Hohlenberg, Johannes E.
Schriftsteller, Redakteur, Generalsekretär der Anthroposophischen Gesellschaft in Dänemark.
*21.05.1881, Kopenhagen (Dänemark)
✟10.05.1960, Kopenhagen (Dänemark)
Johannes Hohlenberg, ein Weltmann von Format, engagierte sich als Publizist für ein individualisiertes Kulturleben, war in den 20er-Jahren Generalsekretär der dänischen Landesgesellschaft, zog sich im Laufe der 30er-Jahre aus der gesellschaftlich organisierten anthroposophischen Arbeit zurück und setzte sich bis zu seinem Lebensende philosophisch und sozialkritisch mit seiner Zeit auseinander.
Er wurde am 21. Mai 1881 als Sohn eines Pfarrers in Kopenhagen geboren und wuchs mit zwei Geschwistern in einem kultivierten Haus auf, in welchem zahlreiche Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens verkehrten. Johannes Edouard war wie seine Geschwister musikalisch begabt, spielte Geige und Klavier. Mit 17 Jahren schloss er das humanistische Gymnasium ab und entschloss sich, bildender Künstler zu werden. Zunächst studierte er an der Malerschule in Kopenhagen bei Kristian Zahrtmann und setzte später seine Studien mit einer Bildhauerlehre bei Joakim Skovgaard fort. Es folgten Wanderjahre in die wichtigsten Kunstmetropolen Europas. 1906 ließ sich Hohlenberg in Paris nieder und wurde Mitglied und regelmäßiger Aussteller des Pariser wie auch des Herbst-Salons. Die Malerei sollte jedoch nicht das Hauptarbeitsfeld Hohlenbergs bleiben: Er widmete sich in den folgenden Jahren mehr und mehr der Schriftstellerei.
Diese Wende wurde durch eine längere Reise nach Ägypten eingeleitet, die sich an den sechsjährigen Paris-Aufenthalt anschloss. Hohlenberg war von der rätselhaften und monumentalen Architektur der Pyramiden fasziniert, ein halbes Jahr lang betrieb er in Gizeh intensive Studien, die bald zu einer schriftlichen Verarbeitung reiften. Durch seine Pariser Freunde, Paul und Mirra Richard, die eine nahe Verbindung zu dem in Indien lebenden Yogalehrer Sri Aurobindo hatten, wurde Hohlenberg zur Mitarbeit an einer Zeitschrift über östliche Spiritualität aufgefordert. So reiste er im Jahre 1915 nach Indien, musste jedoch wenig später nach Europa zurückkehren, da er der Spionage verdächtigt wurde. Während des kurzen Aufenthalts in Indien hatte er zwei Porträts von Sri Aurobindo verfasst und in Gesprächen mit ihm die der alten Yogatradition zugrunde liegende Philosophie und meditative Praxis kennen gelernt. Diese Erfahrungen veröffentlichte Hohlenberg in einem bemerkenswerten Buch über Yoga und den europäischen Menschen. Ein weiteres Werk über Nostradamus folgte wenig später. Mit diesen drei ersten Veröffentlichungen gelang es Hohlenberg, sich als Autor einen beachteten Namen zu machen. Weitere schriftstellerische Erfahrung konnte er als Kunstkritiker und Journalist bei der Zeitung „Berlingske Tidende‟ gewinnen, zudem war er Redaktionssekretär bei der „Illustreret Tidende‟ und Redakteur der „Kvartalsskrift for psykisk Forskning‟. Übersetzungen waren ein weiteres Arbeitsfeld, das der sprachlich hoch begabte Hohlenberg sein Leben lang beibehalten sollte.
Gegen Ende des Ersten Weltkriegs lernte er die Anthroposophie durch seinen Freund Carl Vett kennen. Er engagierte sich besonders für die soziale Dreigliederung. Im September 1920 besuchte er die Anthroposophischen Hochschulkurse (GA 322) in Dornach. Er wurde von Rudolf Steiner beauftragt, als Vertreter der „Internationalen Arbeitsorganisation für Dreigliederung‟ die Arbeit in Dänemark zu leiten und er gründete mit Vett die Zeitschrift „Nye Tanker‟ (später „Tregreningen‟), eine Zeitschrift der Dreigliederungsbewegung.
Zudem engagierte sich Hohlenberg auch innerhalb der anthroposophischen Arbeit in Kopenhagen. Der zahlenmäßig kleine Zweig konnte durch ihn eine imponierende Aktivität entwickeln. Hohlenberg hielt zahlreiche Vorträge über die Dreigliederung, die sich besonders durch ihre Einsicht in die Erkenntnisgrundlagen der sozialen Ideen Steiners auszeichneten. Als 1923 in Dänemark eine anthroposophische Landesgesellschaft gegründet wurde, wählte man Hohlenberg als Generalsekretär. Als solcher nahm er an der Weihnachtstagung 1923/24 teil. Während der 20er- und 30er-Jahre entfaltete er vor allem in Norwegen, aber auch in anderen europäischen Ländern eine intensive Vortragstätigkeit mit einem breiten Themenspektrum.
Im Jahre 1926 löste Hohlenberg den Schweizer Curt Englert als Redakteur der norwegischen Zeitschrift für Anthroposophie, „Vidar‟, ab. Durch seine Heirat mit der Norwegerin Eli Wiersholm 1927 vertiefte sich seine Verbundenheit mit Norwegen. In diesen Jahren schrieb er mehrere Bücher, u. a. über Goethe, Kaspar Hauser und sozialpolitische Themen.
Innerhalb der anthroposophischen Arbeitszusammenhänge war Hohlenberg nicht unumstritten. Seine innere Unabhängigkeit und Freimütigkeit sowie eine distanzierte und für die damalige Zeit ungewöhnlich kritische Haltung gegenüber dem Dornacher Vorstand führten zu Spannungen. Besonders der Führungsstil Albert Steffens, aber auch dessen literarisches Schaffen waren ihm fremd. Dies führte 1931 zum Rücktritt von seinem Amt als Generalsekretär.
Hohlenberg erkannte früh die verhängnisvolle politische Entwicklung in Europa. In seiner Zeitschrift wurden Rassismus, Faschismus, Mussolini und die Nazi-Bewegung schonungslos entlarvt. Im Jahre 1933 gründete der norwegische Dichter Alf Larsen die Zeitschrift „Janus‟, die mehr als „Vidar‟ an die kulturelle Öffentlichkeit gerichtet war. Er gewann Hohlenberg bald als wichtigsten Mitarbeiter und Autor. Von beiden Autoren wurden neben literarischen und kulturgeschichtlichen Artikeln auch scharfe zeit- und gesellschaftskritische Aufsätze verfasst. Die dezidiert antifaschistische Haltung der beiden anthroposophisch orientierten Zeitschriften rief innerhalb der Anthroposophischen Gesellschaft Sorgen hervor, da man zu Beginn der Nazi-Zeit noch hoffte, die Arbeit ohne Konflikt mit dem politischen System weiterführen zu können. Umgekehrt kritisierte Hohlenberg die Haltung des Dornacher Vorstands als uneindeutig und kompromisslerisch. Die Gegensätze traten offen zutage, als Hohlenberg Ende 1935 in „Vidar‟ auf das Verbot der Anthroposophischen Gesellschaft in Deutschland sowie auf das Verbot der Zeitschrift „Anthroposophie‟ Bezug nahm und die daraus erwachsenden neuen Aufgaben und Pflichten für seine Zeitschrift charakterisierte. Er schrieb, „Vidar‟ sei „eine von den wenigen, wenn nicht die einzige Zeitschrift, die restlos für die Ideen Rudolf Steiners eintritt. Sie ist die einzige anthroposophische Zeitschrift des Nordens und wird sich so weit wie möglich als Organ der Bewegung in Deutschland betrachten, solange deren eigene Stimme von der Gewalttätigkeit unterdrückt ist.‟ („Vidar‟, Dez. 1935, Nr. 10) Diese Äußerung wurde in Dornach als eine maßlose Selbstüberschätzung interpretiert. Marie Steiner entzog Hohlenberg das Recht, Übersetzungen von Vorträgen Rudolf Steiners in „Vidar‟ zu veröffentlichen, und Hohlenberg wurde zum Austritt aus der Gesellschaft aufgefordert. Damit begann eine Auseinandersetzung, die schließlich - nicht zuletzt durch Hohlenbergs Konfrontation mit Curt Englert - zu einer Spaltung der Landesgesellschaft und 1940 zur Auflösung und Neubegründung der norwegischen Anthroposophischen Gesellschaft führte. Hohlenberg hatte seit den späteren 30er-Jahren keine Berührungspunkte mehr mit der anthroposophischen Bewegung.
Im Jahre 1939 zog Johannes Hohlenberg mit seiner Frau zu seinem Freund, Alf Larsen, nach Tjøme, einer Insel im Oslofjord. Bald jedoch kam es zum Bruch zwischen den beiden Freunden, da Larsen zur Fortführung der Zeitschrift „Janus‟ zu Kompromissen mit der Besatzungsmacht bereit war, während Hohlenberg bei seiner konsequent ablehnenden Haltung blieb.
Während des Krieges setzte Hohlenberg seine schriftstellerische Arbeit ohne Unterbrechung fort. Besonders hervorzuheben ist seine Biografie Søren Kierkegaards, die zu einem Standardwerk der philosophischen Literatur wurde. Es folgten weitere Publikationen zu sozialwissenschaftlichen Themen.
Nach dem Krieg gründete er in Kopenhagen die Zeitschrift „Øjeblikket‟ (Der Augenblick), in der er als zeitkritischer Beobachter die gesellschaftliche und politische Entwicklung des Landes kommentierte. Dies wurde ihm durch „das Wunder seines Lebens‟ ermöglicht: Ein wohlhabender Geschäftsmann, der Hohlenbergs Arbeit bewunderte und schätzte, förderte die Zeitung und gewährte ihm unbegrenzte Freiheit. Sieben Jahre lang setzte sich Hohlenberg durch die Zeitung für eine freiheitliche Gestaltung in Politik und Gesellschaft ein und deckte die Machenschaften dänischer Politiker während des deutschen Einmarsches und der Okkupation auf.
Man kann es als Tragik empfinden, dass eine Persönlichkeit von Hohlenbergs Format sich völlig aus der Anthroposophischen Gesellschaft und Bewegung zurückziehen musste, obwohl er sein ganzes Leben lang Mitglied der Gesellschaft blieb. Die Unfähigkeit der leitenden Persönlichkeiten, Kritik anzunehmen, und eine Mitgliedschaft mit einem Hang zur Unselbstständigkeit und Autoritätshörigkeit standen auf der einen Seite. Auf der anderen trug er selbst zu einer konfliktträchtigen Frontbildung bei: Seine Eigenständigkeit und kompromisslose Haltung tendierten gelegentlich zum Starrsinn.
Hohlenberg ging in seinen späteren Jahren zunehmend einsame Wege. Er schrieb in seinen Aphorismen: „Wer die Quelle erreichen will, muss gegen den Strom schwimmen.‟ Und weiter: „Es kann etwas Befriedigendes sein, verkannt zu werden. Man erwirbt sich dadurch das Recht, rücksichtslos derjenige zu sein, der man ist.‟ Er starb am 10. Mai 1960, fast 79-jährig, in Kopenhagen.
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