Ernst-Zuelzer, Hertha Louise
geb.: Zuelzer
Sprachgestalterin, Schauspielerin.
*30.04.1904, Berlin (Deutschland)
✟06.09.1974, Karlsruhe (Deutschland)
Hertha Louise Zuelzer stammte aus einer angesehenen Ärztefamilie in Berlin und wuchs in kulturell-geistig angeregtester Atmosphäre auf. Ihre Großeltern mütterlicherseits waren bedeutende Förderer des Musiklebens und Inhaber jenes Konzertbüros Wolff, das Anfang der 20er-Jahre die öffentlichen Vorträge Rudolf Steiners organisierte. Arthur Nikisch, der Dirigent der Berliner Philharmoniker, war ihr Taufpate.
Weihnachten 1924 war sie zum ersten Mal in Dornach und hörte dort die Rezitationskunst Marie Steiners. Darauf entschloss sie sich, anstelle des geplanten Gesangsstudiums zur Ausbildung in Sprachgestaltung und begann damit im Frühjahr 1925. Schon bald wurde sie mit Rezitations- und Bühnenaufgaben betraut und Mitglied des Schauspielensembles am Goetheanum.
Auf eine Anfrage des Wiener Zweiges nach einer Sprachgestalterin, die auch in der vollen Öffentlichkeit wirken könne, antwortete Marie Steiner (1930), hierfür könne sie „nur Zuelzer vorschlagen‟. 1932/33 wurde sie durch Marie Steiner von Wien nach München an den dortigen Goethe-Saal berufen, mit selbstständigen Aufgaben. Gedacht war an eine Ausbildung und an den Aufbau von Kammerspielen (Brief Marie Steiners an Hertha Louise Zuelzer vom 15. Dezember 1932, unveröffentlicht). Im Hinblick darauf erhielt sie 1932 von Marie Steiner ein „Lehrberechtigungszeugnis‟ zur Ausbildung in Sprachgestaltung. Die politischen Verhältnisse machten ihr Bleiben jedoch unmöglich und Hertha Louise Zuelzer kehrte zu ihrer vorhergehenden Tätigkeit nach Wien zurück. Dort begegnete sie dem Philologen Johann Wolfgang Ernst und bezog ihn in ihre Arbeit ein.
Zu Beginn des Jahres 1938 ermöglichte es ein erneuter Ruf Marie Steiners ihr und Johann Wolfgang Ernst, nach Dornach zu kommen, noch vor der Okkupation Österreichs. Das war für sie ihrer jüdischen Herkunft wegen wohl lebensrettend. Im selben Jahr schloss sie mit Johann Wolfgang Ernst die Ehe. In den letzten Kriegsjahren waren ihre Mutter und deren zweiter Mann im Konzentrationslager Theresienstadt interniert, das beide überlebten.
Das Ehepaar Ernst begann in Dornach ein bewusstes, intensives Methoden-Studium an der Kunst Marie Steiners. Sie waren der Überzeugung, einem der bedeutendsten Kunstereignisse des 20. Jahrhunderts begegnet zu sein, das jedoch nur dann weitergegeben werden könne, wenn es gelänge herauszufinden, wie die Künstlerin es mache und was die Grundlagen ihrer Kunst seien. Die Ergebnisse dieser Forschung, zusammen mit der eigenen künstlerischen Reife und der unverbrüchlichen Treue zur verehrten Lehrerin veranlassten Marie Steiner wohl, Hertha Louise Ernst-Zuelzer 1946 die Leitung der Ausbildungsschule am Goetheanum anzuvertrauen. Im gleichen Jahr noch begann die erste Ausbildungsklasse.
Nach dem Tod Marie Steiners 1948 wurde es, in der damaligen Konfliktsituation der Anthroposophischen Gesellschaft, immer schwieriger, diese Aufgabe durchzuführen. 1951 setzte die „Marie Steiner-Schule für Sprachgestaltung und dramatische Kunst‟ ihre Arbeit in Malsch fort, wo auch die Eurythmistin Tatjana Kisseleff wirkte, dann in Hannover und schließlich, 1953, in Coburg.
Mit der inzwischen herangebildeten Truppe wurde eine rege Tourneetätigkeit unternommen, mit beachtlichen Erfolgen in der Öffentlichkeit. Das Ehepaar Ernst leitete, nebst weiterer Ausbildungstätigkeit, das „Kleine Theater Schloss Calenberg‟ mit Freilichtaufführungen vor allem griechischer Dramen in der Übersetzung von Johann Wolfgang Ernst. In diese Zeit fällt eine gründliche Beschäftigung mit der Schauspiel-Methode Michail Čechovs. Ein direkter Kontakt kam wegen des baldigen Todes von Čechov nicht mehr zustande.
Physische Erschöpfung ließ sie die Arbeit nach 1959 nurmehr in äußerlich kleinem Rahmen weiterführen u.a. in London, Aegina, Taormina, bis die schwere Erkrankung 1967 auch das unmöglich machte. Gepflegt von ihrem Mann galten noch die letzten Äußerungen „Frau Doktor‟ (Marie Steiner) und ihrem „Auftrag‟.
Forschungsstelle Kulturimpuls Biografien Dokumentation kulturimpuls.org