Dr.phil.,Professor Thürkauf, Max
Hochschullehrer, Publizist.
*21.05.1925, Basel (Schweiz)
✟26.12.1993, Weil am Rhein (Deutschland)
Max Thürkauf - ein unruhiger und engagierter Geist, brillanter und leidenschaftlicher Wissenschaftler, Redner und Publizist, der jenseits aller bürgerlichen Regeln das Bewusstsein seiner Zeitgenossen für die Dramatik unserer Epoche zu wecken suchte.
Er wurde als Sohn des Oskar Paul Thürkauf und der Frieda Rosa, geb. Ferber, in Basel geboren. Er erlernte den Beruf des Chemielaboranten, bevor er 1947 am Basler Minerva-Institut das Abitur nachholte. Um sein Studium zu finanzieren, lehrte er an der Gewerbeschule Chemie und Physik. Er promovierte 1956 in Physikalischer Chemie und wurde sofort in die „Schweres-Wasser-Forschung‟ einbezogen, wo er zusammen mit Prof. Kuhn den Ruzicka-Preis errang. Interessanterweise gibt es von ihm eine Kinderzeichnung, wo er sich inmitten eines chemischen Labors forschend gezeichnet hat.
Im Rahmen eines Forschungsprogramms der schweizerischen Atomenergie-Kommission war er 1959 eingeladen, in Saclay bei Paris im „Centre détudes nucléaires‟ an der Gewinnung von „schwerem Wasser‟ teilzunehmen. Er wurde Universitätsprofessor und ein begehrter Forscher. Seine Kritik an einem zum ausbeuterischen Geschäft gewordenen Wissenschaftsbetrieb wuchs und als er sah, wie seine geliebte und verehrte Göttin Natura für blinde Bequemlichkeit geschändet und ausgenutzt wird, konnte er nicht mehr weiterarbeiten wie zuvor.
Seine Erfahrungen und Kompetenz gaben ihm die Kraft, sein Leben grundlegend zu verändern und freiwillig Verzicht zu üben, z. B. auf seinen gut bezahlten Posten als Interimsdirektor seines Universitäts-Instituts. Er stellte sich nicht mehr zur Wahl eines Direktors und ließ nur noch seine letzten Doktoranden abschließen. Er sagte mir damals: „Wer schweigt, macht sich schuldig.‟
Bald wurde ihm lediglich seine seminaristische Vorlesung an der Universität gelassen, die er bis in die späten 70er-Jahre führte. Dabei wurden diese Vorlesungen zu einem Sammelbecken vieler unorthodoxer Geister aller gesellschaftlichen und weltanschaulichen Richtungen, die er mit Hingabe und Leidenschaft zum besseren Erfassen der Gefahr der so genannten wertfreien Forschung führte. Er wies unermüdlich auf die todbringenden Gefahren einer einseitigen Wissenschaftsgläubigkeit hin, die er mit Vehemenz durchleuchtete und deren verhängnisvolle Folgen für die ganze Zivilisation er mit Verve aufzeigte. Hans Erhard Lauer und andere Anthroposophen hatten ihn bei diesen Seminaren treu begleitet.
Neben der Freundschaft mit Hans Erhard Lauer, später auch mit Herbert Witzenmann und seinem Kreis arbeitete er u. a. mit den „Kommenden‟ um Herbert Hillringhaus zusammen. Junge, der Anthroposophie verbundene Intellektuelle aus der 68er-Bewegung - u. a. Wilfrid Jaensch - luden ihn zu Vorträgen zur damaligen Arena, in das Diskussionsforum und die K.U.S.S. („Kritische Untergrundschule‟ Basel) ein. Viele junge Leute, die in der Anthroposophie neue Wege suchten, fanden sich dort ein. In dieser damals aufkeimenden neuen „Intelligentsia‟ war Max Thürkauf ein passionierter Aufrufer zur Erforschung des eigenen Gewissens.
Max Thürkauf war entscheidend mitbeteiligt am damaligen Widerstand gegen das geplante Atom-Kraftwerk Kaiseraugst. Mit Adolf Portmann schrieb er das Buch „Die Sonnenanbeterin‟, mit Robert Jungk unternahm er gemeinsame Aufklärungsaktionen. Er setzte sich für das von Heinrich Pestalozzi so genannte „Kopf-Herz-und-Hand-Prinzip‟ ein. „Das eine nie ohne die anderen zwei‟ war sein Credo. Oder: Der Mensch ist deshalb ein vernünftiges Wesen, weil er als Ebenbild Gottes frei ist; er kann mit seiner Vernunft vernünftig sein, eben sich für oder gegen Gott entscheiden.
Inzwischen verdiente Max Thürkauf sein Brot als Fluglehrer; in Anlehnung an seinen verehrten Antoine de Saint-Exupéry. Er unterrichtete auch Chemie und Physik an einem Gymnasium, wo er die Schüler für unser schweres Zeitenschicksal im Umgang mit den Naturwissenschaften und deren verheerende Auswirkungen sensibilisierte. Und er entfaltete eine beachtliche publizistische Aktivität.
Seit 1965 lebte er mit seiner zweiten Frau, der Schauspielerin Inge Hugenschmidt. Das Paar hatte eine wie sich gegenseitig potenzierende Ausstrahlung und die beiden wuchsen immer mehr in den katholischen Glauben hinein. Max Thürkauf begriff die Kirche zunehmend als unsinkbares Schiff, mit Christus als Steuermann.
Er hatte ein engagiertes und zugleich distanziert-kritisches Verhältnis zur Anthroposophie, vor allem aber zu Anthroposophen, die ihrerseits häufig wenig Verständnis für die Art seines Engagements entwickeln konnten. Gegen Ende seines Lebens fasste er seine Haltung zur anthroposophischen Geisteswissenschaft zusammen: „Mein Interesse an der Geisteswissenschaft Rudolf Steiners wuchs mit der Kritik am naturwissenschaftlichen Materialismus, dessen folgenschwere Irrtümer mir im Verlauf meiner eigenen Forschungstätigkeit auf dem Gebiete der physikalischen Chemie immer deutlicher vor Augen traten. Die natur-philosophischen Betrachtungen Steiners machen es offenkundig, dass mit einer sich auf den Atomismus der quantenmechanischen Analytik reduzierten Chemie und Physik weder Ganzheiten noch Qualitäten erfasst werden können, ja nicht einmal die Qualitäten der bloßen Materie. Leider ist Steiners Erkenntnislehre ebenso verkannt wie jene Goethes, welche Steiner noch in jungen Jahren bei seiner Arbeit über das naturwissenschaftliche Werk Goethes vertiefte und erweiterte. Ich bin sicher, dass dieser Teil des riesigen Schaffens von Rudolf Steiner in der kommenden Naturforschung Anerkennung und Würdigung finden wird.‟ (Unruhig ist unser Herz, 1990)
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