Bernhard Martin

Dr.phil. Martin, Bernhard Friedrich

Verlagslektor, Kulturjournalist, Essayist.

*03.06.1900, Frankfurt/M. (Deutschland)

✟09.08.1985,

Bernhard Martin gehört zu den Intellektuellen, die von einem religiös verarmten Protestantismus kommend und aus einer seelisch-geistigen Krise in der Lebensmitte heraus im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts zur Anthroposophie stießen, durch sie die Erfüllung ihrer Erkenntnissuche fanden, dann aber - noch während der Zeit des Zweiten Weltkriegs - eine Wendung zum Katholizismus vollzogen. Darüber hat er einen „geistigen Lebensbericht‟ verfasst, an dem in eindrücklicher Weise deutlich wird, mit welcher Ernsthaftigkeit er den Erkenntnisweg betrat. Jedenfalls hebt sich seine minutiöse Schilderung von den so genannten „Bekehrungserlebnissen‟ jener ab, die geringschätzig auf ihre eigene Vergangenheit zurückblicken. Im Sinne seines eigenen Strebens, nicht nur den Worten des geistigen Lehrers zu folgen, sondern, angeleitet durch die Grundlagenwerke Steiners, konsequente Erkenntnisarbeit zu leisten, fand Martin durch Valentin Tomberg, der im Lebensbericht ungenannt bleibt, Bestätigung und Förderung, nicht am wenigsten darin, inwiefern Anthroposophie und christliches Glaubensgut je ihre Eigenständigkeit und Berechtigung behalten können.

In seiner Münchener germanistischen Dissertation beschäftigte er sich mit den mystischen Elementen in der Dichtung Christian Morgensterns. Von 1930 bis 1947 war er Mitglied der Anthroposophischen Gesellschaft; im selben Jahr 1930 trat er in die Christengemeinschaft ein, in der er bereits jahrelang mitarbeitete, jedoch infolge gesundheitlicher Defizite zum Priesterdienst nicht zugelassen werden konnte.

Freimütig bekennt Bernhard Martin, dass Gestalt und Werk Rudolf Steiners für ihn „eine Lebensrettung‟ bedeuteten, weshalb er „niemals zu einer einfachen Ablehnung alles Anthroposophischen‟ gelangt sei. Martin gehört auch nicht zu jenen, die je einer „katholischen Anthroposophie‟ das Wort redeten. Dafür lieferte er jahrzehntelang eindrückliche Belege in Gestalt von Aufsätzen, die er u.a. als Herausgeber bzw. als Redakteur im Bärenreiter Verlag Kassel (ab 1937), speziell in der dort edierten kulturellen Monatsschrift „Die Neue Schau‟, später in „Kultur und Leben‟, Baden-Baden, veröffentlichte. In beiden Zeitschriften benutzte er auch das Pseudonym „Thomas Bergner‟. Hier, aber auch in der katholischen Kirche nahe stehenden Blättern, finden sich Texte, die Person und Gegenwartsbedeutung Rudolf Steiners in ebenso sachgemäßer wie nobel würdigender Weise vorstellten. „So entstand durch die Anthroposophie in mir der Glaube, dass die moderne, entgöttlichte, zersplitterte Welt heilungsfähig sei, weil es gegen ihren Grundschaden ein Heilmittel gäbe ...‟ (1950, S. 146)

Wichtig war ihm der bislang nicht gelungene Dialog zwischen Kirche und Anthroposophie: „Wer Rudolf Steiners Werk einigermaßen kennt und somit weiß, mit welcher Intensität er ... auf das Wesentliche und Rettende des Christusimpulses gewiesen hat, dem kann es nur traurig erscheinen, dass das Christliche in der Anthroposophie von kirchlicher Seite noch immer entweder negiert oder angezweifelt wird. Das kann nur die Folge davon sein, dass man sich katholischerseits mit den Details anthroposophischer Verkündigung nicht genügend befasst, sondern in Vorurteilen gegen sie abgeschirmt hat. Dabei hat kein kirchlicher Denker unseres Jahrhunderts über das Wesen Christi, über die Bedeutung seines Wirkens, über seinen Tod, seine Auferstehung und sein Fortwirken mit der Kenntnis und Überzeugungskraft gesprochen, die Rudolf Steiner eigen war.‟ (Kultur und Leben, 4/1976)

Gerhard Wehr
Werke: Christian Morgensterns Dichtungen nach ihren mystischen Elementen, Weimar 1931; Schiller und Goethe, Kassel 1949; Goethe und Christiane, Kassel 1949; Goethe und Charlotte von Stein, Kassel 1949; Von der Anthroposophie zur Kirche. Ein geistiger Lebensbericht, Speyer 1950; Rudolf Steiner, Wollen und Wirken, in: Die Neue Schau. Kassel 1953; zahlreiche Beiträge in CH.
Literatur: Lauer, H. E.: Bernhard Martin und die Anthroposophie, in: BfA 1953, Nr. 10; Die Macht des Mysteriums. Im Gedenken an Bernhard Martin, in: Christ in der Gegenwart, Freiburg 1986, Nr. 31.8.
Abkürzungen: siehe hier
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