Trudi Hartman-Kloot

Hartman-Kloot, Trudi

geb.: Kloot

Heileurythmistin.

*26.05.1900, Rotterdam (Niederlande)

✟14.10.1981, Zeist (Niederlande)

Helena Geertruida Hartman hat Wesentliches zur Verbreitung und Anerkennung der heileurythmischen Arbeit in Holland geleistet. Sie ist in der emporstrebenden Hafen- und Industriestadt Rotterdam, seit dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts Knotenpunkt der gegenseitigen Verflechtung deutscher und niederländischer Wirtschaft, aufgewachsen. Trudi Kloot war die älteste Tochter einer Lehrerfamilie.

Sie besuchte die Realschule, in der ihr Vater unterrichtete, und machte anschließend eine verkürzte Volksschullehrer-Ausbildung, um möglichst schnell unabhängig zu werden. Als sie das Diplom erworben hatte, gab sie in verschiedenen Schulen Vertretungsunterricht.

Mit 19 Jahren lernte sie ihren Lebensgefährten, den Musikstudenten Frans Hartman, und durch ihn die Anthroposophie kennen. Hartman war Schüler des Komponisten Henri Zagwijn, der in Rotterdam Einführungskurse in die Anthroposophie gab. In einem düsteren Viertel der Seemannsstadt erlebte Trudi einen Vortrag von Elisabeth Vreede vor einem kleinen Kreis von Menschen. Die Sprecherin - eine bescheidene Erscheinung - und der Vortrag - über das Christentum - hatten wenig Eindruck auf sie gemacht. Bei der anschließenden Fragenbeantwortung machte ein junger Mann eine relativierende, abschätzige Bemerkung über Christus. „Da erhob sich Dr. Vreede und nie habe ich einen Menschen in einem Augenblick (sich) so völlig verändern sehen. Mit gewaltigem Feuer und innerer Überzeugung sprach sie über das Einmalige des Christus in der Menschheitsgeschichte. Es ging eine Glut von ihren Worten aus, die alle Anwesenden tief beeindruckte. Für mich war es eine Art Funken, der mich innerlich herbeirief. Wenn jemand sich in wenigen Augenblicken so verwandeln konnte, wie wir es an dieser Sprecherin erlebt hatten, musste ihre Überzeugung wohl etwas sehr Besonderes und Großes sein‟ (unveröffentlicht).

1923 wurde die Haager „Vrije School‟, die erste Waldorfschule in den Niederlanden, eröffnet. Trudi Hartman wurde Klassenlehrerin und hospitierte in der Stuttgarter Waldorfschule bei Karl Schubert, zu dem sich eine enge Freundschaft entwickelte. Anfang 1924 wurde das Ehepaar Hartman Mitglied der Anthroposophischen Gesellschaft und sie lernten im Juli 1924 anlässlich der pädagogischen Tagung in Arnheim Rudolf Steiner persönlich kennen.

Als Trudis 33. Lebensjahr in Sicht kam, wollte sie ihrem Leben eine neue Richtung geben. Ita Wegman schlug ihr ein Medizinstudium oder die Gründung eines heilpädagogischen Instituts in der Provinz Zeeland vor. Beides lehnte Trudi ab. Als Ita Wegman sie aber einmal in der Hilfsklasse mit einem Schüler Bewegungsübungen machen sah, riet sie ihr sofort zur Heileurythmie. - So beschloss Trudi mit 32 Jahren Heileurythmistin zu werden.

Sie durchlief nicht erst eine künstlerische Eurythmie-Ausbildung, sondern steuerte geradewegs bei der Ärztin Margarethe Kirchner-Bockholt in die Heileurythmie hinein, eine Ungewöhnlichkeit, die manche Fachkollegen ihr nur mit Mühe verziehen haben. Während ihres Praktikums 1931/32 bei Margarete Kirchner-Bockholt und Julia Bort wohnte sie in Arlesheim bei Elisabeth Vreede, mit der sie tief befreundet wurde.

Sie eröffnete eine Heileurythmie-Praxis in Scheveningen, die bald zum Treffpunkt für viele prominente Anthroposophen aus verschiedenen Ländern wurde. Außer Karl Schubert gehörten zu ihrem Freundeskreis u.a. Willem und Ingeborg Zeylmans, Maria Röschl, Ernst Lehrs, George Adams und besonders auch Caroline von Heydebrand. Der Krieg zwang dieses rege soziale Leben in viel bescheidenere Formen. Auch die Heileurythmie war zur Unauffälligkeit gezwungen. Das Haus musste auf Befehl der deutschen Besatzungsmacht geräumt werden, Scheveningen wurde militärisches Sperrgebiet.

Das unerwartete Geschenk dieser Zeit war 1944 die Geburt der Tochter Felicia, des einzigen Kindes.

Nach dem Kriege verlangte die schnell wachsende heileurythmische Arbeit einen fortwährenden Einsatz. Es gelang, die anthroposophischen Ärzte in Den Haag aktiv zu interessieren. Das Beispiel wirkte auch in anderen Städten des Landes, sodass die Zahl der Kollegen in Holland rasch zunahm. Trudi wurde trotz ihrer intensiven und erfolgreichen Arbeit aufgrund ihrer unorthodoxen Ausbildung außerhalb Hollands höchstens als eine kuriose Ausnahme geduldet. Zudem hielt sie mit ihrer Kritik an den bestehenden Eurythmieschulen nicht zurück, die sie zu einseitig ästhetisch-künstlerisch und zu wenig auf die Pädagogik und die Heileurythmie gerichtet fand. Mit Humor, auch relativierender Selbstironie und Respekt für die anders denkenden und handelnden Kolleginnen konnte sie ihren gelegentlichen Mangel an Vorsicht und Takt ausgleichen und allmählich gewann ihre Arbeit über die Grenzen hinaus Anerkennung.

Ein unerwarteter Schicksalsschlag, unter dem sie lange gelitten hat, war die Scheidung von Frans Hartman 1955. Trudi wohnte und arbeitete aber noch volle 25 Jahre im Scheveninger Haus.

Trudi Hartman war eine allein schaffende Pionierin und doch zugleich ein Gemeinschaftsmensch. Sie begrüßte und unterstützte das Zustandekommen der international koordinierten Heileurythmie-Ausbildung, in der Grete Kirchner-Bockholt, Trude Thetter und Davinia (Daffie) Niederhäuser-de Jaager zusammenarbeiteten.

Eine besondere Beziehung hatte sie zur Heilpädagogik. Sie unterstützte die Anwendung der Heileurythmie in den Instituten durch Interesse und Ratschläge. Es war ihr besonderes Anliegen, dass der Weg über die Eurythmieschulen nicht der einzige Zugang zum heileurythmischen Beruf bleiben sollte, sondern dass auch ein Zugang über die Heilpädagogik möglich sein sollte. Werner Pache richtete es ein, dass sie im heilpädagogischen Seminar im Sonnenhof in Arlesheim jedes Jahr in der Osterzeit einen Heileurythmiekurs geben konnte. Sie hat noch Anfang der 70er-Jahre einige junge Heilpädagogen privat ausgebildet. Doch wurde dieser direkte Weg vom Praktisch-Therapeutischen in die Heileurythmie schließlich endgültig verlassen, als Trudi erfahrungsgemäß erkannte, dass die jungen auszubildenden Menschen die künstlerische Basis der Eurythmie nicht (mehr) entbehren konnten.

Sie blieb durch ihre muntere Lebenshaltung, ihren Humor und ihr nie nachlassendes Interesse für Menschen geistig jung und unentwegt tätig, bis sie während eines Ausflugs in der Schweiz durch einen Sturz auf der Straße eine Augenachsenverschiebung erlitt. Das dadurch bewirkte Doppeltsehen setzte ihrer ganz auf Wahrnehmung beruhenden Arbeit ein Ende. Sie war auf einmal teilweise pflegebedürftig. Im folgenden Jahr verließ sie Den Haag und das geliebte Scheveninger Haus und zog zu ihrer Tochter nach Dornach.

Im Herbst 1981 machte sie eine lange Reise in die Niederlande. Während eines Aufenthaltes bei guten Freunden starb sie plötzlich, 81 Jahre alt.

Hans Peter van Manen

Quellen Erwähnungen

MAVN 1968 Nr. 6, S. 155
MAVN 1987 Nr. 9, S. 263
MAVN 1994 Nr. 4, S. 34
MAVN 1981 Nr. 11, S. 310
MAVN 1982 Nr. 7/8, S. 225

Info

War Mitglied des Vorstandes der Vereinigung von therapeutischen Eurythmisten in den Niederlanden, verheiratet mit Frans, kan durch Henri Zagwijn zur Anthroposophie
Werke: Beiträge in O.
Literatur: Hartman, T.: Herinneringen 1900-1981. Manuskript, in der Bibliothek der „Antroposofische Vereniging in Nederland‟, Riouwstraat 1, Den Haag; Koopmans, A.: Trudi Hartman, in: MaD 1982, Nr. 140; Barfod, W.: Trudi Hartman - ein Leben aus der Eurythmie heraus, in: RRM 1982, Nr. 12.
Abkürzungen: siehe hier
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