Ernst Müller

Prof., Dr., Dr.Ing. h.c. Müller, Ernst August

Strömungsphysiker, Hochschullehrer.

*11.11.1925, Uengsterode am Hohen Meissner (Deutschland)

✟24.02.2001, Göttingen (Deutschland)

Ernst-August Müller war neben seiner erfolgreichen Forschungs- und Lehrtätigkeit als Strömungswissenschaftler Mitbegründer des Kollegiums der Naturwissenschaftlichen Sektion am Goetheanum. Er war akademischer Lehrer vieler Wissenschaftler und Pädagogen, die heute an anthroposophischen Einrichtungen arbeiten.

Er wuchs bei seinem Onkel, dem Revierförster Oskar Müller, in Landwehrhagen auf, nachdem er beide Eltern verloren hatte, den Vater mit elf, die Mutter mit zwölf Jahren. Nach dem Besuch der Volksschule, an der sein Vater Lehrer war, ging er von 1936-43 in Kassel auf die staatliche Wilhelmschule. Dort lernte er sehr bald seinen lebenslangen Freund Norbert Pfennig kennen, den später bekannten Mikrobiologen.

Nach Kriegsende und ausgestandener amerikanischer Kriegsgefangenschaft nahm er 1946 in Göttingen das Studium der Physik und Mathematik auf. Als er dort in einem Vortrag die Anthroposophie kennen lernte, begeisterte er sich bald vor allem für die Freiheitsphilosophie Rudolf Steiners. 1948 führte ihn der Besuch der anthroposophischen Hochschulwochen in Stuttgart mit seiner späteren Frau Brunhild Stohlmann zusammen. Aus der 1951 geschlossenen Ehe gingen zwei Töchter hervor.

Seine akademischen Studien, die ihn u. a. mit W. Magnus, R. Becker, K. F. v. Weizsäcker, W. Heisenberg und W. Tollmien zusammenbrachten, schloss er 1953 mit der Promotion ab. Sein Spezialgebiet wurde die Strömungsakustik. 1968 entwarf er zusammen mit seinen Mitarbeitern eine vollständige Theorie der Schallerzeugung durch Strömungen. Im selben Jahr wurde er wissenschaftliches Mitglied der Max Planck-Gesellschaft. Als Nachfolger von W. Tollmien wurde er 1969 auf den Lehrstuhl für Angewandte Mechanik und Strömungsphysik an der Universität Göttingen berufen und bald darauf als einer von drei Direktoren an das Max Planck-Institut für Strömungsforschung.

Seine Forschungstätigkeit in Göttingen brachte ihm viele internationale Kontakte. Für seine Untersuchungen zur Fluglärmbekämpfung bekam er 1981 das Bundesverdienstkreuz und 1998 die Ehrendoktorwürde. Darüber hinaus gab er vielen Studenten und jungen Wissenschaftlern die Gelegenheit, ihre Forschungen anthroposophisch und goetheanistisch zu vertiefen.

Der anthroposophischen Arbeit fühlten sich Müller und Pfennig initiativ verbunden. Mentorin der ersten Jahre war Clara Remer, eine Schwester von Nicolaus Remer. Im Juni 1949 wurde Müller Mitglied der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft und baute die Arbeit des Michael-Zweiges in Göttingen mit auf. Er begleitete die Gründung des Waldorfkindergartens, deren erste Leiterin seine Frau wurde, und schloss sich Ende der 70er-Jahre der Gründungsinitiative der Freien Waldorfschule Göttingen an, in deren Vorstand er viele Jahre mitwirkte. Im Jahre 1968 begründete er mit Jochen Bockemühl, Norbert Pfennig und anderen das Kollegium der Naturwissenschaftlichen Sektion am Goetheanum zur Unterstützung ihres damaligen Leiters Hermann Poppelbaum. Der Sektionsarbeit blieb er bis zu seinem Tod intensiv verbunden. Er beteiligte sich an Forschungen zum Rührwirbel bei der Herstellung biologisch-dynamischer Präparate. In den letzten Jahren wirkte er in Göttingen als Lektor der Ersten Klasse der Freien Hochschule für Geisteswissenschaft.

Schon in seiner Jugend entwickelte Müller eine selbstverständliche Naturverbundenheit. Außerdem besaß er einen ausgeprägten Sinn für die Künste und vor allem reges Interesse für die Impulse anderer Menschen. So war es ihm möglich, auf ganz besondere Weise im Gespräch und durch Bereitstellung geeigneter Mittel die Entwicklung der Anliegen seiner Mitarbeiter und Studenten zu fördern. Die Verwandtschaft der Zusammenhang stiftenden Strömungen mit dem Denken hatte er als soziale Qualität verinnerlicht, wodurch er in selbstloser, aber sachkompetenter Weise als Gutachter, Berater, Vortragender und weiterfragender Gesprächspartner wirken konnte.

Für Müller waren Naturwissenschaft und Anthroposophie keine getrennten Arbeitsfelder. Kurz vor seinem Tode äußerte er noch in einem privaten Gespräch den dringenden Wunsch, die anthroposophischen Wissenschaftler mögen mehr als bisher den Dialog mit den wirklich fragenden Wissenschaftlern unserer Zeit aufnehmen, um der Anthroposophie als Wissenschaft zu der ihr angemessenen Stellung im Geistesleben der Gegenwart zu verhelfen.

Martin Basfeld

Quellen Erwähnungen

N 1965 S. 49
N 1967 S. 66
N 2000 S. 223 75. Geburtstag
N 2001 S. 219
Werke: Abteilung Dynamik kompressibler Medien, und mit Zimmermann, G.: Einheitliche Bewertung von Schallpegelverläufen, in: 50 Jahre Max Planck-Institut für Strömungsforschung, Göttingen 1975; Die Strömung - Bild des Ätherischen, in: Bockemühl, J. [Hrsg.]: Erscheinungsformen des Ätherischen, Stuttgart 1977; mit Schneider, P. M.: Bewegung eines Staubwirbelpaares, Göttingen 1979; Chaosforschung in der Naturwissenschaft. Rudolf Steiner über Chaos, in: G 1984, Nr. 45; mit Auerbach, D.: Das fünfte - das neue - Element, in: Elemente der Naturwissenschaft 1998, Nr. 69; weitere Beiträge in EdN, N.
Literatur: Bockemühl, J., Kühl, J.: Norbert Pfennig und Ernst-August Müller zum 75. Geburtstag, in: N 2000, Nr. 28; Kühl, J.: Ernst August Müller, in: N 2001, Nr. 15.
Abkürzungen: siehe hier
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