Adalbert Graf von Keyserlingk

Dr. med., Dipl. Landw. Graf von Keyserlingk, Adalbert

Landwirt, Arzt.

*12.05.1905, Breslau (damals Deutschland)

✟23.10.1993, Niefern-Öschelbronn (Deutschland)

Adalbert Graf von Keyserlingk hatte drei Berufe, die ihm Berufung waren: Diplomierter Landwirt, Arzt und Erforscher alter Mysterienstätten. Sie kennzeichnen sein Wesen und seinen Schicksalsweg.

Adalbert Graf von Keyserlingk war ein Schüler Rudolf Steiners, was ihm ermöglichte, die Aufgaben, die ihm das Leben stellte, aus der Kraft und dem Erkenntnislicht der Geisteswissenschaft zu beleuchten und zu durchdringen. Als Kind und als Jugendlicher hatte er Rudolf Steiner getroffen und er erlebte diese Begegnungen immer als helfend und sein geistiges Streben verstärkend.

Der Vater, Carl Graf von Keyserlingk, stammte aus baltischem Adel. Seine Vorfahren waren Deutsch-Ordens-Ritter gewesen, die das heidnisch besiedelte Land im Osten eroberten und kultivierten. Die Mutter, Johanna Gräfin von Keyserlingk, war aus schottischem Adel, eine geborene Skene of Skene. Von Kind an war sie hellsichtig. Rudolf Steiner verlangte von ihr, dass sie mit ihrem eisernen Willen, der mit ihrem angeborenen Hellsehen verbunden war, dieses Hellsehen langsam sich „erobern‟ und es dadurch „frei machen‟ müsse, auch von seinen, Steiners, Einflüssen. Damit würde sie ihr Hellsehen für das nächste Jahrtausend vorbereiten.

Bert - so wurde Adalbert genannt - erhielt von einem Pastor und einem Privatlehrer zunächst nur ganz rudimentären Schulunterricht. Aber er lernte die bäuerlichen Arbeiten auf den Gütern kennen, die sein Vater als Güterdirektor für die Firma seines Schwiegervaters verwaltete. Er fuhr mit seinen beiden Pferden, Max und Moritz, Getreide und Rüben ein. Er konnte pflügen und eggen und die Pferde in die Schwemme reiten. Dieses freie Leben dauerte etwa bis zu seinem 14. Lebensjahr. Dann reiste seine Mutter mit ihm zu Rudolf Steiner nach Berlin, um sich bezüglich seiner schulischen und körperlichen Entwicklung beraten zu lassen; denn Bert war trotz seiner Lebensweise in der Natur ein zartes Kind, das damals nur wenig belastbar war.

„Dann sagte ihm meine Mutter, dass sie mich von klein auf immer vom Tode umgeben sah, was sich erst jetzt auflöse. Aber die Spannkraft der Jugend meines Alters hätte ich noch nicht, eine halbe Stunde Gartenarbeit oder Lernen genüge, mich blass werden zu lassen. Wie sei da eine Schule durchzuführen? Rudolf Steiner meinte: „Den müssen Sie noch zwei Jahre allein erziehen lassen‟, und er gab auch hinsichtlich meiner Gesundheit genaue Ratschläge.‟ (Koberwitz 1924, S. 129). Weiter riet er, den Jungen nach Haubinda in das Lietz'sche Landerziehungsheim zu schicken. So geschah es. Dort hatte er einen Lehrer, den er verehrte und der ihn sehr förderte, Christoph Boy, der später als Lehrer an die Waldorfschule nach Stuttgart kam, noch bevor Bert dort Schüler wurde.

Pfingsten 1924, 19-jährig, reiste Bert von Stuttgart, wo er in der Familie von Christoph Boy lebte, nach Koberwitz zum Landwirtschaftlichen Kurs (GA 327). In dieser Zeit gab Rudolf Steiner acht Vorträge, die den Inhalt des Kurses bilden, dazu kamen zahlreiche Einzelberatungen. Abends hielt er in Breslau jeweils einen Karma-Vortrag, neun Vorträge insgesamt, (GA 239) und an zwei Tagen um 18 Uhr Klassenstunden. Zum Landwirtschaftlichen Kurs waren 130 Teilnehmer gekommen, darunter Guenther Wachsmuth, Elisabeth Vreede, Marie Steiner mit einer Gruppe von Eurythmistinnen, die in Breslau eine Aufführung gaben. Neben diesen „Nicht-Landwirten‟ nahmen etwa 60 Bauern teil.

Bert hatte die Gelegenheit, Rudolf Steiner zu sprechen. Er hatte sich vorher 30 Fragen aufgeschrieben, die er ihm stellen wollte. Aber als die Gelegenheit kam blieb es bei einer einzigen Frage, nämlich der nach einer persönlichen Meditation. Darauf erhielt er folgende Antwort: „Als erstes machen Sie natürlich die Rückschau‟. - „Das kam so aus dem Grunde seiner Seele, dass ich wusste: Die Rückschau ist die Grundlage jeder Meditation. Dann gab er mir als Meditation den Anfang des Johannes-Evangeliums für abends und morgens, im Zusammenhang mit dem Sonnenauf- und -untergang und in Verbindung mit dem Christus‟. (Koberwitz 1924, S. 136) Diese Meditation führte ihn zum Studium des Johannesevangeliums.

Ein weiteres Buch führte ihn zum Monte Gargano an die Ostküste Süditaliens, wo er den Ort eines Michaelischen Einweihungsweges entdeckte: Es ist das Buch über Michael, das Ita Wegman herausgegeben hat. („Aus Michaels Wirken‟, 2. Aufl., Mellinger-Verlag Stuttgart 1967). Es enthält u.a. Legenden über das Wirken Michaels am Monte Gargano.

Mit dem Empfangen der Meditation „Im Urbeginne war das Wort ...‟, war Adalbert von Keyserlingk Schüler Rudolf Steiners geworden. Der Gedanke, es zu sein, und die spirituelle Kraft, die von diesen Urworten ausging, stützten ihn, als er nach Kriegsbeginn 1939 von der Gestapo als „gefährlichster Anthroposoph Schlesiens‟ verhaftet wurde.

Bei einem seiner häufigen Besuche bei Rudolf Grosse - meinem Vater - erzählte er, nirgends habe er so intensiv meditieren können wie im Gefängnis.

Nach dem Ende der Schulzeit an der Waldorfschule in Stuttgart folgten sieben Wanderjahre. Im Alter von 21 Jahren reiste Bert mit seiner Mutter nach Byzanz (Istanbul), um das Palladium zu suchen; doch nicht im physischen Sinne. Rudolf Steiner sagte zu Johanna von Keyserlingk, die Aufgabe bestehe darin, sich an Ort und Stelle hellsichtig mit dem Palladium zu beschäftigen. Er sagte: ‟... wenn nicht das Licht des Westens auf das Palladium fällt, wird es sich im Osten verlieren‟. Was ist damit gemeint? Das Palladium ist eine Imagination. Sie zeigt im mythischen Bild - Pallas Athene entsprang dem Haupt ihres Vaters Zeus - wie das spiritualisierte Denken für die Weiterentwicklung Europas ausschlaggebend sein wird.

Es folgten Arbeiten in Dornach bei Ehrenfried Pfeiffer und Otto Eckstein. Bert traf mit Jürgen von Grone und Rudolf Hauschka zusammen und erfuhr von ihren Arbeiten. Er arbeitete bei Elisabeth Vreede am „Astronomischen Kurs‟ (GA 323), und bekam von Ita Wegman den Auftrag, in Schlesien die Stunden der Ersten Klasse der Freien Hochschule für Geisteswissenschaft zu lesen.

In diesen Jahren begleitete er den Prinzen Friedrich Ernst von Sachsen Altenburg auf einer Reise durch Südamerika als Medizinstudent, sozusagen als dessen medizinischer Betreuer.

Danach konnte Adalbert von Keyserlingk manches nachholen, was durch seine langsame und mitunter schwierige Inkarnation liegengeblieben war. Nach viermonatiger Vorbereitung bestand er 26-jährig das Abitur. Dann studierte er Landwirtschaft und arbeitete auf dem väterlichen Gut Sasterhausen in Schlesien. Nachdem er diplomiert worden war, verboten ihm die Nationalsozialisten, auf seinem Gut zu arbeiten. Das veranlasste ihn, nun Medizin zu studieren. Noch vor Studienabschluss heiratete er 1938 Gisela von Schaumberg, die ebenfalls Ärztin war; beide eröffneten eine Praxis in Breslau.

Dem jungen Paar wurden zwei Kinder geboren: 1939 Michaela, 1941 Christoph. Da war Bert schon im Gefängnis. Anlässlich der Geburt des Sohnes wurde er aus dem Gefängnis entlassen, musste aber an die Front, wo er als Arzt tätig sein konnte; er wurde jedoch nur Obergefreiter, weil er als politisch unzuverlässig galt.

Seine Frau starb unerwartet 1944 an einer toxischen Diphtherie. Damit die kleinen Kinder versorgt waren, heiratete Adalbert Marilis, die Schwester seiner Frau. Er war überzeugt, dass er den Krieg nicht überleben würde. Doch er überlebte. Sein in der Kriegsgefangenschaft gefasster Plan, eine Werksiedlung für Kriegsversehrte zu schaffen, verwandelte sich nach Kriegsende in den Aufbau eines Kinderdorfes, in dem Kriegswaisen - die sich in streunende, oft kriminelle Kinderbanden zusammengeschlossen hatten - Familienanschluss, Schulunterricht und eine Berufsausbildung erhielten, um so den Weg zur Integration in die Gesellschaft wiederzufinden. So entstand 1946 „Wahlwies‟ am Bodensee. Er wirkte dort als Ideengeber, Sozialtherapeut und Arzt bis 1949. Für diese Gründung wurde ihm 1990 das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse verliehen. 1960 ging er seine dritte Ehe ein. Er heiratete Gerda Roth, die ihn bereits vor der Gründung von Wahlwies als treue Helferin begleitet hatte.

Drei Bücher legen Zeugnis ab von Adalbert von Keyserlingks Schicksalsmotiven: Erstens „Vergessene Kulturen im Monte Gargano‟.

Zweitens: „Und sie erstarrten in Stein.‟ Darin zeigt er, wie auf Korsika sieben Kultstätten bestanden, die den sieben Planeten (der alten Astronomie) zugeordnet werden können. Nachträglich wurden dort nach jahrelangen Untersuchungen die den Planeten entsprechenden Metallvorkommen festgestellt.

Für das dritte Buch, „Koberwitz 1924‟, zeichnet Keyserlingk als Herausgeber. Es schildert die Entstehung und den Ablauf des Landwirtschaftlichen Kurses Rudolf Steiners aus der Sicht von zwölf Autoren, die ihn miterlebt hatten. Einer von ihnen ist Keyserlingk selbst .

Adalbert hatte eine herzliche, verbindende Art und viele Freunde, von denen hier stellvertretend die Ärzte Alexander Leroi und Karl Nunhöfer sowie Rudolf Grosse genannt werden sollen. Zeit seines Lebens war er ein Kämpfer auf geistigem Gebiet, der gegen Halbheiten im Denken, gegen Unkultur und Materialismus focht.

Seine Mysterien-Studien hatten ihm den Gegensatz zwischen den ägyptischen und den korsischen Mysterien gezeigt: Ägypten hatte die Aufgabe, den Materialismus vorzubereiten, Korsika dagegen pflegte die Keime einer zukünftigen spirituellen Kultur. In seinem Buch steht: „Die Zusammenhänge korsischer Kultorte, die ich hier als ‚Planetenschulen‘ bezeichne, mit geistigen Zeitströmen, weisen aber auf einen anderen, gar nicht ernst genug zu nehmenden Bezug hin, den ich hier nur andeuten möchte: den Gegensatz zwischen der korsischen und der ägyptischen Kulturströmung, die sich ja im gleichen Zeitraum entwickelt haben. So wie die ägyptische die einseitige und bestimmende innere Grundlage abgab für unsere materialistische Zivilisation, schuf die korsische die Basis einer spirituellen, ja rosenkreuzerischen Entwicklung der europäischen Menschheit, die wir jetzt wieder ergreifen sollen. So ist es auch zu verstehen, dass gerade jetzt diese Zeugen einer kleinen, verborgenen und frühen Blüte wieder ans Tageslicht gekommen sind.‟ (S. 12) Was Keyserlingk meint, drückt der Untertitel des Korsika Buches aus: „Frühe Mysterien in Korsika als Keime unserer Zeit‟. Diese Keime waren Impulse der Geistsuche, die den Teilnehmern dieser Mysterien in früheren Leben in ihre Seelen gepflanzt worden waren.

Seine zunehmende Blindheit führte ihn 1985 ins Johanneshaus nach Öschelbronn, wo er am 23. Oktober 1993 starb.

Erdmuth Grosse

Quellen Erwähnungen

N 1928 S. 20
N 1950 S. 189
N 1960 S. 157
N 1962 S. 209
N 1963 S. 26
N 1965 S. 21, 25
N 1966 S. 210
N 1967 S. 214f
N 1968 S. 26, 107
N 1969 S. 151
N 1970 S. 168
MaD 1965 Nr. 73, S. 215
G 1993 Nr.45, S. 465 Todesanzeige
Wistinghausen, Dagmar von: Typoskript 1991

Info

Verheiratet: I. Sasterhausen/Schlesien 30.11.1934 mit
Gisela Freiin von Schaumburg, siehe dort
II. Sasterhausen/Schlesien 30.11.1944 mit
Marie Elisabeth Freiin von Schaumburg
(Schwester der ersten Frau)
geb. Leipzig 6.7.1910
geschieden: Paderborn 12.10.1954
III. Stuttgart 23.8.1960 mit
Gerda Roth, siehe dort
Sohn von Carl Wilhelm und Johanna
Lebte zuletzt im Johanneshaus in Öschelbronn.
Mehrere Kinder, eine Tochter - mit einem Vetter verheiratet, in Kanada
Werke: Vergessene Kulturen im Monte Gargano, Nürnberg [1968], ³1987;
Über die Handschrift Rudolf Steiners. Nachwort, in: Keyserlingk, J. v.: Gralburg,
Stuttgart 1968; als Herausgeber: Koberwitz 1924. Geburtsstunde einer neuen
Landwirtschaft, Stuttgart 1974, ²1985; Und sie erstarrten in Stein, Basel 1983;
Erinnerungen an frühe Forschungsarbeiten, Dürnau 1993; Beiträge in BeH, BfA,
MaD und MdV.
Literatur: Heide, H.: Adalbert Graf von Keyserlingk 75 Jahre, in: N 1980, Nr.
19; Schöffler 1987; Schachenmann, C.: Adalbert Graf von Keyserlingk, in: N
1994, Nr. 2, auch in: Selg, P. [Hrsg.]: Anthroposophische Ärzte, Dornach
2000; Koepf, H., Plato, B. v.: Die biologisch-dynamische Wirtschaftsweise
im 20. Jahrhundert, Dornach 2001
Gerda von Keyserlingk: '"Und die Erinnerung ist Leben" Ein Nachruf auf Adalbert Graf von Keyserlingk', Novalis aktuell 3 (1994) S. 13-15.
Abkürzungen: siehe hier
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