Olga Freifrau von Ungern-Sternberg

Dr. med. Freifrau von Ungern-Sternberg, Olga

geb.: Thümmel

Ärztin, Psychotherapeutin, Astrologin.

*24.11.1895, Berlin (Deutschland)

✟22.11.1997, Bochum (Deutschland)

Olga wird als Tochter des kaiserlichen Premierleutnants Walter Erich Thümmel in Groß-Lichterfelde (heute Steglitz) geboren, die Mutter, eine Edle von Graeve, stammt von einem ostpreußischen Rittergut und ist ausgebildete Pianistin und Konzertsängerin. 1900 wird der Vater nach Mainz versetzt, wo er als Major ein Bataillon kommandiert. Im Milieu der Offiziersfamilien wächst Olga heran, sieht auch mehrfach Wilhelm II., wenn dieser zu Kaisermanövern nach Mainz kommt. Durch den Vater lernt sie Pflicht- und Verantwortungsgefühl, durch die Mutter kommt ein musisches Element in die Familie.

Nach dem Abitur in Mainz, Ostern 1914, geht sie als Austausch-Schülerin nach England, wie dies in den Kreisen der befreundeten deutschen und englischen Militärs damals üblich war. Bei Ausbruch des Weltkriegs muss sie vorzeitig nach Deutschland zurückkehren. Schon im August fällt der Vater in Belgien. Sämtliche Jugendbekanntschaften, die jungen Offiziere und Leutnants, werden Opfer des Krieges.

Schon im ersten Kriegsjahr absolviert sie einen Kurs, um als Rotkreuz-Schwester im Lazarett arbeiten zu können. Ein ganzes Jahr arbeitet sie als Krankenschwester in der französischen Etappe. 1916 beginnt sie in Frankfurt ein Medizinstudium, in den Semesterferien arbeitet sie weiterhin im Lazarett. 1920 schließt sie in Marburg ihr Studium mit dem Staatsexamen ab. Einige Monate darauf promoviert sie mit Auszeichnung und kann im Alter von 25 Jahren als Dr. med. ihre Arbeit aufnehmen. In diese Zeit fällt auch ihre kurze erste Ehe mit einem Kollegen.

In den 20er-Jahren lernt sie die Psychoanalyse und die wissenschaftliche Astrologie kennen, die beide richtungsweisend für sie werden sollten.

Mitte Mai 1922 hört sie den letzten Vortrag Rudolf Steiners in München, was aber zunächst keine Beschäftigung mit dessen Lehre bewirkt. Zwei andere Begegnungen dagegen sollten ihr Leben zunächst tief- greifend verändern: die mit ihrem späteren Ehemann Freiherr Otto von Ungern-Sternberg und mit Graf Hermann Keyserling (1880-1946), der durch sein „Reisetagebuch eines Philosophen‟ und seine in Darmstadt gegründete „Schule der Weisheit‟ bekannt werden sollte.

Im weiteren Verlauf der 20er-Jahre arbeitet sie in der Universitäts-Nervenklinik in Gießen, in Bad Kissingen hat sie ab 1923 eine Praxis als Psychotherapeutin.

Im Darmstädter Hause Keyserling kommt es zu Begegnungen mit C.G. Jung, Martin Buber, Richard Wilhelm (Übersetzer des chinesischen „I Ging‟), Leo Frobenius (dem Erforscher afrikanischer Mythen), dem Biologen Hans Driesch (der als Philosoph wichtige Grundlagen zum holistischen Denken formulierte) und mit dem Arzt und Psychotherapeuten Georg Groddeck, der heute als einer der Begründer der Psychosomatik gilt.

Aus ihrem ersten Vortrag geht später das Buch „Die innerseelische Erfahrungswelt am Bilde der Astrologie‟ hervor, wo Olga von Ungern-Sternberg ihren eigenen Standort innerhalb der psychoanalytischen Bewegung definiert. Es enthält die Grundlagen einer psychologisch verstandenen Astrologie, in der die Willensfreiheit des Menschen unangetastet bleibt.

Über Zittau und Berlin kommt sie 1929 nach Leipzig, wo sie mit großem Erfolg als Kassenärztin praktiziert. Aus der Leipziger Zeit datiert Olgas Kontakt mit der Homöopathie und der Anthroposophie. Zufällig sieht sie die Ankündigung eines Vortagsabends der anthroposophischen Ärzte Eberhard Schickler und Friedrich Husemann, den sie sofort besucht, woraus ein langjähriger, sehr fruchtbarer Kontakt entsteht. Insbesondere mit der anthroposophischen Krebstherapie hat sie Erfolge. „Sie wurde eine gut fundierte Homöopathin, wenn auch nicht unbedingt im Sinne der klassischen Homöopathie. Ebenso wenig kann man sie als dogmatische Anthroposophin bezeichnen, wenngleich sie am anthroposophischen Kulturimpuls mitwirkte.‟ (Manfred von Ungern-Sternberg)

1934 ist sie erstmals in Dornach, im Frühjahr 1935 wurde die Anthroposophie in Deutschland verboten. Durch die Protektion eines Gestapo-Mannes, der zu ihren Patienten gehörte, entgehen alle Leipziger Astrologen und Freimaurer während des Dritten Reiches der drohenden Verhaftung. Auch die Zeit des Zweiten Weltkriegs verbringt Olga von Ungern-Sternberg in Leipzig und betreut nach Kriegsende neben ihrer eigenen Praxis ein Flüchtlingslager.

Nach dem Tode ihres Mannes Otto (1954) und zunehmend durch die DDR-Gesetze behindert - Homöopathie durfte nur sehr eingeschränkt angewendet werden; anthroposophische Heilmittel der Firmen Weleda und Wala waren verboten - übersiedelt sie 1955 nach Westdeutschland, um in Bochum eine eigene Praxis zu eröffnen, die sie bis 1995 führte. Diese Praxis, eine Art „Haus der offenen Tür‟, wurde durch regelmäßige Vortragsabende und gesellige Runden zu einem kleinen Kulturzentrum.

1965 begegnet sie auf Schloss Elmau dem Religionsphilosophen Hermann Weidelener, mit dem sie das Interesse an Symbolen als Mittel zur Selbstfindung teilt.

1995 kann sie in geistiger Frische mit einem großen Kreis von Freunden und Gratulanten, vor allem ehemaliger Patienten, ihren 100. Geburtstag feiern.

Mit Thomas Ring (1892-1983), Dane Rudhyar (1895-1985) u.a. gehört Olga von Ungern-Sternberg zu den Pionieren einer Astrologie, die auf einer zeitgemäßen Menschenkunde basiert.

Wolfgang G. Vögele

Quellen Erwähnungen

N 1995/96 S. 218 100.Geburtstag Heinz Herbert Schöffler
N 1998 S. 121
Wistinghausen, D, von: Typoskript

Info

Auskünfte: Prof. Dr. Jürgen in Riehen
Werke: Die innerseelische Erfahrungswelt am Bilde der Astrologie; Stuttgart
1928, ²1975; Die Planeten als Sinnbild für innerseelische Mächte, in: Ebertin,
R. und B. [Hrsg.]: 47. Ebertin kosmobiologisches Jahrbuch, Aalen 1976;
Grundlagen kosmischen Ichbewusstseins. Freiburg 1977, spätere Auflage: Die
Sternenschrift im Heraklesmythos. Schaffhausen 1989; Die Sternenschrift im
Gralsgeschehen, Kinsau 1984, ²1986; Beiträge in BeH.
Literatur: Heer, M.: Dr. med. Olga Freifrau von Ungern-Sternberg zum 100. Geburtstag. (Ein Zeitzeugenbericht mit Ergänzungen von Dr. med. Manfred Frh. v. Ungern-Sternberg, Detmold), Manuskript 1997; Hohenstein, H. A.: „Wir erinnern uns an das Kommende‟, in: CH 1978, Nr. 6.
Abkürzungen: siehe hier
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