Dr., DiplVolkswirt Kloss, Heinz
Sprachsoziologe, Dichter.
*30.10.1904, Halle/Saale (Deutschland)
✟13.06.1987, Groß-Gerau (Deutschland)
„Als ein früher Pionier hat sich Heinz Kloss über ein halbes Jahrhundert lang unter zeitweise höchst widrigen äußeren Umständen wegweisend mit Problemen der Soziologie von Minderheitensprachen und von deren Entwicklung, des Ausbaus neuer germanischer Standardsprachen, sowie des Nationalitätenrechts befasst. Seinem weitgesteckten Fachgebiet hat Heinz Kloss dabei nicht nur durch arbeitsintensive empirische Studien Inhalt gegeben, sondern durch Begriffsklärungen, vielfach akzeptierte terminologische Neuprägungen und durch Methodenüberlegungen auch theoretische und methodologische Grundlagen zu geben versucht.‟ (Auburger 1987) Dabei fand er in Rudolf Steiners Überlegungen zur Dreigliederung des sozialen Organismus ein überzeugendes Verständnis von Mensch und Gesellschaft, das Kloss seinerseits in mehrfacher Hinsicht und unter Einbeziehung anderer Dreigliederer ausarbeitete und für die fachliche und politische Diskussion fruchtbar machte.
Heinz Kloss wurde am 30. Oktober 1904 in Halle (Saale) in einer Juristenfamilie geboren. Er studierte Jura und Volkswirtschaft in Halle und Berlin und schloss 1926 als Diplom-Volkswirt ab. Später, 1939, promovierte er in Innsbruck. Als charakteristisch für seinen Weg bezeichnete er später die Tatsache, dass er in seiner Jugend eine Zeit lang gleichzeitig in einer christlichen und einer sozialistischen Jugendgruppe war, wobei keine der Gruppen von seiner Mitgliedschaft in der anderen wissen durfte. Von 1927 bis 1945 war er am Deutschen Auslandsinstitut in Stuttgart tätig und leitete eine Abteilung, zuletzt nur nominell, denn Anfang 1943 wurde er eingezogen und war bis Kriegsende in Frankreich und Italien Sanitäter und Dolmetscher in einer Krankenkraftwagenkompanie, damals und später tief dankbar, dass er im Krieg nie vor der Wahl stand zu schießen. Im Deutschen Auslandsinstitut begegnete er Margarethe Koelle, 1931 heirateten sie und 1941 wurde ihnen eine Tochter geboren.
Nach dem Krieg war er pädagogischer Mitarbeiter der amerikanischen Behörden in Stuttgart bis 1952. Spätestens in dieser Zeit lernte er die Waldorfschule und die Anthroposophie kennen und wurde 1946 Mitglied der Anthroposophischen Gesellschaft. 1952 gründete er eine „Arbeitsgemeinschaft deutscher Elternverbände‟, aus der später der „Bundeselternbeirat‟ hervorging (Gehlhaar 1987).
Nach Neueröffnung des Instituts für Auslandsbeziehungen war er von 1953-59 dort wieder als Abteilungsleiter tätig. 1959 übernahm er die Leitung der Forschungsstelle für Sprachen- und Nationalitätenfragen in Kiel, später Marburg an der Lahn, die er bis 1970 führte. Nach Eingliederung der Forschungsstelle in die „Arbeitsstelle für Fragen der Mehrsprachigkeit‟ am Institut für deutsche Sprache in Mannheim arbeitete er dort von 1971-76 und war danach bis Anfang der 80er-Jahre als freier Mitarbeiter tätig.
Die Arbeit führte zu Forschungsaufenthalten in den USA (1930/31 und 1936/37), nach dem Krieg zu Vortragsreisen in die USA, nach Indien und Südafrika, zu Arbeiten im Auftrag der UNESCO, einem Lehrauftrag in Marburg (1966) und der Mitarbeit an der Laval-Universität, Quebec (Kanada), als Membre associé des Centre International de Recherche sur le Bilinguisme. In letzterer Funktion entstand in Zusammenarbeit mit Grant McConnel und in Verbindung mit der Wycliff Society die weltweit erste systematische Bestandsaufnahme der existierenden Schriftsprachen und der sprachlichen Zusammensetzung der Staaten der Welt. Daneben gab er pennsilfaanische, südafrikanische und deutsch-kanadische Lyrik heraus.
Während er zur Zeit des Nationalsozialismus in seiner Wirkungsmöglichkeit beschränkt wurde, geriet er später ins Kreuzfeuer der Ideologiekritik (Christopher Hutton: Linguistics and the Third Reich: Mother Tongue Fascism, Race and the Science of Language; London 1999; Jan Blommaert: „Language Planning as a Discourse on Language and Society: The Linguistic Ideology of a Scholarly Tradition‟, in: Language Problems and Language Planning 1996, Nr. 3).
Seine wissenschaftliche Haltung gibt auch seinen Beiträgen zur Dreigliederung ihren besonderen Charakter. Er nahm die Arbeiten anderer zur Kenntnis, stellte die eigene Arbeit differenziert in den relevanten Forschungszusammenhang und entwickelte seine Vorschläge aus der Beobachtung der tatsächlichen Gegebenheiten von Zeitlage und gesellschaftlichen Verhältnissen. So entstanden seine Aufsätze zu Dreigliederungsansätzen vor und neben Rudolf Steiner, sein auf sieben Bände angelegtes Werk zur Selbstverwaltung. Das erklärt jedoch nicht die seltsam zögerliche Rezeption seiner Arbeit auch im anthroposophischen Umfeld. Sie hatte ihren Grund vermutlich eher in seiner Forschungshaltung, die mit der eigenen Voreingenommenheit rechnete, sich jederzeit von den beobachteten Verhältnissen belehren ließ, ihrer Komplexität gerecht zu werden versuchte, statt sie unzulässig zu vereinfachen, und die sich verpflichtet fühlte, die Ergebnisse der Allgemeinheit zu sinnvollem politischem Handeln zur Verfügung zu stellen. Er hielt es für seine Pflicht, auf konfliktträchtige Situationen aufmerksam zu machen, auch wenn die Öffentlichkeit sich noch nicht oder nicht mehr dafür interessierte. Das führte verschiedentlich zu Beifall von der falschen Seite.
Neben den Sprachen - zusammenfassend in seinem Hauptwerk „Grundfragen der Ethnopolitik im 20. Jahrhundert - beschäftigten ihn Fragen des religiösen Lebens: der freien Religionsausübung, der religiösen Gemeinschaftsbildung und der religiösen Praxis im Verhältnis zur „Außenwelt‟, zum Individuum und zur göttlichen Welt und der individuell so unterschiedlichen religiösen Bedürfnisse. Dieses Thema begegnete ihm in der Forschung - bei Sprachgemeinschaften, die aus religiösen Gründen ausgewandert waren und mit ihrem Ursprungsland trotz gemeinsamer Sprache durchaus nichts im Sinn hatten - und im privaten Leben - seine freidenkerische Erziehung und die pietistische seiner Frau, später die Gemeinsamkeit in der Christengemeinschaft, wo er auch ministrierte, und schließlich die Hinwendung seiner Tochter und ihres Mannes zu evangelikalen Gemeinschaften. Ein spätes Buch beschäftigt sich mit der Frage nach einer Erkenntnis des Bösen angesichts der Verführbarkeit des Menschen und der Tendenz, die Existenz des Bösen zu leugnen.
Während sein intensives Gefühlsleben in seinen wissenschaftlichen und politischen Arbeiten eher indirekt zum Ausdruck kommt - in Bescheidenheit, Umsicht, Mitgefühl und politischem Engagement -, erscheint es in seinen Gedichten unmittelbar - als Antwort auf private und zeitgeschichtliche Erschütterungen.
Heinz Kloss erkrankte Ende 1984 an Darmkrebs und starb am 13. Juni 1987 in Groß-Gerau. Der Kern der Fachbibliothek von Heinz Kloss ist heute Teil der Bibliothek der Forschungsstelle für Mehrsprachigkeit/UFSAL in Brüssel, den sonstigen wissenschaftlichen Nachlass hat die Landesbibliothek Hessen in Darmstadt aufgenommen.
01.01.1955 - 31.12.1955: Deutsches Privatschulrecht
01.01.1955 - 31.12.1955: Waldorfpädagogik und Staatsschulen
01.01.1956 - 31.12.1956: Selbstverwaltung
01.01.1971 - 31.12.1971: Ethnopolitik
31.05.1973 - 03.06.1973: Mitgliederversammlung und Tagung "Sprache und Schicksal"
30.07.1977 - 07.08.1977: 5.Achberger Jahreskongreß "Die Kontroverse um die Menschenrechte"
Forschungsstelle Kulturimpuls Biografien Dokumentation kulturimpuls.org