Walter Rau

Dipl.Kaufmann Rau, Walter

Diplomkaufmann, Chemiker, Unternehmer.

*21.03.1892, Stuttgart (Deutschland)

✟24.01.1968, Stuttgart (Deutschland)

Walter Rau war ein Mensch voller Enthusiasmus und Tatkraft, dabei feinfühlig, warmherzig und musikalisch. Er wirkte als Betriebsgründer und Inhaber seines Feinseifenwerkes, als Schatzmeister im Vorstand des Stuttgarter Waldorfschulvereins, im Aufsichtsrat des Verlags Freies Geistesleben, als Mitglied des Heidenheimer Arbeitskreises, auch als Vortragender u. a.m. Die Tatsache, dass er ab seinem 14. Lebensjahr allmählich ganz taub wurde, lässt staunend ahnen, was dieser Mensch seinem widrig scheinenden Schicksal abzuringen verstand.

In Stuttgart wurde Walter Hermann in eine aufgeschlossene, Musik liebende Familie hineingeboren. Sein Vater Eugen, schon in zweiter Generation Seifenfabrikant, erkannte trotz der zarten Konstitution und mancher Krankheiten die geistige Beweglichkeit und Musikalität seines Ältesten. Ab 1905 erhielt er Klavierunterricht an der Stuttgarter Musikhochschule. Walter Raus Mutter Maria war eine gemütvolle, heitere Frau. Sie stammte aus Schwenningen, wo ihre Eltern die „Bärenbrauerei‟ betrieben.

Mit 14 Jahren fing bei Walter Rau die Schwerhörigkeit an, er musste zwei Jahre darauf das Gymnasium verlassen und machte eine kaufmännische Lehre in der väterlichen Firma. Es folgte ein Fachstudium an der Chemieschule Berlin und ein Volontariat in der Schweiz. Die Schwerhörigkeit schritt jedoch fort, Musik konnte nicht mehr richtig gehört werden und es schien dem verzweifelten jungen Menschen, als würde ihn eine Mauer von den Mitmenschen trennen. Dennoch besuchte er die kaufmännische Hochschule in Frankfurt und er schloss mit der Prüfungsnote eins ab.

Im Ersten Weltkrieg tat er freiwillig Dienst als Sanitäter, sein Hörrohr half der Verständigung - moderne elektronische Hörapparate gab es noch nicht. Während eines Fronturlaubs holte er das Abitur nach. Beim Erholungsurlaub am Bodensee nach einer Fußverletzung lernte er kurz darauf seine spätere Frau, Carola von Fumetti, kennen und lieben, 1919 heirateten sie.

Eine Lebensgemeinschaft begann, von der Walter Rau sagte, es sei seine zweite Geburt gewesen. Mit Lola von Fumetti entdeckte er Anthroposophie, sie war der Mensch, der dem Ertaubenden half, die Mauer zu überwinden. Sie ermöglichte ihm an Gesprächen und später an Sitzungen und Konferenzen teilzuhaben, indem sie ihm die gesprochenen Worte aufschrieb oder mittels Fingeralphabet buchstabierte. Durch ihre intensive Hilfe konnte Walter Rau zu seiner großen Lebensleistung kommen.

Nach dem Krieg musste er sein Studium abbrechen und trat 1920 in die väterliche Firma ein. 1919-22 hielt Rudolf Steiner seine öffentlichen Vorträge über die Dreigliederung (GA 328-341). Walter Rau lehnte zunächst diese Denkrichtung ab. Erst als er im Winter 1921/22 Friedrich Rittelmeyer, Emil Bock und Gertrud Spörri kennen lernte, die im Hause seines Onkels Felix Rau über die Gründung der Christengemeinschaft sprachen, fand für Walter und Lola Rau eine geistige Wende statt. Der Besuch der pädagogischen Vorträge Rudolf Steiners in Stuttgart 1924 (GA 308) sowie ein Aufenthalt in Dornach im August 1925 bewogen Walter und Lola Rau dann zur Mitgliedschaft in der Anthroposophischen Gesellschaft.

Beruflich gab es für ihn in dieser Zeit schwerwiegende Veränderungen. Der Familienbetrieb „Vereinigte Seifenfabriken‟ geriet in Schwierigkeiten und musste verkauft werden. Walter Rau strebte nach einem Neuanfang. Ein Gespräch mit dem Freund Emil Molt ließ ihn den Gedanken an eine wissenschaftliche Laufbahn verwerfen. - Der Besuch der „Summer-School‟ der Anthroposophischen Gesellschaft bei Glasgow und auf der Insel Iona führte Walter und Lola Rau 1927 mit Ita Wegman, Eugen Kolisko, Walter Johannes Stein, Otto Palmer, Emanuel Zeylmans und vor allem mit Emil Kühn zusammen und brachte völlig neue Denkansätze.

Walter Rau übernahm 1928 mit finanzieller Hilfe seines Vaters und eines Geschäftsfreundes ein stillgelegtes Fabrikgrundstück in Möhringen. Seine neue Firma sollte zwar weiterhin Seife produzieren, doch nur eine Feinseifenfabrik, die sich durch ein „Markenprodukt‟ durchsetzte, hatte eine Chance.

Mit Hilfe der Lili Kolisko’schen Kapillar-Steigversuche studierte er die Rohstoffe, die Öle, Fette und Pflanzensäfte in ihrer Wirkung in der Seife auf die menschliche Haut.

In Zusammenarbeit mit dem Arzt Hermann Aubel und mit den Dornacher Forschern Ehrenfried Pfeiffer, Gerhard Schmidt und Joachim Schultz gelang die Verwirklichung. Walter Rau griff auf die alte Heilpflanze Speik (Valeriana celtica) zurück und entwickelte daraus die „Speickseife Walter Rau‟ und die „Kamillen-Kinderseife Walter Rau‟. Nach harten ersten Jahren setzte sich die Seife durch - doch der Zweite Weltkrieg unterbrach die Arbeit gravierend und brachte zudem 1941 den Verlust des 21-jährigen Sohnes, der in Russland fiel.

Nach dem Krieg wurde die Arbeit mit neuem Elan fortgesetzt. Walter Rau war fasziniert von seiner Aufgabe: der anthroposophischen Durchdringung eines Wirtschaftsbetriebes, von der Arbeit mit den Menschen, für die Menschen, vom Bedürfnis und vom stofflichen Aufbau einer „Ware‟ her.

Der Heidenheimer Arbeitskreis, 1947 von Fritz Götte und Hanns Voith gegründet, brachte viele Anregungen. Walter Rau führte im Betrieb verschiedene sozial wirkende Gremien ein: die monatlichen „Werkstunden‟ zur Unterrichtung und Weiterbildung der Mitarbeiter; das „Kollegium‟, das die leitenden Mitarbeiter zusammenfasste und sich mit Themen der Dreigliederung und des Betriebsgeschehens befasste, und „Die Rechtshelferschaft‟, die aus gewählten Mitarbeitern und der Geschäftsleitung bestand, um Probleme des Betriebes zu diskutieren und gemeinsam zu lösen. 1954 führte Lola Rau innerhalb der Arbeitszeit die „Betriebs-Eurythmie‟ ein. Auch Kinder-Eurythmie wurde im neu erstellten Eurythmie-Raum angeboten. Schon seit 1945 wurden alljährlich, in den ersten Jahren noch von Karl Schubert mitgetragen, die „Oberuferer Weihnachtsspiele‟ im Betrieb aufgeführt und bei den Mitarbeitern überaus positiv aufgenommen.

Der Betrieb entwickelte sich, die Mitarbeiterzahl stieg, das Möhringer Werk konnte sich nicht weiter ausdehnen. Es wurde 1962-67 in Leinfelden-Echterdingen ein Neubau errichtet und Walter Rau konnte noch selbst die Einweihung und das Anlaufen der Produktion in die Wege leiten.

Die verschiedenen Ämter, die er neben der beruflichen Arbeit die Jahre hindurch wahrnahm, fanden eine Anerkennung durch das Bundesverdienstkreuz. Durch die Freundschaft mit Alla Selawry und sein naturwissenschaftliches Interesse kam noch die Mitarbeit im Vorstand des Vereins zur Förderung der Blutkristallisationsforschung in Stuttgart dazu.

1964 erkrankte Walter Rau schwer an einer Grippe, ein Nebennierenleiden kam dazu, das Leben wurde mühsam für ihn. Er lebte bewusst dem Ende entgegen, im Januar 1968 ging er über die Schwelle. - Er hatte die Mauer überwunden, die ihn als jungen, ertaubenden Menschen von den anderen Menschen trennte. Er hatte durch die Liebe seiner Frau und durch die neue freie Geistesrichtung die Bejahung seiner Taubheit errungen und dadurch eine große Reife erfahren.

Erdmute Teuffel-Rau

Quellen Erwähnungen

N 1959 S. 114, 137
N 1960 S. 94, 147
N 1961 S. 32
N 1968 S. 176a
MaD 1948 Nr. 4, S. 27
MaD 1962 Nr. 59, S. 78 f F. Götte
MaD 1968 Nr. 83 Todesanzeige
EK 1967 Nr. 4 E.Weißert: Zum 75. Geburtstag
Lebensbilder Krähenwald, Band II, Stuttgart 2013, S. 40

Info

Gehörte mit Emil Molt zu den ältesten Vorstandsmitglieder der ersten
Waldorfschule. Seifenfabrikant.
Werke: Feinseifenwerk Walter Rau, in: Mitteilungen der Arbeitsgemeinschaft
zur Förderung der Partnerschaft in der Wirtschaft 1961, Nr. 5; zahlreiche
Beiträge in HR, weitere in BeH, CH, DD, EK, MaD, RUh, SaG.
Literatur: autobiografisch: Ertaubend im Beruf, in: DD 1960, Nr. 1; Walter
Rau 70 Jahre, in: Seifen-Öle-Fette-Wachse 1962, Nr. 8; Weißert, E.: Verehrte
Mitarbeiter und ihr dauerndes Werk, in: EK 1967, Nr. 4; Debus, E., Weißert, E.:
Walter Rau, in: RUh 1968, Nr. 44; Kügelgen, H. v.: Walter Rau, in: EK 1968,
Nr. 1; Götte, F.: Walter Rau, in: MaD 1968, Nr. 84.
Abkürzungen: siehe hier
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