Frits Julius

Julius, Frits Hendrik

Goetheanist, Waldorflehrer, Dozent, Autor.

*12.10.1902, Gulpen (Niederlande)

✟30.11.1970, Den Haag (Niederlande)

Frits Hendrik Julius wurde in Süd-Limburg geboren und wuchs mit zwei älteren Schwestern auf. Seine frühen Erinnerungen erzählen von intensiven Naturerlebnissen, lieb gewordenen Äckern und Wäldern.

Durch den Beruf des Vaters - er war Beamter - musste die Familie öfter umziehen. Frits war etwa acht Jahre alt, als sie in eine größere Stadt zogen, nahe bei einer Stelle, wo ein breiter Fluss viele kleinere aufnahm. Mit einem Paddelboot erkundete Frits nun die Umgebung, seine Freunde waren Wasser und Wind, Pflanzen und Tiere. Sonst fühlte er sich einsam und in der Menschenwelt wenig am Platz.

Nach dem Abitur entschied er sich für das Biologiestudium in Utrecht und erlebte zum ersten Mal einen regen Austausch mit Altersgenossen. Vor allem begegnete er zwei Freunden, mit denen er ein Leben lang verbunden bleiben sollte. Der eine war Frans Copÿn, der Maler wurde, „der andere‟ war Tini Hissink, seine spätere Frau. In dieser Zeit lernte er die Anthroposophie kennen: Der Freund gab ihm „Goethes naturwissenschaftliche Schriften‟ (GA 1), herausgegeben von Rudolf Steiner, und der Satz „Für Goethe gibt es nur eine Quelle der Erkenntnis: die Erfahrungswelt, in welcher die Ideenwelt eingeschlossen ist‟ (zitiert nach Julius 1976, S. 2), soll wie ein Blitz eingeschlagen haben.

Nun las er - 21-jährig - alle grundlegenden Schriften Rudolf Steiners, was eine furchtbare Krise zur Folge hatte. Der definitive Durchbruch kam, als er im Winter 1924 an einem Einführungskurs bei ?Willem Zeylmans van Emmichoven teilnahm. Er fuhr zu Weihnachten nach Dornach und wurde Mitglied der Gesellschaft. Durch seine maßlose Begeisterung zerstritt er sich danach allerdings in wenigen Tagen mit seiner ganzen Umgebung.

Zu dieser Zeit begann ein Leidensweg, der ihm aber unersetzliche Erfahrungen und Forschungsmöglichkeiten öffnete, was für ihn zu einer Art Lebenssignatur werden sollte: strenge Beobachtung und authentische Erfahrung. Er litt an einer konstitutionellen Gleichgewichtsstörung, die ihn stark beeinträchtigte. 1926 weilte er in Arlesheim, um bei ?Ita Wegman eine Kur zu machen. ?Maria Röschl, die Leiterin der Jugendsektion, eröffnete gerade eine Jugendschule. Der Besuch derselben sei von allergrößter Bedeutung gewesen, ebenso das Kennenlernen der verschiedenen, zum Teil hoch potenzierten Medikamente oder der Heileurythmie, bei der er das Kräftespiel des Ätherischen erlebte. Ein Chemiekurs bei ?Ehrenfried Pfeiffer wurde zu einem Haupterlebnis. Alle diese Erfahrungen habe er als Naturforscher unbedingt gebraucht, für seine spätere Arbeit seien sie von unschätzbarem Wert gewesen, denn sie hätten ihm einen wirklich produktiven Weg ins Innere der Natur gewiesen.

Mit der Fragestellung, welche Gestalt die Naturwissenschaft annehmen sollte, damit sie heilend und erziehend zu wirken vermöge, wurde er nach dem Examen 1927 Chemie- und Biologie-lehrer an der Freien Waldorfschule Den Haag. In dieser Zeit wurde ihm deutlich, dass man als Naturforscher Wesentliches nur erreichen kann, wenn man an sich selbst arbeitet.

Als er das Thema Rhythmus entdeckte, begann er sich in die Zusammenhänge der Wochentage mit den Planeten, Vokalen oder dem Tierkreis zu vertiefen. Seine diesbezüglichen Forschungen - schriftlich nachgelassen - sind eine Fundgrube.

Das ganze Leben, alles, was es brachte, wurde unter dem Aspekt eines je einmaligen Forschungsangebotes betrachtet. Als sich seine Frau nach der Geburt eines ihrer Kinder nur schwer erholte, schlug ein Arzt vor, die Metamorphose im Denken zu üben, was die beiden gemeinsam taten - mit Erfolg.

Als er für seine kleine Tochter die ersten Tiere schnitzte, tauchte schon bald die Frage auf, wie man auf künstlerischem Weg die Einseitigkeiten im Tierwesen harmonisieren könne: Eine der Antworten war ein Stierkopf mit einem Fünfstern über den Hörnern - ein Lichtmotiv, wodurch die Bindung an die Schwere ausbalanciert war. Daraus entwickelte sich der Versuch, die Tierkreissymbolik neu zu beleben, später wurde daraus Plastizierunterricht, z. B. am Haager Lehrerseminar. Er unterrichtete auch an den Waldorflehrerseminaren von Stuttgart, Järna und Forest Row.

Um den Willen zu schulen, übte er sich darin, alles Angefangene auch fertig zu machen. Das begann mit kleinen, unscheinbaren Dingen, steigerte sich aber bis zu Größerem und Umfangreicherem. Auch als Willensübung gehörte es dazu, so viel des Erforschten als möglich schriftlich zu verarbeiten. Unter anderem entstand damals ein kleines Chemiebuch, das im Anschluss an den Aufbau des Unterrichts geschrieben wurde und lange das Einzige aus anthroposophischen

Kreisen war. Bei dem nächsten Buch - über den Tierkreis - rang er vor allem auch mit der Sprache: „Es sollte mir doch gelingen, die Wahrheit im Festgewande der Schönheit einherschreiten zu lassen. Mir genügte es nicht, die Wahrheit mit Hilfe der Sprache zum Ausdruck zu bringen oder sogar, wie es uns leicht passiert, die Wahrheit in die Sprache hinunterzudrücken, sondern die Sprache sollte heraufgehoben und zu einem lebendigen Körper der Wahrheit werden.‟ (Ebd., S. 8)

Seine unermüdlichen Forschungen führten ihn immer tiefer hinein zu den innersten Geheimnissen: „Von Anfang meiner Bekanntschaft mit der Anthroposophie an habe ich auf zwei verschiedene Arten Zugang zu den Naturwesenheiten gesucht. Einmal war es ein Ringen um die Urbilder der für die Sinne erscheinenden Wesen im Sinne der Methodik Goethes. Andrerseits hat mich immer die Arbeit und das Spiel der Elementargeister, zum Beispiel um eine Pflanze herum, außerordentlich interessiert. Es war manchmal schwer zu durchschauen, wie man diese beiden Punkte verbinden kann.‟ (Ebd., S. 12)

Auch das Schreiben selbst wurde zum Ansatz für tief innere Erfahrung und Schulung. Das Aufsteigen zu der Welt der Urbilder, das Ableiten der Sinneserscheinungen von den Urbildern habe er vor allem beim Schreiben gefunden: „Wenn man systematisch und lückenlos vorgeht, wenn man nicht ruht, bis man den richtigen Aufbau und den richtigen Ausdruck gefunden hat, wird das Schreiben selber zu einem Forschungsweg.‟ (Ebd., S. 12) Das Geheimnis des Im-richtigen-Augenblick-ruhen-Lassens zu kennen sei beim Schreiben absolut notwendig, man müsse die Arbeit zum richtigen Zeitpunkt der Sphäre der Aufbaukräfte überlassen, die im Unbewussten walten. Höhere Mächte könnten dann im Schlaf und in der Stille eine Befruchtung für das Weitere bewirken. Auf eine ähnliche Weise könne man eine Beziehung zur Welt der Elementargeister schaffen, selbst wenn die Sphäre, wo sie walten, für das Bewusstsein noch nicht zugänglich sei. Er beschreibt diesen Zugang unsentimental und nachvollziehbar gerade durch sensible, exakte Sinneswahrnehmung: „Es werden dabei die Erscheinungen, die für die Natur wichtig sind, hervorgehoben. Man lernt sehen, dass alle Dinge Verhältnisse untereinander haben, wodurch die Pflanzen, die Steine, die Bodenstrukturen und die Gewässer zu Kompositionen zusammengestellt werden. Die Gestaltung des Raumes zwischen den Gegenständen wird oft fast wichtiger als die Gegenstände selber. Die ganze Natur wird auf diese Art zu einer Bildergalerie. Sie bekommt einen imaginativen Charakter. Man beschäftigt sich mit der Sinneswahrnehmung, aber sie spricht zu uns wie eine übersinnliche Welt.‟ (Ebd., S. 13)

In diesem Sinne sind alle seine Forschungen zu sehen, sei es über das Tierwesen oder die Himmelserscheinungen, sei es über Krankheit und Gesundheit oder die innere Entwicklung des Menschen.

Bis zuletzt war Frits Julius forschend tätig. In den letzten zwei Lebensjahren arbeitete er an einem Auftrag der Pädagogischen Forschungsstelle über Lichtlehre: ein schönes Bild für den Erdenabschied.

Christa Seiler

Quellen Erwähnungen

N 1932 S. 60
N 1948 S. 191
N 1966 S. 50, 67
N 1969 S. 20, 24, 202
MaD 1947 Nr. 2, S. 12
MaD 1971 Nr. 96, S. 147
AM 1970 Nr. 4, S. 5
MAVN 1990 Nr. 1, S. 42
MAVN 1995 Nr. 6, S. 40

Info

War Mitglied der niederländ. Landesges., in einer naturwissenschaftlichen
Arbeitsgruppe in Amsterdam. Vortragender, auch in den UK, Mitarbeiter von
Emerson und der Seminarien von Järna und Stuttgart
Werke: Niederländisch: Goetheanistische chemie. Een bijdrage, Delft 1936;
Metamorfose. Een sleutel tot begrip, s’Gravenhage 1948, Zeist 41999; De
beeldental van de dierenriem, Zeist 1949, 81992; De klank tussen stof en
geest, Zeist 1953, ³1996; De metamorfose van de wil, Zeist 1955; De twaalf
driften, Zeist 1967; Beeld en woord, Zeist 1969; Bomen en planeten, Zeist
#1971, ²1976; Dier tussen mens en kosmos, Zeist 1977; Deutsch: Die
Bildersprache des Tierkreises, Stuttgart 1956, 51991; Stoffeswelt und
Menschenbildung, Bd. I/II, Stuttgart 1960/1965, ³1992/²1988; Tierkreis,
tierische Triebgebundenheit und menschliche Freiheit, Bd. I/II, Freiburg i.
Br. 1964; Metamorphose. Ein Schlüssel zum Verständnis, Stuttgart 1969,
²1984; Das Tier zwischen Mensch und Kosmos, Stuttgart 1970, ²1981;
Autobiografische Skizze, in: Leh 1976, Nr. 14; Entwurf einer Optik, Stuttgart
1984; Bäume und Planeten, Stuttgart 1985, ³1997; Die zwölf Triebe in Tier
und Mensch, Stuttgart 1996; Beiträge in Sammelwerken; Übersetzungen ins
Englische, Französische, Russische und Finnische erschienen; Beiträge in
BWF, EK, Leh, MaK, O, PA, VOp.
Literatur: Weißert, E.: Totengedenken, van Wettum, J.: Frits Hendrik Julius,
in: Leh 1970, Nr. 2; Hagemann, E.: Bibliographie der Arbeiten der Schüler
Dr. Steiners, o. O. 1970; Frankfurt, H.: Eine persönliche Erinnerung an Frits
Julius, in: MaD 1971, Nr. 96; Kranich, E.-M.: Frits Hendrik Julius, in: Leh
1976, Nr. 14; Kühl, J.: Zum 100. Geburtstag von Frits Julius, in: N 2003, Nr.
1/2.
Abkürzungen: siehe hier
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