Rudolf Bodenlos

Bodenlos, Rudolf

Lehrer.

*18.10.1924, Metzenseifen (damals Tschechoslowakei)

✟08.10.2002, Nordhausen (Deutschland)

Den in der Michaelzeit 2002 in seine geistige Heimat zurückgekehrten Rudolf Bodenlos möchte ich trotz seiner großen Wirksamkeit als einen der „Stillen im Lande‟ bezeichnen. Diese paradox erscheinende Beurteilung ergibt sich einerseits aus dem Sonderstatus der DDR, die nur eine Vortragstätigkeit in Ostdeutschland erlaubte, andererseits aus seinen Lebensumständen mit Wohnsitz im Grenzgebiet zur Bundesrepublik.

Obwohl er an allen anthroposophischen Aktivitäten, auch lenkend und formend, teilnahm, geschah das immer mit großer Bescheidenheit. Zwischen den Veranstaltungen zog er sich zwangsläufig in seine Harzer Heimat (Sperrgebiet) zurück, dort auch Kräfte für neue Aktivitäten sammelnd. Diese Lebensweise hatte er auf Grund seines labilen Gesundheitszustandes nötig.

Am 18. Oktober 1924 wurde Rudolf Bodenlos in Metzenseifen, in der heutigen Slowakei, geboren. Bis vor einigen Jahrzehnten war dieses Gebiet eine deutsche Sprachinsel (Zips). Mit vier, z. T. erheblich älteren Geschwistern wuchs er in einem katholischen Elternhaus auf. Als Nachzügler nannte man ihn zu Hause nur das „Jüngel‟.

Als Jugendlicher begann er sich unter dem Einfluss des Nationalsozialismus und der modernen Naturwissenschaft vom Katholizismus zu lösen und verneinte das Christentum. Nach Beendigung der Volksschule und des Realgymnasiums machte er eine Lehrerausbildung mit Abschlussexamen (1944) in Preßburg (Bratislava). In dieser Zeit der Kriegswirren wurden die deutschstämmigen Eltern aus der Zips ausgesiedelt, und er verlor viele Jahre den Kontakt zu ihnen.

Noch Anfang 1945, mit 21 Jahren, kam er zur deutschen Wehrmacht und wurde nach drei Wochen, am 29. April 1945, bei einem sowjetischen Angriff schwer verwundet. Ein Kniedurchschuss, der eine sofortige Operation nötig machte, versetzte ihn in die Lage völliger Hilflosigkeit. Mit weiteren 1700 Verwundeten kam er in russische Kriegsgefangenschaft, der er sich bei eigener Handlungsfähigkeit, wie auch immer, entzogen hätte. Er wäre eher in den Tod gegangen, als in die „Schmach der Gefangenschaft‟. Jedoch gerade diese Ereignisse änderten sein Leben von Grund auf. Dazu seine eigenen Worte: „In diesem Zustand physischer Hilflosigkeit und innerer Verzweiflung brach in mir eines Tages mit elementarer Gewalt das Gewissen auf. Damals erlebte ich in moralischen Intuitionen die Macht der inneren Stimme des Gewissens. Den Aufbruch des Gewissens in mir empfand ich als eine Wirklichkeit einer geistigen Welt und einer geistigen Schicksalsmacht, zu der ich wieder Verbindung suchte. An diesem Neubeginn meines Weges lernte ich das Beten wieder mit der Bitte: ‚Und vergib uns unsere Schuld.‘ Damals stand ich im 21. Lebensjahr.‟ Danach suchte er einen neuen Zugang zum Christentum. Er suchte nicht das „Wagnis des Glaubens‟, sondern das „Abenteuer der Vernunft‟.

Nach seiner Entlassung aus russischer Kriegsgefangenschaft im Juli 1945 landete er nach vielen Durchgangsstationen von Lagern endlich in Nordhausen/Harz, um sich im dortigen Schulamt als Lehrer zu bewerben. Noch im gleichen Jahr konnte er seine Tätigkeit in Wülfingerode/Harz beginnen. Gleich am ersten Tag seines dortigen Aufenthaltes lernte er im Rathaus seine spätere Frau Brunhilde kennen. Aber schon im Dezember 1946 brach bei ihm eine schwere Lungentuberkulose aus und er durfte nicht mehr unterrichten. Durch diese Erkrankung kam er zu einer Heilbehandlung und Kur nach Sülzhayn und damit zu einer wichtigen Schicksalsbegegnung mit Kurt Heinichen. Der Arzt Dr. Heinichen, ein in rosenkreuzerischen Zusammenhängen stehender Geisteswissenschafter, eröffnete ihm den Erkenntnisweg der Anthroposophie. Rudolf Bodenlos und Kurt Heinichen sind durch eine immerwährende Geistfreundschaft miteinander verbunden. Rudolf Bodenlos hat seine schwere Erkrankung immer als eine entscheidende Schicksalshilfe angesehen.

Zu gleicher Zeit gab es in Sülzhayn noch zwei andere anthroposophische Kurgäste, die Christengemeinschaftspfarrer Ingeburg Knaus und Eduard Kühnert, so dass dort ein intensiver Arbeitskreis bestand. In Sülzhayn kam es dann zur Gründung der dortigen sogenannten „Waldschule‟. Rudolf Bodenlos war einer der maßgeblichen Gründer und deren erster Lehrer. In dieser besonderen Schule für lungenkranke Kinder unterrichtete man bei schönem Wetter im Freien (deshalb „Waldschule‟). Rudolf Bodenlos führte die Schüler bis zum Abitur. Er versuchte auch, seine Erkenntnisse aus der Waldorfpädagogik in die Arbeit einzubringen. Wohl aus diesem Grunde ist ihm dort eine natürliche Autorität entgegen gebracht worden, die er von sich aus niemals einforderte.

Diese 20-jährige Tätigkeit wurde von insgesamt sieben Jahren Kur unterbrochen (Kuren von einem halben Jahr bis zu zwei Jahren). Dabei wurden auch chirurgische Eingriffe nötig. Diese Zeiten nutzte er zum intensiven Studium der Geisteswissenschaft. Dort erhielt er, wie er selbst sagte: „tragende Lebenshilfen und Sicherheit im Denken‟.

Im 42. Lebensjahr musste Rudolf Bodenlos innerhalb weniger Wochen drei chirurgische Eingriffe über sich ergehen lassen. In dieser Zeit hatte er durch Lockerung der Wesensglieder entscheidende geistige Erlebnisse. Diese Erkrankung war so schwer, dass er invalidisiert werden musste. - Nun geschah etwas rational schwer Erklärbares. Obwohl nur noch ein kleiner Teil der Lunge vorhanden war, fühlte er sich von da an gesund.

Jetzt begann seine anthroposophische Wirksamkeit. Von seinem familiären Mittelpunkt aus begann eine große Wirksamkeit in den Umkreis. Er bereiste die gesamte DDR, und auf Grund seiner Invalidität konnte er in größeren Abständen auch ins westliche Ausland reisen. Es gibt kaum Themen, die er in seinen Vorträgen nicht behandelt hat. In, für die anthroposophische Sache schweren DDR-Zeiten, war er maßgeblich am Aufbau der Hochschularbeit beteiligt. Er war einer der ersten Klassenleser der Freien Hochschule für Geisteswissenschaft in der DDR, der die Klassenstunden auch frei hielt.

Neben dieser geisteswissenschaftlichen Tätigkeit wirkte er in seinem Heimatort auch als Leiter des Kulturbundes und der Volkssolidarität.

Seine Offenheit für Neues und ein von Herzenswärme durchdrungenes Denken erlaubten ihm die Anteilnahme an vielen Erdenschicksalen. Viele Menschen haben ihn als ihren besten Freund schätzen gelernt und betrachten ihn als ihren wichtigsten Schicksalsbegleiter.

Sein diesmaliges Erdenleben endete, so wie es begann, um Michaeli. Wissend ging er in den letzten Tagen darauf zu, um es in Stille und Bescheidenheit zu vollenden.

Joachim Schwarzwald

Quellen Erwähnungen

N 2003 Nr. 12, S. 7
Werke, Literatur: keine.
Abkürzungen: siehe hier
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