Frédéric Gevers

Professor Gevers, Frédéric

Pseudonym/Varianten: Frederic

Konzertpianist, Klavierlehrer, Generalsekretär der Anthroposophischen Gesellschaft in Belgien.

*13.03.1923, Antwerpen (Belgien)

✟13.02.1997, Edegem bei Antwerpen (Belgien)

Frédéric Gevers war ein feinsinniger, künstlerisch hochbegabter Mensch, der als Pianist und Klavierpädagoge eine breite und durch seine Spiritualität auch tiefe Wirkung auf viele junge Musiker in Belgien und im europäischen Ausland ausübte. Er gehörte zur anthroposophischen Pioniergeneration in Belgien und zeichnete sich vor allem durch seine forschenden, im kleinen Kreis anregenden, meditativen Bemühungen aus.

Der Vater war Notar, die Mutter, Margerite Craleux, eine Nichte von Émile Verhaeren. Frédéric Stéphane Jacques Louis war der jüngste von fünf Geschwistern, der jüngere Bruder von Émile ( Émile Gevers). Er wuchs außerhalb Antwerpens in dem Landhaus „Missemburg” auf, wo die Familie Willems-Gevers mitten in einem alten Park wohnte. Dieses Milieu prägte Frédérics künstlerisch-kulturelles Engagement und seine Liebe zur Natur. Frédéric verfügte über ein absolutes Gehör, bekam seit seinem vierten Lebensjahr Klavierunterricht und die Musik war der eine Faktor, der seinen Lebensweg bestimmte. Er genoss eine ausgezeichnete Ausbildung, zu seinen Lehrmeistern zählten Walter Rummel, Paul Roës, Wilhelm Kempff und vor allem Yves Nat. 1945 heiratete Frédéric die Musikerin Eva Hartung, sie hatten zwei Söhne.

Das Ende des Zweiten Weltkrieges bedeutete für ihn den Anfang einer Konzertkarriere, die ihn durch ganz Europa und weite Teile der Welt führte. Neben den vielen Rezitals und Konzerten empfand er die innere Notwendigkeit - vor allem in der Kammermusik -, auch tiefer auf die Hintergründe einzugehen. Das Studium der Originalpartituren, der Aufführungspraxis und der biografischen Hintergründe war für ihn ein unentbehrlicher Kontext. Darüber hinaus drängte ihn sein geisteswissenschaftlicher Hintergrund zum Stellen anderer und tieferer Fragen. Nach bescheidenen Anfängen wuchs das Interesse von Studenten und Publikum für seine Fragerichtung. Zunehmend kommentierte er im eigenen Land und im Ausland die von ihm gespielten Stücke eindringlich in vier Sprachen. Bis zu seinem Tode fanden in Waterloo bei seinen Freunden Jacques und Henny Colson regelmäßig „concerts-conférences” statt.

In seiner zweiten Lebenshälfte kam seine pädagogische Begabung immer mehr zum Tragen. 1962 wurde er an das Koninklijk Vlaams Muziekkonservatorium Antwerpen als Professor für Klavier berufen. Bis 1988 bildete er viele junge Künstler im In- und Ausland aus - besonders in Spanien. Es hieß er vermittele nicht nur reine Klaviertechnik, sondern „eine Lebensweise”.

Der andere Faktor, der sein Leben bestimmte, war die Anthroposophie, die er durch seinen fünf Jahre älteren Bruder Émile im 17. Lebensjahr kennen lernte. Gewissermaßen im Kielwasser seines Bruders beteiligte er sich später an dessen Initiativen. So gehörte er mit zum Gründungskomitee der ersten Waldorfschule in Belgien und war aktives Mitglied von „Artium”.

1961 wurde eine „Anthroposofische Vereniging in Belgie - Société Anthroposophique en Belgique” mit Émile Gevers als Vorsitzenden und Generalsekretär begründet. Als Émile schon drei Jahre später starb, übernahm Frédéric nach einem kurzen Intermezzo des Waldorflehrers Pierre Sarens 1965 Émiles Ämter, obwohl seine Motive nicht eigentlich in der gesellschaftlichen Gestaltung lagen. Unter seiner fast zehnjährigen Leitung löste sich die bis dahin enge Bindung zwischen der Anthroposophischen Gesellschaft und den anthroposophischen Einrichtungen auf den verschiedenen Berufsfeldern. Abgesehen davon, dass diese Entwicklung in den 50er- bis 80er-Jahren in allen Ländern mit der Zunahme und Ausbreitung anthroposophischer Initiativen einherging, gründete seine Haltung in dem Respekt vor der menschlichen Freiheit. Nach seiner Auffassung sollte der Einsatz beispielsweise für eine anthroposophisch-heilpädagogische Initiative oder eine Waldorfschule nicht automatisch die Mitgliedschaft in der Anthroposophischen Gesellschaft nahe legen. Für die Anthroposophische Gesellschaft strebte er weniger Mitgliederwachstum als vielmehr innere Vertiefung an. So initiierte er Tagungen zur Grundsteinmeditation oder dem anthroposophischen Übungsweg. 1974 bat er Bruno Skerath, das Amt des Generalsekretärs zu übernehmen, er selbst blieb zweiter Vorsitzender. Aufgrund seiner Mehrsprachigkeit unterhielt er gute Beziehungen zu dem Französisch sprechenden Landesteil.

1977 stand er gemeinsam mit René Pandelaers und Bruno Skerath an der Wiege der belgischen Arbeit mit den Klassenstunden innerhalb der Allgemeinen Sektion der Freien Hochschule für Geisteswissenschaft, die bis dahin von holländischen Freunden versorgt wurde. Bis zum Ende seines Lebens blieb er Lektor der Hochschule. Seine feine Sprachempfindung brachte ihn zu mancher Präzisierung und Korrektur der französischen Übersetzung der Mantren und Texte der Klassenstunden, die für ihn wie Partituren waren. Seine Vorstandstätigkeit nahm 1988 mit der Demissionierung des gesamten Vorstandes der Anthroposophischen Gesellschaft in Belgien ein Ende.

1996 gingen seine Kräfte infolge einer Krankheit zurück, er musste seine Konzerttätigkeit beenden. Er starb am 13. Februar 1997 - in großer Zartheit, ganz eingehüllt in Stille, wie seine Witwe sagte. Der kleine Bruder des Todes, der Schlaf, war ihm heilig. Sich auf ihn vorzubereiten war ihm wichtig. Dort finde die Begegnung mit den Verstorbenen statt, mit denen auch die Musik verbindet. Vor dem Musizieren imaginierte Frédéric Gevers gerne den Sternenhimmel, weil er das Unhörbare, die Harmonie der Sphären, hörbar machen wollte.

Rudy Vandercruysse

Quellen Erwähnungen

N 1961 S. 88
N 1964 S. 215
N 1966 S. 208
N 1967 S. 4, 8, 13
N 1968 S. 194, 222
N 1969 S. 39, 87, 212
N 1970 S. 172, 176
N 1997 S. 36
MaD 1982 Nr. 139, S. 90
MAVN 1964, Nr. 5, S. 93
MAVN 1967 Nr. 10, S. 223
MAVN 1974 Nr. 1, S. 11
Rüspe Jahres-Vorschau 1987

Info

Am 12.4.1964 zum Ratsmitglied der AG Belgien für die Gruppe Antwerpen gewählt
1967 Vorsitzender der AG in Belgien, spielte Klavier
Werke: Div. Plattenaufnahmen; posthume Doppel-CD „Memorial Frédéric Gevers”, 2002, mit Texten von F. Gevers, redigiert von Olivier und Pierre Opdebeeck und von seinen Freunden herausgegeben: Les Variations Goldberg de Johann Sebastian Bach, Ludus Tonalis de Paul Hindemith.
Literatur: Pandelaers, R., Borghs, J.: In memoriam Frédéric Gevers, in: AVA 1997, Nr. 108; Pleyers, M.: In memoriam Frédéric Gevers, in: AVA 1997, Nr. 109; Skerath, B.: De Antroposofische Vereniging in Belgie, in: AVA 1998, Nr. Mai; Traey, E.: Frédéric Gevers (Begleittext Doppel-CD „Memorial Frédéric Gevers”, 2002); als Fortsetzung der 2002 erschienenen Doppel-CD wird die Veröffentlichung seiner Einführungen erwartet, die versuchen, Wahrnehmungsorgane zu öffnen für das Mysterium der Musik, in einem Repertoire, das von Bach über die Romantiker bis zu Hindemith reicht.
Abkürzungen: siehe hier
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