England interniert und begegnete Karl König. Von diesem Treffen ging wieder ein Impuls aus, der den Naturwissenschaftler mit der anthroposophischen Heilpädagogik verband.
Auch in England blieb er Wanderer. An mehreren Orten lebte und unterrichtete er. Dort, in England, erschien sein Werk, das ihm zur wesentlichen Aussage wurde, „Man or Matter. Dieses Buch hat viele Menschen erreicht.
Maria Röschl stand ihm lange Zeit sehr nahe. Sie arbeiteten zusammen, einer den anderen tragend. 1939 heirateten sie in England. Ihr erstes gemeinsames Anliegen waren neben der Anthroposophie die Jugend und deren Wege zu einem prinzipiell sinnvollen Leben in der materialistisch-technisch geprägten Zeit.
1952 riefen deutsche Heilpädagogen Ernst Lehrs als Dozent nach Eckwälden an die entstehende Ausbildungsstätte für anthroposophische Heilpädagogik. Dieser Ort wurde zur letzten großen Station seines Lebensweges.
29.05.1925 - 05.06.1925: Pfingstagung der Jugendsektion: "Ziele und Arbeitsweisen der Jugendsektion"
02.08.1925 - 15.08.1925: Pädagogischer Ferienkurs
22.05.1926 - 25.05.1926: Halböffentliche Jugendtagung der Freien Anthroposophischen Gesellschaft
22.10.1926 - 24.10.1926: Herbsttagung der "Anthroposophen Mitteldeutschlands"
01.01.1928 - 31.12.1928: Freie Anthroposophische Gesellschaft
02.01.1928 - 04.01.1928: Pädagogische Tagung
11.03.1928 - 12.03.1928: Öffentliche Tagung
31.03.1929 - 31.03.1929: Erweiterung des Kommitees der Freien Anthroposophischen Gesellschaft
11.08.1929 - 25.08.1929: Sommertagung
12.08.1929 - 19.08.1929: Summerschool of the Youth-Sektion
18.10.1929 - 21.10.1929: Öffentliche Tagung
21.06.1930 - 22.06.1930: Jugendtreffen
02.08.1930 - 10.08.1930: Kamp de Stakenberg
27.03.1931 - 30.03.1931: Neunte öffentliche Erziehungstagung "Erziehung im Zeitalter der Technik"
14.05.1932 - 18.05.1932: Zehnte öffentliche Erziehungstagung
04.07.1932 - 09.07.1932: Studienwoche der Freien Waldorfschule
04.01.1933 - 09.01.1933: Öffentliche Tagung "Weltorientierung durch Anthroposophie"
02.05.1933: Beginn des Sommersemesters der Lehrerbildungskurse
01.04.1953 - 30.04.1953: Ostertagung Akademie Comburg
24.08.1953 - 30.08.1953: Öffentliche Internationale Konferenz
01.01.1955 - 31.12.1955: Verleihung des Goethe-Preises in Hamburg
01.01.1955 - 31.12.1955: Nach Albert Einsteins Tod
01.01.1956 - 31.12.1956: Mitteilung über das Leben nach dem Tode
01.01.1956 - 31.12.1956: Zum Führungsprinzip innerhalb der AAG
24.04.1957 - 04.05.1957: Ostertagung
01.01.1958 - 31.12.1958: Über den Mystiker Thomas Taherne
08.02.1958 - 09.02.1958: Öffentliche Vortragsveranstaltung
22.05.1958 - 26.05.1958: Treffen tätiger Anthroposophen
09.08.1958 - 24.08.1958: Anthroposophical Summer School
01.01.1959 - 31.12.1959: Über Raketenfaszination und Denkverantwortung
01.01.1959 - 31.12.1959: Flying Saucers
26.04.1961 - 05.05.1961: 100. Geburtstag Rudolf Steiners
19.05.1961 - 23.05.1961: Pfingsttagung der Jugendsektion
09.06.1962 - 11.06.1962: Johanni-Tagung "Das historische Gewissen"
25.09.1966 - 02.10.1966: Michaeli-Tagung Das Schicksal des Michaelzeitalters
01.01.1970 - 31.12.1970: Rudolf Steiner Seminar für Heilpädagogik 1965-1969
10.10.1972 - 15.10.1972: Jugendtagung "Die Verantwortung des Menschen gegenüber der Erde"
01.01.1973 - 31.12.1973: Jahresbericht des Rudolf Steiner Seminars für Heilpädagogik in Eckwälden
05.01.1973 - 07.01.1973: Gesprächstagung "Die Strömung der Aristoteliker und Platoniker"
Forschungsstelle Kulturimpuls Biografien Dokumentation kulturimpuls.org